Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DIE GESCHICHTE VOM SOLDATEN von Igor Strawinsky als „Montagsstück XIV

16.02.2021 | Ballett/Tanz

Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ in der Bayerischen Staatsoper München

Tanz und Sprache

t689
Foto: Bayerische Staatsoper/Hösl

 

Live-Stream „Montagsstück XIV“: Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ am 15.2.2021 in der Bayerischen Staatsoper/MÜNCHEN

Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski wird Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ hier ungewöhnlich erfrischend interpretiert. Die subtile Choreographie von Norbert Graf zeigt ein raffiniertes Zusammenspiel  von Musik, Tanz und Sprache. Dagmar Manzel liest diese skurrile Erzählung von Charles F. Ramuz mit Nonchalance, aber auch großer darstellerischer Vielseitigkeit. Hinzu kommt die facettenreiche Choreographie von Norbert Graf, wo der Tanz in atmosphärischen Stimmungen dargestellt wird. Der Soldat hat auch hier eine besondere Beziehung zu seiner Geige – und der Teufel möchte sie deswegen haben. Er will dem Soldaten im Gegenzug ein Buch überlassen,  das ihm die zuküntigen Börsenkurse vorhersagen kann. Der Soldat folgt der Einladung des Teufels zu einem Festbankett, obwohl die Mutter und seine Geliebte zuhause auf ihn warten. Und als der Soldat endlich in seinem Dorf ankommt, ist er drei Jahre weggewesen und die Bewohner kennen ihn nicht wieder. Der Teufel erscheint nun in Gestalt eines Viehhändlers, erinnert den Soldaten an das wundersame Buch, womit er ein Vermögen machen könne, was dem Soldaten dann auch gelingt. Schließlich zerreisst er aber das magische Buch in Stücke. Im Wirtshaus erfährt der Soldat, dass der König seine Tochter demjenigen versprochen habe, der die Prinzessin heilen könne. Wer die Tochter des Königs zu retten vermöge, erhalte Preis und Ehre. Die Prinzessin ist jedoch eine Marionette des Teufels und gehorcht seinen Befehlen. Sie wird wieder gesund, weigert sich aber, ihm weiter zu folgen.  Als der Soldat und die Prinzessin ein Paar sind, bleibt sie zurück, als er wieder ins Dorf zurückkehrt. Sofort fällt der Teufel über ihn her, entreisst ihm die Geige und spielt einen höllischen Triumphmarsch: Der Soldat muss dem Bösen folgen.

Auffallend ist bei dieser Interpretation, dass die rhythmischen Strukturen sehr subtil und stilvoll herausgearbeitet werden. Die drei Tänzer Carollina Bastos, Nicholas Losada und Ariel Merkuri sorgen für einen enormen Bewegungsschub, der auch die thematischen Entwicklungen stark beeinflusst. Klassizistische und „russische“ Momente entfalten sich wie von selbst. Andreas Schablas (Klarinette), Andreas Öttl (Trompete), Hans-Ulrich Pförtsch (Posaune), Maxime Pidoux (Schlagzeug), David Schultheiß (Violine) sowie Blai Gumi Roca (Kontrabass) agieren mit großer solistischer Virtuosität und bilden mit der temperamentvollen Erzählerin Dagmar Manzel eine wahrhaft verblüffende Einheit. Osttinate Kräfte zeigen eine geradezu elektrisierende Wirkung, hinzu kommt die Macht der bizarren Melodik. Selbst bei dieser düsteren Geschichte offenbart sich die romanisch-helle Geistigkeit von Strawinskys Partitur, die zwischen Lully und Tschaikowsky spürbar an Traditionen anknüpft.

Dieses Werk für ein Sieben-Mann-Orchester ist das beste Beispiel für den „Triumph der Ordnung über den Zufall“, wobei sich die Harmonik hier auf immer radikalere Experimente einlässt. Gewisse Assoziationen bestehen hier außerdem zu Strawinskys „Hochzeit“ (Les Noces). Das alles arbeitet Vladimir Jurowski mit den Musikern konsequent heraus. Polyphone und polyrhythmische Gebilde können sich so gut behaupten. Mit beschwingter Leichtigkeit werden dabei Formenklarheit und Formenstrenge musiziert. Dies erkennt man nicht nur am zackigen Marsch des Soldaten, sondern auch am „Kleinen Konzert“ vor der Prinzessin. Tango, Walzer, Ragtime, Teufels-Couplet sowie kleiner und großer Choral beweisen die gestische Symbolkraft dieser gelungenen Aufführung, die auf die theatralischen Effekte besonderen Wert legt. Das gleiche gilt für die archaisierende Kunstgesinnung. „Kunst setzt Kultur, Bildung und absolute Stetigkeit des Intellekts voraus“, meinte Strawinsky nicht umsonst. Geist, Form und Stil begleiten die dämonische Dramaturgie hier nahezu perfekt. 

 

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken