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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DIE TOTE STADT von Erich Wolfgang Korngold. Emotional fesselnd!

03.10.2024 | Oper international

München/Bayerische Staatsoper: DIE TOTE STADT am 1. Oktober 2024

Emotional fesselnd!

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Foto: Bayerische Staatsoper/ Wilfried Hösl

Die Aufführung der „Toten Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold nach dem Roman von Georges Rodenbach an der Bayerischen Staatsoper wurde an diesem Abend zu einem Triumph für Klaus Florian Vogt als Paul und Vida Miknevičiūtė als Marietta/Marie. In der Inszenierung von Simon Stone aus dem Jahre 2019 im Dreh-Bühnenbild von Ralph Myers eines modernen Appartements und den Alltags-Kostümen von Mel Page wurde die Geschichte zwischen Paul und Marietta sowie seiner de facto (als Marietta) auch immer wieder erscheinenden verstorbenen Frau Marie in einer emotional packenden Art und Weise gezeigt, wie es selten zu erleben ist. Hier offenbarte sich ein Großmeister von zeitgenössischem Stückeverständnis und entsprechender Personenregie, wozu Stone aber mit Vogt und Miknevičiūtė auch zwei ganz Große dieses Fachs zu Verfügung standen.

Für Simon Stone feiert „Die tote Stadt“ die Wichtigkeit des Wahnsinns und Momente des psychischen Zusammenbruchs. wenn dieser Zusammenbruch nicht geschieht, so Stone, wäre ein Spurenwechsel unmöglich. In der Oper unterdrückt Paul seine Trauer. So muss er nach dieser Ansicht zerbrechen, bevor sein Zustand zurückgesetzt werden kann. Und nach Simon Stone muss das weh tun, sehr sogar. Eine durchaus interessante Auffassung, die möglicherweise nicht den letzten Erkenntnissen der Depressionsforschung entsprechen mag – aber für Korngolds „Tote Stadt“ ein nachvollziehbar Ansatz.

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Archivfoto aus 2019. Foto: Wilfried Hösl

Klaus Florian Vogt setzte dieses Regiekozept emotional vollkommen authentisch in der spannungsgeladenen und psychologisch komplexen Rolle des Paul um und ließ seinen an diesem Abend auch klangvoll baritonal grundierten heldischen Tenor hören. Es war zeitweise bestechend und bewegend, mit welcher dramatischen Intensität er die Auseinandersetzung mit Marietta gestaltete, die hier nahezu zu einer Hassliebe ausartete. So lässt Simon Stone Paul zwangsläufig auf den von ihm postulierten Zusammenbruch zugehen.

 Vida Miknevičiūtė war ihm eine Partnerin auf Augenhöhe. Auch sie stellte mit bestechender Intensität und  Sensibilität in Spiel und Mimik sowie einem hervorragend geführten, für diese Rolle wie geschaffenen ausdrucksstarken Sopran das Spannungsfeld zwischen Marietta und Marie einnehmend und nachvollziehbar dar. Sean Michael Plumb gab den Frank und Fritz mit einem klangschönen Bariton, sodass das Lied des Pierrot ebenfalls zu einem kleinen Höhepunkt wurde. Jennifer Johnston war eine sehr gute und nachdenkliche Brigitta.

Die lustige Schauspieltruppe um den Pierrot bestand aus Xenia Puskarz Thomas als Lucienne, Mirjam Mesak als Juliette, Liam Bonthrone als Gaston sowie Miles Mykkanen als Graf Albert. Sie agierte in einem bunten, karnevalesken Outfit ausgelassen betrunken, aber gut choreographiert. Während das moderne, im 2. Akt auch zweigeschossige Appartement durchaus die gute Personenführung verstärkte, ließ es doch die szenischen Dimensionen vermissen, die bei der atemberaubenden Musik der Prozession im 3. Akt angemessen gewesen wären.

Lothar Koenigs dirigierte das Bayerische Staatsorchester zu Beginn allzu laut, was sich über den Abend signifikant, aber nicht völlig legte und zum Teil auch der musikalischen Struktur der „Toten Stadt“ geschuldet sein mag. Die ansprechenden Chöre waren von Franz Obermair einstudiert. Am Ende wirft Paul neben einigen Erinnerungsfotos von Marie auch deren Haare ins Feuer des metallenen Papierkorbs. Er hat seinen Zusammenbruch absolviert und steht nun einem Spurwechsel nach Simon Stone offen. Ein konsistenter Schluss eines emotional mitnehmenden Abends am Bayerischen Nationaltheater – Riesenapplaus!

Klaus Billand

 

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