Ein „menschenreiches Rheingold“. Copyright: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper
München: Bayerische Staatsoper: „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner – „Das Rheingold“, 13.01.2018
Beginn des heißbegehrten Petrenko-Ringes
Im Januar und Februar2018 führt die Bayerische Staatsoper zwei Ring-Zyklen auf, ein dritter ist für die Münchner Opernfestspiele im Sommer angesetzt. Obwohl einer der beiden Zyklen nur im Paket verkauft wurde, waren die Karten innerhalb von Stunden vergriffen. Viele Opernfreunde wollten Generalmusikdirektor Kirill Petrenko noch einmal als Dirigenten von Wagners Tetralogie erleben, ehe er zu den Berliner Philharmonikern wechselt. Die Erwartungen wurden voll erfüllt! Mit dynamischen und raschen Tempi trieben Petrenko und das Bayerische Staatsorchester die Handlung voran und machten so die verbalen Auseinandersetzungen der Protagonisten spannend und ihre Beweggründe nachvollziehbar. Dies war eine große Unterstützung für die Sänger bei der Gestaltung ihrer Partien und so waren durchweg ausgezeichnete Rollenporträts zu sehen: John Lundgren zeichnete den Alberich zunächst als ungeschickten, aber nicht unsympathischen Liebhaber, der erst nach der verletzenden Zurückweisung durch die Rheintöchter vom unbändigen Streben nach Macht ergriffen wird und dadurch zu dem skrupellosen und brutalen Diktator wird, der die Welt durch Unterdrückung beherrschen will.Stimmlich bewältigte Lundgren die Partie mit seinem mächtigen und voluminösen Bassbariton souverän.Wolfgang Koch als Göttervater Wotan war ihm leider kein völlig ebenbürtiger Gegenspieler, da man von seinem Gesang und Auftreten mehr Autorität und Würde erwartet hätte. Als eleganter, etwas halbseidener Loge brillierte Norbert Ernst mit lyrischem, leicht ansprechenden und klangvollen Tenor.Der Konversationston seiner Rolle kam ihm flüssig und völlig textverständlich von den Lippen. Luxuriös besetzt waren die beiden Riesen mit Alexander Tsymbalyuk und Ain Anger. In seinem Rollendebüt bringt Tsymbalyuk in Stimme und Spielbewegend zum Ausdruck, dass der schwerfällige Riese Fasolt – im Gegensatz zu seinem Bruder Fafner – nicht nach der Macht des Goldes giert, sondern nach Liebe und Schönheit strebt. Amüsieren konnte man sich im ernsten Spiel an dem Schuss Selbstironie, den Markus Eiche (Donner) und Dean Power (Froh) ihren Rollen beimischten. Der Mime von Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ließ schon Vorfreude aufkommen auf seine großen Szenen in „Siegfried“.Auch die Damen konnten sich in dem Männer-dominierten Vorabend des Bühnenfestspiels sehen und hören lassen! Allen voran die leichtfüßigen und begehrenswerten Rheintöchter Christina Landshammer, Rachael Wilson und Jennifer Johnston, die so betörend sangen, dass man den armen Alberich in seiner Enttäuschung schon etwas verstehen konnte. Ekaterina Gubanova als Fricka konnte schon einmal einen Vorgeschmack auf ihre Eloquenz und Beharrlichkeit geben, mit der sie dann im 2. Akt der „Walküre“ triumphieren wird. Einen großen und für die weiteren Ring-Abende vielversprechenden Auftritt hatte Okka von der Damerau als Erda. Golda Schultz war eine lyrische, hübsch anzusehende Freia.
Copyright: Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper
Ja, sie sehen alle gut aus, die Herrschaften der Götterwelt. Die Damen in hellblauen Cocktail-Kleidern und silberblonden Langhaarfrisuren und die Herren in Anzug bzw. Mantel und silberblonden Perücken (Kostüme: Andrea Schraad). Nur Loge sticht heraus in seinem feuerroten Seidenanzug und die Riesen mit ihren bodenlangen, teilweise überdimensionalen blauen Gewändern. Da die Bühne (Harald B. Thor) sonst kahl ist, könnte das Ganze recht nüchtern wirken, wenn da nicht der große, aufregende Gedanke von Regisseur Andreas Kriegenburg wäre, die „Bühnenbauten“ durch eine Vielzahl von menschlichen Körpern darzustellen! So ist der am Ende des „Rheingoldes“ ruhig dahinfließende Rhein dargestellt durch Hunderte (?) von halbnackten Menschen, die über die ganze Bühnenbreite hintereinander kauern und sich nacheinander in den Knien leicht erheben, so dass der Eindruck von Wellenbewegungen entsteht. Das ist faszinierend anzusehen, aber jeder Zuschauer muss für sich selbst entscheiden, wieweit er sich durch diesen Anblick vom musikalischen und inhaltlichen Geschehen des Bühnenwerkes ablenken lässt.
Die rasch dahinfließende klare Musik, die in der begeisternden Interpretation von Kirill Petrenko und dem Bayerischen Staatsorchester auch das Pathos des „Abendlich strahlt …“nicht ausspart, und die Leistungen der Sänger wecken große Vorfreude auf die weiteren Abende der Tetralogie – soweit man denn Eintrittskarten sein eigen nennt.
Großer, langanhaltender Applaus für das gesamte Ensemble und vor allem für Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester.
Gisela Schmöger