MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: IL TROVATORE
Julianna di Giacomo als Leonore © Wilfried Hösl
Über diese zweite Wiederaufnahmeserie des Trovatore hätte man vielleicht besser den Mantel des Schweigens decken sollen. Die kolportierten „vier besten Verdisänger“ standen leider nicht zur Verfügung und so lieferten sich drei der vier Hauptsänger einen Wettkampf nach dem Motto „Alles, was du singst, kann ich viel lauter“. Einzig die Vierte, Nadia Krasteva als Azucena brachte auch Zwischentöne und hatte ihre Registerbrüche besser im Griff, als gewohnt.
Yonghoon Lee als Manrico ließ vor allem laute Höhen hören, aber immer wie unter vollem Druck stehend, nur ganz selten hatte man den Eindruck, dass die Stimme frei strömte; die wenigen Piani, die er versuchte, klangen fahl.
Als Leonora war Julianna di Giacomo zu hören. Sie hat an sich eine schöne, warm und samtig timbrierte Stimme, die sie leider ebenfalls fast ausschließlich im Forte verwendete. Schlimmer noch waren die Intonationsprobleme bei den hohen Tönen, die vor allem in der Arie D’Amor sull’ali rosee störten. Die Triller in der Kadenz wirkten nicht immer verzierend. Schade. Wo in der Premierenserie Harteros und Kaufmann jeden Ton in emotionalen Ausdruck verwandelten, herrschte hier nur Kraftmeierei.
Der Dritte im Bunde, Igor Golovatenko als Conte di Luna, hielt ordentlich mit, was die Lautstärke anging. Er ließ ein paar schöne Höhen hören, setzte aber auch manche Phrase mit zu viel Druck an. Vielleicht hätte er in einer anderen Konstellation seine durchaus vorhandenen Qualitäten als Kavalierbariton besser zur Geltung bringen können.
Das an der BSO üblich hohe Niveau wurde in den Nebenrollen geboten: Goran Jurić als Ferrando bot mit seinem etwas knarzigen Bass eine solide Leistung, zu differenzieren gab es nicht viel in seiner Rolle. Anna Rajah als Ines und vor allem Dean Power als Ruiz boten kultivierten Gesang in ihren sehr kleinen Rollen.
Ebenfalls positiv das Dirigat von Antonello Allemandi, den ich vor zwei Wochen schon in Norma erleben durfte. Er war wieder mit schnellen Tempi unterwegs und wusste durchaus dynamisch zu differenzieren und der für die Frühwerke Verdis typischen Humtata-Begleitung Spannung zu verleihen.
Zur Inszenierung von Oliver Py wurde ja schon einiges geschrieben. Ich fand sie bisher gar nicht so unruhig, wie immer beklagt wurde, aber ich hatte sie auch immer von der Galerie aus gesehen, von dort aus kann man mehr auf das Ganze und verliert sich nicht so schnell in Einzelheiten. Und man sieht nicht bis in den Bühnenhintergrund, wo ständig Heerscharen von Bühnenarbeitern damit beschäftigt sind, die Aufbauten der Drehbühne zu ändern. Die durch alle Szenen geisternde nackte alte Frau – Azucenas Mutter – entpuppte sich aus der Nähe gesehen als ein Mann im Nacktkostüm. So kann Oper entzaubert werden. Es gibt ein paar schlüssige Ansätze, der angedeutete Missbrauch Manricos durch seine vermeintliche Mutter beispielsweise, oder die Kriegs-Tableaus während des Soldatenchors, die in der Premiere noch Buhs hervorgerufen hatten. Anderes, wie die Blindheit Leonores, bleibt rätselhaft. Beeindruckend das Miserere und das letzte Bild, Manrico und Azucena mit der immer gegenwärtigen alten Frau in einem klaustrophobisch nach hinten sich verengendem Turmzimmer.
Hoffentlich nächstes Mal wieder mit besserer Besetzung.
Susanne Kittel-May