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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DIE NASE von Schostakowitsch. Münchner Erstaufführung

29.10.2021 | Oper international

München: Bayerische Staatsoper: Münchner Erstaufführung „DIE NASE“, 27.10.2021

Kritik – "Die Nase" an der Bayerischen Staatsoper: Putins Polizei und  menschlicher Makel | News und Kritik | BR-KLASSIK | Bayerischer Rundfunk
Copyright: Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper

Die Premieren der ersten Spielzeit von Serge Dorny als Intendant der Bayerischen Staatsoper bestehen hauptsächlich aus in München eher selten oder noch nie gespielten Stücken des 20. Jahrhunderts. Es kann für das Publikum sehr spannend sein, durch ein solches Programm aus seiner Komfortzone herausgeholt zu werden und sich mit unbekannteren Werken zu beschäftigen. Anregend und interessant ist dies vor allem dann, wenn einem die fremden Stücke durch packende Inszenierungen sowie mitreißende musikalische Interpretationen nähergebracht werden. Letzteres war bei der Münchner Erstaufführung von Dmitri Schostakowitschs Jugendwerk „Die Nase“ (Premiere am 24.10., besuchte Aufführung am 27.10.) auf jeden Fall gegeben.

Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski -für ihn war es sein erster Auftritt in dieser Position- und das Bayerische Staatsorchester führten dem Publikum den ganzen Facettenreichtum der Musik vor. Scharf rhythmische, pulsierende mitreißende Klänge auf der einen Seite sowie zarte, lyrische, berührende Momente auf der anderen Seite. Dabei drifteten Dirigent und Musiker nie ins allzu Extreme ab. Weder wurde es zu polternd und grotesk noch sentimental oder weinerlich. Hätte man mit geschlossenen Augen nur der Musik und dem wunderbar berührend singenden Boris Pinkhasovich als Platon Kovaljov zugehört, wäre man von dem Albtraum, den Kovaljov durch den Verlust seiner Nase und damit seiner gesellschaftlichen Identität durchlebt, ergriffen und betroffen gewesen. Kirill Serebrennikovs Inszenierung konnte da bei weitem nicht  mithalten. Laut Programmheft sind Nasen in der dargestellten Gesellschaft Zeichen für gesellschaftliche Stellung und Privilegien. Wer möglichst viele davon im Gesicht trägt, gilt etwas, wer keine mehr hat, ist zum einen ohne Rechte (was zum Beispiel Staatsgefangene angeht, denen ihre Nasen abgeschnitten werden), zum anderen – im Fall von Kovaljov- ohne gesellschaftliche Stellung und Persönlichkeit, das heißt, einsam und ganz auf sein eigentliches, ursprüngliches Wesen zurückgeworfen. Der verzweifelte Kampf Kovaljovs, wieder in die ihm bekannte Welt, in der er akzeptiert und geachtet ist, zurückzufinden, könnte sehr ergreifend sein.

Er ist es aber nicht, weil es Serebrennikov und seinem Co-Regisseur Sergey Kulagin nicht gelingt, dieses Drama ins Zentrum ihrer Inszenierung zur rücken. Vielmehr verlieren sie sich in der platten, vordergründigen Darstellung des russischen Polizeistaats, die weder unmittelbar erschüttert, noch durch schwarzen, zynischen Humor betroffen macht. Die gezeigten Bilder von Styroporschneebergen und Plastikeiszapfen, Polizisten mit Pelzmützen, Absperrgittern und Schlagstöcken, grauen Alltagsmenschen und genschniegelten Politikern im Anzug sind so verbraucht und klischeehaft, dass sie einem nur noch auf die Nerven gehen, zumal in einem zweistündigen, ohne Pause gespielten Stück.

So ist der Gesamteindruck ein negativer trotz der hervorragend dargebotenen Musik, der ausgezeichneten gesanglichen wie darstellerischen Interpretation der Hauptpartie durch Boris Pinkhasovich und der sehr guten Ensembleleistung der übrigen Sänger, wie zum Beispiel Sergei Leiferkus als Ivan Jakovlevič, Laura Aikin als Praskovja Osipovna oder Anton Rositskiy als die Nase.

Sehr Schade!

Gisela Schmöger

 

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