Ermonela Jaho, Simon Keenlyside. Foto: Wilfried Hösl
München: Bayerische Staatsoper: „LA TRAVIATA“ – Standing Ovations für Ermonela Jaho, 28.02.2020
Am 28.02.2020 stand an der Bayerischen Staatsoper die letzte Vorstellung der aktuellen Aufführungsserie von Verdis „La traviata“ (Inszenierung aus dem Jahr 1993: Günter Krämer, Bühne: Andreas Reinhardt) auf dem Spielplan. Nachdem Ermonela Jaho die vorherige Vorstellung drei Tage zuvor leider krankheitsbedingt hatte absagen müssen, war sie an diesem Abend der alles überstrahlende, glanzvolle Mittelpunkt. Vom ersten Moment an zog sie in der Rolle der Violetta Valéry das Publikum mit ihrer enormen Bühnenpräsenz und Ausstrahlung in ihren Bann und rührte es mit der ihr eigenen höchst emotionalen, tief empfundenen Rollengestaltung ganz unmittelbar und intensiv an. Dabei führte sie ihren über eine satte Mittellage und blühende Höhen verfügenden, dunkel timbrierten Sopran ohne jegliche Schärfen. Besondere Hervorhebung verdienen ihre unvergleichlichen Piani, mit denen sie das Publikum ganz besonders verzauberte. Die großartige Sängerdarstellerin wurde für ihre herausragenden Leistungen bereits nach dem ersten Akt vom Publikum mit großem Jubel gefeiert und am Ende sogar mit Standing Ovations bedacht.
Eine ebenfalls packende und berührende Interpretation gelang Simon Keenlyside als Giorgio Germont. Sowohl darstellerisch als auch gesanglich mit seinem elegant und kraftvoll geführten, kernigen Bariton schuf er einen komplexen Charakter mit einer vielschichtigen Gefühlslage: ein nicht nur autoritärer, harter und gefühlskalter Mann, dem die Durchsetzung seiner Interessen über alles geht, sondern zugleich ein von der Sorge um das Wohlergehen seiner Tochter getriebener Mann, den das – durch seine Forderung verursachte – Leiden Violettas und seines Sohnes durchaus berührt; ein Mann, der auch Mitgefühl und Verständnis für die beiden empfindet, das von Violetta erbrachte Opfer würdigen kann und am Ende voller tiefer, ehrlicher Reue ist. Als Alfredo Germont komplettierte Liparit Avetisyan mit seiner hellen, angenehm timbrierten Tenorstimme das Trio der Hauptfiguren. Der im Jahr 1990 geborene armenische Tenor feierte in dieser Aufführungsserie sein gelungenes Hausdebüt an der Bayerischen Staatsoper. Auch die weiteren Rollen waren mit Daria Proszek (Flora Bervoix), Corinna Scheurle (Annina), Dean Power (Gaston), Christian Rieger (Baron Douphol), Boris Prýgl (Marquis d’Obigny), Martin Snell (Doktor Grenvil), George Vîrban (Giuseppe) und Christian Valle (ein Diener Floras sowie ein Gärtner) allesamt gut besetzt.
Giampaolo Bisanti trug mit dem Bayerischen Staatsorchester die Sänger geradezu auf Händen und brachte auch orchestral die in der Musik enthaltene tiefe Emotionalität zum Ausdruck. Nicht zuletzt trug ferner der Chor der Bayerischen Staatsoper stimmgewaltig zum Gelingen des Abends bei.
Am Ende erklatschte sich das begeisterte Publikum noch zahlreiche „Extra-Vorhänge“, wobei die Begeisterung unverkennbar – völlig zurecht – vor allem Ermonela Jaho galt.
Martina Bogner