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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL als Stream

Bäume im Frack und feiste Köche

27.12.2020 | Oper international

Hänsel und Gretel - Bayerische Staatsoper (2017) (Produktion - Münich,  deutschland) | Opera Online - Die Website für Opernliebhaber

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ am 26.12.2020 in der Bayerischen Staatsoper (Nationaltheater) – Stream/MÜNCHEN 

Bäume im Frack und feiste Köche

Ungewöhnliche Sichtweisen bietet Richard Jones in seiner Inszenierung von Engelbert Humperdincks berühmter Märchenoper „Hänsel und Gretel“ (Bühne und Kostüme: John Macfarlane). Zunächst geht es im elterlichen Haus noch gewohnt zu: Die erboste Mutter entdeckt die ungezogenen Kinder und ruft sie zur Ordnung. Doch sie entfliehen. Die unglückliche Mutter möchte sogar Schlaftabletten nehmen. Dann erscheint der Vater überraschenderweise mit einem gefüllten Korb mit Lebensmitteln. Die Mutter ist zunächst hoch erfreut, doch als der Vater bemerkt, dass die Kinder verschwunden sind und sich möglicherweise in Gefahr befinden, wird sie von Angst überwältigt.

Im Wald selbst sieht man Bäume mit Zweigen und Wurzeln, die menschliche Züge angenommen haben, denn sie tragen einen Frack. Im zweiten Bild sammeln Hänsel und Gretel auch hier Beeren und schmieren sich mit dem Saft voll. Dann wird ein überdimensionaler Tisch gedeckt, viele Köche mit feisten Gesichtern treten im Schreittempo herein und lüften schließlich das Silbergedeck. Man sieht viele Torten, eine Figur im Frack mit einem großen Fischkopf bedient Hänsel und Gretel als Gäste.

Spannend geht es im dritten Bild zu, wo Hänsel und Gretel das Knusperhäuschen der Hexe entdecken. Man sieht ein riesiges Gesicht mit einem aufgerissenen Mund, auf dessen Zunge sich das Knusperhäuschen befindet. Davon naschen die Kinder, die Hexe meldet sich, steht plötzlich mitten im Raum. Als sie im Hintergrund die Tür öffnet, sieht man viele tote Kinder in durchsichtigen Säcken. Wieder wird ein großer Tisch gedeckt, man entdeckt viele Torten in allen möglichen Kreationen. Mit immer mehr Essen werden die beiden Kinder schließlich von der Hexe überwältigt. Hänsel wird gefesselt und auf dem Tisch gemästet. In einem großen Ofen will die Hexe die Kinder backen. Doch schlau wird sie von den Kindern überlistet und zuletzt in einen heißen Ofen gestoßen. Plötzlich werden dann zahlreiche Kinder wieder lebendig, die bei der Hexe als Lebkuchenkinder gehalten wurden. Die besorgten Eltern entdecken schließlich ihre geretteten Kinder und freuen sich über das Wiedersehen. Die gebackene Hexe wird aus dem Ofen genommen und verspeist.

Sarkastische Momente dominieren bei diesen Szenen in besonderer Weise, das Märchen wird so recht behutsam in die moderne Zeit übertragen. Musikalisch ist diese Produktion weitgehend überzeugend. Unter der kenntnisreichen Leitung von Friedrich Haider arbeitet das Bayerische Staatsorchester die an Wagner geschulte Motivtechnik sehr genau heraus. Das Orchestervorspiel mit dem Abendsegen entfaltet gleich zu Beginn der Oper eine klanglich überwältigende Aura. Das Motiv der „Knusperhexe“ und das Thema „Furcht, Trost und Freude der Kinder“ werden von Haider und dem Bayerischen Staatsorchester sehr facettenreich herausgearbeitet. Davon profitieren auch die Sängerinnen und Sänger, die den Protagonisten starkes Profil geben. Milan Siljanov als Besenbinder Peter agiert mit prägnantem Bariton, während Okka von der Damerau als seine Frau Gertrud mit facettenreichem Mezzosopran überzeugt. Tara Erraught (Mezzosopran) als Hänsel und Emily Pogorelc (Sopran) als Gretel gewinnen den Zuhörer aufgrund ihres Charakterisierungsreichtums. Herzenswärme und Klarheit im Ausdruck sind die hervorstechenen Eigenschaften dieser Wiedergabe. Das Orchesterzwischenspiel des Hexenritts mit seinen entfesselten Rhythmen im zweiten Bild sowie das markant gestaltete Knuspermotiv beim Orchestervorspiel im dritten Bild sind weitere Höhepunkte dieser temporeichen Interpretation. Die Hexe wird von dem Tenor Kevin Conners als transvestite Matrone verkörpert. Hier gewinnt die Inszenierung satirische Züge. In weiteren Rollen gefallen noch Daria Proszek als knochiges Sandmännchen und Sarah Gilford als imaginäres Taumännchen.

Alles in allem ist diese Inszenierung in der Neueinstudierung von Benjamin Davis (Choreographie: Linda Dobell) trotz einiger Abstriche gelungen. Den Chor hat Stellario Fagone sorgfältig einstudiert. 

ZUM TRAILER

Alexander Walther    

 

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