Copyright: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper
München: Bayerische Staatsoper: „DER RING DES NIBELUNGEN –SIEGFRIED“,03.02.2018 – Fortsetzung der „Petrenko-Wagner-Festspiele“
Am Ende der Vorstellung von „Siegfried“ in der Bayerischen Staatsoper am 03.02.2018 wurden Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester – wie schon an allen Ring-Abenden zuvor – vom Publikum mit dem größten Jubel des Abends bedacht und enthusiastisch gefeiert. Und das völlig zurecht und hochverdient! Der Generalmusikdirektor und sein Orchester machten mit einem höchst transparenten Klang den unglaublichen Detailreichtum des Werkes hörbar, wobei zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestand, sich in Einzelheiten zu verlieren. Mit überwiegend sehr flottem, jedoch nie gehetzt wirkendem Tempo hielt Kirill Petrenko alles im Fluss und trieb die Handlung voran. Er reizte die dynamische Klangbreite in ihren Extremen aus und gestaltete mit sehr viel Emotionalität, ohne jedoch auch nur einen Moment die Kontrolle zu verlieren. Alles in allem ein Wagner-Sound mit allerhöchstem Suchtpotential!
Gleiches gilt für die Brünnhilde von Nina Stemme. Sie begeisterte zum einen mit ihrer warmen, klangschönen und voluminösen Stimme, die selbst die extremsten dramatischen Ausbrüche ohne jegliche Schärfen scheinbar mühelos bewältigte. Zum anderen faszinierte die Sopranistin mit der ergreifenden Intensität ihres stimmlichen und darstellerischen Ausdrucks, wodurch das Publikum sämtliche Emotionen Brünnhildes sowie deren innere Entwicklung ganz unmittelbar spüren und mitempfinden konnte.
Die Titelpartie meisterte Stefan Vinke souverän mit kraftvoller Stimme und beeindruckte vor allem mit seiner bombensicheren Höhe bei dramatischen Stellen. Mit großer Spielfreude gestaltete er einen ungehobelten, derben und ruppigen Draufgänger, der zwar bis zu seiner Begegnung mit Brünnhilde furchtlos und unerschrocken durch das Leben geht, zugleich aber auch geprägt wird von dem Verlangen, seine Herkunft zu kennen, sowie von der Sehnsucht nach seiner Mutter einerseits und nach einem „Gesell“ andererseits.
Eine fantastische Leistung bot auch Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime. Obwohl er die Figur nicht nur darstellerisch, sondern auch stimmlich als verschlagenen, hinterhältigen und linkischen Mann zeichnete, gelang es ihm, seinen hellen Tenor durchweg klangschön zu führen. Egils Silins als Wanderer stellte ganz besonders im 1. und 3. Akt seinen satten, metallisch schimmernden,voluminösen Bassbariton unter Beweis. In seiner Darstellung wurde deutlich, dass Wotan kein aktiver Gestalter, sondern ein Getriebener ist, der sich im Wesentlichen darauf beschränken muss, die Dinge passiv geschehen zu lassen und mit den Konsequenzen seines früheren Handelns zu leben. Alberich wurde von John Lundgren mit seinem klaren, volltönenden und frei strömenden Bariton, der über enorme Durchschlagskraft verfügt, glaubwürdig als recht schlichte Persönlichkeit dargestellt, deren gesamte Existenz sich ausschließlich um die Wiedererlangung des Rings dreht. Als Fafner beeindruckte Ain Anger mit geradezu furchteinflößender schwarzer Tiefe seiner voluminösen, volltönenden Bass-Stimme. Mit ihrem Auftritt als Erda setzte Ensemblemitglied Okka von der Damerau mit ihrem warmen, vollen und strahlenden Mezzosopran einmal mehr ein besonderes Highlight. Die Solistenriege komplettierte Mirella Hagen mit ihrem leuchtenden Sopran und einer sehr eleganten Darstellung als Waldvogel.
Die Idee des Regisseurs Andreas Kriegenburg, die Geschichte des Werks überwiegend mithilfe des Einsatzes vieler Menschen zu erzählen, geht im „Siegfried“ besonders gut auf. Das Geschehen auf der Bühne (Harald B. Thor) ist kurzweilig anzuschauen und nicht hektisch oder überfrachtet. Gut gelungen ist beispielsweise auch, dass im 1. Akt Mimes Erzählung hinsichtlich Siegfrieds Herkunft ebenso wie die Fragethemen zwischen Mime und dem Wanderer von vielen Personen im Hintergrund dargestellt werden. Dies dürfte sicherlich dem einen oder anderen im Publikum das Verständnis der Handlung erleichtern, wenngleich dies gerade bei einem so ausdrucksstarken Gestalter und Erzähler wie Wolfgang Ablinger-Sperrhacke fast schonLuxus ist.
Zum Glück sind die „Petrenko-Wagner-Festspiele“ja noch nicht vorbei: Zwei Vorstellungen der Götterdämmerung und ein kompletter Ring bei den Opernfestspielen im Juli stehen noch auf dem Programm – für alle diejenigen, denen in der Kartenschlacht das Glück hold war oder es vielleicht noch sein wird.
Martina Bogner