München: “Il Trovatore” – Bayerische Staatsoper 07.03.2020
Die Bayerische Stastsoper beschert ihrem Publikum gerade wunderbare Puccini- und Verdi-Festwochen. Da war zunächst die hochkarätig – und teuer – besetzte Turandot mit Anna Netrebko, dann die wahrhaft festspielwürdige Tosca mit Anna Harteros, Joseph Calleja und Erwin Schrott und nun hören wir Anja Harteros wieder als Leonore in Il Trovatore. Was für ein Fest!
Anja Harteros singt die weiten Bögen der ersten Arie zum Niederknieen schön. Ein Gänsehautmoment. Die leichte Schärfe und das zeitweilige Vibrato, das sich in den letzten Jahren in ihre Stimme eingeschlichen hatte, sind verschwunden, sie scheint ihre Stimme wieder völlig im Griff zu haben und kann sie wunderbar strömen lassen. Die engelsgleichen hohen Pianotöne, die einem in der Premierenserie bei „d’amor sull’ali rosee“ die Tränen in die Augen getrieben haben, sind nicht mehr da, aber auch so, in ihrer derzeitigen Verfassung, ist sie sicher, zusammen mit Netrebko und Yoncheva, eine der besten Leonoren. Mein zweiter, ganz persönlicher Gänsehautmoment in dieser Oper, das Miserere, hat tatsächlich noch Luft nach oben. Das ist aber m.E. der noch nicht so ganz funktionierenden Gewichtung der verschiedenen Stimmen geschuldet: der Klagegesang des Manrico ist zu laut, der müsste viel leiser aus dem Hintergrund kommen. Es gibt noch die eine oder andere Stelle, an der die Gewichtung der verschiedenen Stimmen besser ausgearbeitet werden könnte, aber ich könnte mir vorstellen, dass das im Laufe der Serie noch wird.
Riccardo Massi hat vor neun Jahren mit dem Radames debütiert und ist seitdem im Spinto-Fach gut unterwegs. Er hat ein schönes, baritonal grundiertes Timbre und viel Metall in der Stimme. Nach kleinen Unsicherheiten im ersten Troubardor-Lied aus dem Off, bietet er sichere, schöne Spitzentöne. Die Stretta singt er ohne Da capo und dass sich das hohe c – oder h – im „All’armi“ am Ende nicht so richtig durchsetzen kann, verwundert etwas. Denselben Ton vorher in der Arie hat er noch mit wunderbarer Strahlkraft gesungen.
Okka von der Damerau singt eine dramatische, jugendlich klingende Azucena, ihre warme Stimme hat in der Tiefe noch mal an Stärke gewonnen ohne dass die Spitzentöne darunter gelitten hätten, sie singt mit wunderbarer Phrasierung und großem Ausdruck.
Der „Bösewicht“ Graf Luna war mit Vladimir Sulimsky sehr nobel besetzt. Er nutzt die Möglichkeit, in seiner großem Arie Gefühl zu zeigen, dynamisch zu differenzieren, auch mal ein Piano zu wagen. Das hatte ich bei seinem Vorgänger in der Rolle, Igor Golovatenko, so schmerzlich vermisst.
Mit Balint Szavbo werde ich einfach nicht warm. Seine Stimme ist mir für einen Bass nicht schwarz genug, sein Vortrag wirkt immer ein bisschen indifferent, dem Ferrando könnte man mehr Ausdruck mitgeben.
Selene Zanetti ist eine selbstbewusste, schön singende Inez. Sie ist eigentlich über diese Wurzen-Rollen schon hinausgewachsen, hat die Marie in der verkauften Braut gesungen und kürzlich an der Seite von Anna Netrebko die Liu in Turandot. Die restlichen kleinen Rollen, Galeano Salas als Ruiz, Christian Valle als Zigeuner und Andres Agudelo als Bote waren rollendeckend gut besetzt.
Francesco Ciampa dirigiert sehr sängerfreundlich und dynamisch differenziert. Vor allem im Soldatenchor fiel auf, wie er dem Chor den Wechsel zwischen Piano und Forte sehr genau anzeigte. Die Tempi waren etwas uneinheitlich, manches sehr schnell, anderes, beispielsweise die Arie des Luna dann wieder sehr langsam. Ich habe den Eindruck, dass Verdis Musik, die ja gerade in den frühen und mittleren Werken oft als ein eintöniges Hum-ta-ta daherkommt, schwer zu dirigieren ist. Unter diesen Umständen war das gestern eines der besseren Verdi-Dirigate. Durchaus mit Luft nach oben, das wird man sehen, aber insgesamt eine sehr, sehr gute Repertoirevorstellung. (Es gib noch einige wenige Restkarten für den 12. und 15. 3.)
Susanne Kittel-May