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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: LA FAVORITE – Dreiecksgeschichte zwischen Kloster und Palast

29.10.2016 | Oper

München: Bayerische Staatsoper: „La Favorite“, 28.10.2016 – Dreiecksgeschichte zwischen Kloster und Palast

Ein Mann und eine Frau allein in einem weiten, düsteren Raum, umarmen sich, stoßen sich wieder weg, küssen sich, wollen endlich fliehen, doch überall sind Wände, kommen auf sie zu, versperren ihnen den Weg. Es gibt keinen Ausweg. So beginnt mit einer Pantomime während der Ouvertüre Amélie Niermeyers Neuinszenierung von La Favorite an der Bayerischen Staatsoper und folgerichtig endet die Oper auch in demselben Raum und mit dem Tod der Titelheldin.

Die Handlung stellt eine eigentlich recht banale Dreiecksgeschichte in den Mittelpunkt: zwei Männer eine Frau. Die Frau, Léonor, eine am Rande der Gesellschaft stehende ohne eigene Machtmittel. Der eine Mann, Fernand, ein weltfremder, lebensunfähiger Träumer, der andere, Alphonse, ein verspielter, nicht unsympathischer Machtmensch, der erkennen muss, dass seiner Macht Grenzen gesetzt sind.

Amélie Niermeyer
lässt die drei Hauptpersonen so natürlich agieren, als wären wir nicht in einer Oper, sondern im Kammerspiel. Rampentheater? Fehlanzeige. Zu den oft als Humtata-Musik geschmähten Arien, Duetten und Terzetten werden die Aktionen der Personen klug aus der Musik heraus entwickelt. So wird ein Fausthieb Alphonses an die metallene Bühnenwand zur Einleitung des Terzetts im dritten Akt und wie Mariusz Kwiecień als König hier über die Bühne tänzelt und seine Geliebte halb verschenkt und halb verschachert, das ist ganz großes Theater und passt wunderbar zu Donizettis Musik, die hier im Dreivierteltakt hüpft und tanzt.

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 Der König und seine Mätresse im Kino – Elīna Garanča und Mariusz Kwiecień    © Wilfried Hösl

Dieser Alphonse ist in der Sichtweise der Regisseurin ein verwöhntes, verspieltes Kind, kann brutal aber auch zärtlich sein, rücksichtslos aber auch liebend. Wenn er sich im Kino bei einer Liebesszene eine Träne aus dem Auge wischt, kann Léonor, die seine Zudringlichkeiten bis dahin mit stoischer Ruhe über sich hat ergehen lassen, nicht wiederstehen und nimmt ihn tröstend in den Arm. Gleich darauf wird er wieder übergriffig. Aber als sie dann über den Film lacht, ist auch er glücklich. Kino? Film? Ging es hier nicht um Oper? Ja, schon. Die beschriebene Szene findet zur Ballettmusik statt, die Musik wurde von 20 auf fünf Minuten gekürzt, Alphonse und Léonor sitzen alleine auf der Bühne und das, was sie sich anschauen, spiegelt sich als Lichtreflexion und in ihren Reaktionen. Eine geniale Szene. Ebenso genial die Hochzeit von Léonor mit Fernand: Braut und Bräutigam werden vom Chor der missgünstigen Hofgesellschaft herumgeschubst wie Spielbälle, die sie ja auch sind, Spielbälle der beiden Machtpole Kirche und König.
 
Bildergebnis für München bayerische Staatsoper La Favorite
Klosterszene mit lebenden Madonnen und Jesusfigur.    © Wilfried Hösl

Für diese beiden Pole hat Alexander Müller-Elmau ein symbolträchtiges Bühnenbild geschaffen: neun riesige, verschiebbare Metallgitterkästen werden, von innen beleuchtet, zum Kirchenraum mit lebenden Madonnenfiguren, Jesus am Kreuz und wuchernden Zimmerpflanzen – Sinnbild für die Leidenschaften? Von außen beleuchtet sind sie die Palastwände am Königshof. Bei Léonors großer Arie kommen sie ganz nach vorne an die Rampe, Sinnbild für den engen Handlungsspielraum, den Léonor noch hat.

Störend wirkt das manchmal sinnlos erscheinende Herumtragen von Stühlen und das lärmende Umwerfen derselben als Ausdruck von Wut.
Mit Elīna Garanča, Matthew Polenzani und Mariusz Kwiecień stehen der Regisseurin drei hervorragende Singschauspieler zur Verfügung. Elīna Garanča ist die Figur der äußerlich kühlen, hoheitlichen, aber innerlich verzweifelten Frau wie auf den Leib und auf die Stimme geschrieben. Die langen Bögen, die vielen rezitativischen Passagen, alles meistert sie mit Akkuratesse, ihr Mezzo klingt auch in der tiefen Lage nie vulgär-guttural, sondern immer nobel, aber vielleicht auch einen Tick zu kontrolliert. Erst in der letzten Szene leistet sie sich ein wenig Selbstentäußerung.
Matthew Polenzani als Fernand singt von Anfang an mit voller Emotionalität. Er lässt sich in der hier besprochenen Vorstellung ansagen, von einem Infekt zeugen aber nur ein paar nicht ganz so glanzvolle leise Höhen. Aber was heißt das schon, wenn einem Sänger eine so wunderbare Messa di Voce zur Verfügung steht, mühelose Höhen, ein weites dynamisches Spektrum, langer Atem und intelligente Phrasierung. Er wirft sich mit einer emotionalen Unbedingtheit in die Rolle, sowohl vom musikalischen Ausdruck als auch schauspielerisch, die ihresgleichen sucht. Seine Ausdrucksfähigkeit mit der Stimme, aber immer auf der Gesangslinie bleibend, ist eine Offenbarung. Bitte mehr von ihm!

Über die schauspielerischen Qualitäen von Mariusz Kwiecień wurde schon ausführlich berichtet, gesanglich passte er zur Charakterisierung der Rolle: er zeigte nicht allzu viele Stimmfarben, keinen noblen balsamischen Schöngesang, sondern das intelligente Rollenportrait eines leicht oberflächlichen Menschen. Im Finale des dritten Aktes durfte er dann doch noch zeigen, dass seine Stimme auch Wärme hat, wenn gefordert.
Eine Entdeckung ist der finnische Bass Mika Kares als Balthazar. Einen so noblen Basso cantante, mit so volltönender Tiefe, der auch in den Höhen nie forcieren muss, hört man nicht alle Tage.

Der Don Gaspard wurde von Joshua Owen Mills, seit 2015/16 Mitglied des Opernstudios, gesungen, Herrlich verschlagen, mit hellem Tenor, versucht er, Leonor beim König schlecht zu machen. Elsa Benoit als Inès vervollständigt mit ihrem beweglichen Sopran das Solistenenseble.

Die musikalische Leitung lag bei Karel Mark Chichon. Es gelingt ihm nicht immer einen Bogen über die verschiedenen kleinteiligen Elemente von Donizettis Musik zu schlagen. Manches ist sehr laut, aber er bleib immer sängerfreundlich. Wie hat Elīna Garanča es im Interview formuliert: Sie braucht einen Klangteppich, auf dem sich ihre Stimme entfalten kann. Den hat Chichon ihr und den anderen Sängern ausgebreitet.
Erstaunlich kurzer Applaus für die zweite Aufführung der ersten Neuproduktion der Saison an der Bayerischen Staatsoper.

Susanne Kittel-May

 

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