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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: FALSTAFF. Premiere

Das Live-Erlebnis weicht der Konserve

03.12.2020 | Oper international

Fals2
Copyright: Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper München: Verdi: Falstaff, Premiere 2. Dezember 2020 (Stream):

 Die Bayerische Staatsoper stellt ihren Spielbetrieb nicht ein, sondern zeigt Verdis Falstaff als Online-Premiere gestreamt ohne Publikum.

Die slowenische Regisseurin MATEIJA KOLEZNIK , die in Deutschland an manchen Schauspielbühnen Arbeiten gemacht hat, führt Regie. Ihre Lesart spielt in einem schicken Hotelambiente unter Leuten der Upper-Class. Schiebbare Wände und Türen in schwarz- braun geben den Raum (LARS ORFEO VOIGT), ANNA SAVIC-GECAN hüllt die Damen und Herren in opulenten, aber auch hohlen Chic. Die Handlung wird direkt erzählt ohne dramaturgische Eingriffe. Handwerklich bleibt aber vieles brav an der Oberfläche des eigentlich tiefgründigeren Stückes. Richtige plastische Portraits gelingen den wenigsten Darstellern,- es scheint ihnen auch nicht sehr geholfen worden zu sein. Stimmungsvoll immerhin die Feder-Fächer-Auftritte der Elfen im dritten Akt, die ein bisschen Moulin Rouge- Charme verbreiten. Die dauerhaft aufgesetzten Sonnenbrillen und später Dominos rauben den Akteuren leider oft direkte Ausdrucksfähigkeit.

Am Schluss zum Finale die schon vorab angekündigte Überraschung: Die Solisten erscheinen nur noch im Screen, abgeschminkt und singen die Schlussfuge als Zoom-Meeting mit Noten. Später kommen sie in Mund-Nase-Bedeckungen auf die Bühne, auch das Orchester steht während es noch klingt auf und so wird klar, dass alles nur noch eine Einspielung war. Kunst wird künstlich. Das Live-Erlebnis weicht der Konserve und die Künstler stehen schweigend daneben. Ein sozialpolitisches Ausrufezeichen einer an sonstigen Kommentaren sich gänzlich enthaltenden Regiearbeit, die insgesamt dennoch fade bleibt.

Musikalisch ist es besser bestellt. MICHELE MARIOTTI leuchtet die Partitur als Dirigent farbig aus. Das Bayerische Staatsorchester spielt gut aufgelegt.

Unter den Rollen vermag in voller Stimme und sinnlichem Spiel vor allem AILYN PEREZ als Alice rundum mit warmem Sopran zu überzeugen. Auch ELENA TSALLAGOVA singt die Nanetta makellos, etwas kühl, und gibt der jungen Liebenden reizende, unnahbare Gestalt.

Falstaff WOLFGANG KOCH ist stimmlich tadellos, ein vokales Kraftzentrum und streckenweise auch darstellerisch sehr intenstiv. Dann aber hängt er wieder Augenblicke motivationslos in der Luft und vermag das für ihn neue Rollenportrait noch nicht rundum zu füllen. Der immer wieder auftretende allgemeine Leerlauf ist aber durchaus auch eine Frage der Regie, die nicht präzise und kleinteilig genug wirkt für dieses phantastisch konstruierte Puzzle von Boito und Verdi.

Falstaffs Gegenspieler Ford bringt einen in der Höhe raumgreifenden italienischen Bariton mit: BORIS PINKHASOVICH ist als Typ aber eher blaß und wirkt unerfahren als Darsteller und schwach als Gegenpart. Den jungen Fenton singt GALEANO SALAS untadelig, wenngleich ihm ein erwachendes Glühen abgeht. JUDIT KUTASI´s Alt hat vokal Autorität, aber auch sie vermag kein Geheimnis in ihre Quickly zu zaubern. Meg Page, die zweite Dame im Verwirrspiel um Falstaff komplettiert das Frauenquartett. DARIA PROSZEKs Mezzosopran hat herbe, für ihr Alter reife Seiten.

KEVIN CONNERS als Dr. Cajus meistert seine Sache bestens, auch der Pistola von CALLUM THORPE erfüllt seinen rabaukigen Part, und THIMOTHY OLIVER als Bardolfo macht die Solistenriege vollständig.

Beim Chor wäre jetzt vom Streaming aus gesehen gar nicht auszumachen, ob er live gesungen hat oder alles voraufgezeichnet wurde. In jedem Fall klang er homogen.

Insgesamt gebührt allen Akteuren und Mitwirkenden hohes Lob, sich so motivieren zu können in einer Zeit, in der meistenorts der Spielbetrieb zur Gänze eingestellt werden mußte.

Eine Internet-Premiere kann überbrücken, ersetzen kann sie jedoch jedes Live-Erlebte in keinem Moment. Und für alle ist zu hoffen, in einigen Monaten ihr Erarbeitetes real vor Publikum aufführen zu dürfen.

Christian Konz

 

 

 

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