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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

04.07.2018 | Oper

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 2.7.2018


Ein inniger Moment, es soll der einzige bleiben: Elena Stikhova als Senta, Wolfgang Koch als Holländer                                   © Wilfried Hösl

Eine wahrhaft festspielwürdige Aufführung, die noch dazu mit einer phänomenalen Sopran-Entdeckung aufwarten konnte, das war dieser Holländer an der Bayerischen Staatsoper. Der Sopran heißt Elena Stikhina und eine Entdeckung ist diese Sängerin vor allem für die Münchner Opernbesucher. Sie hat die Partie der Senta nämlich bereits im Mai in der Philharmonie unter Valeri Gergiev gesungen, quasi die Generalprobe für die konzertante Aufführung des fliegenden Holländers in Baden-Baden, für die sie dann von der Kritik hymnisch gefeiert wurde. Nun also können sich die Münchner davon überzeugen, dass diese Lobeshymnen nicht übertrieben waren. Mit gerade mal 31 Jahren singt und spielt sie die Senta als junge Frau, die genau weiß, was sie will, nämlich den fliegenden Holländer vom Fluch erlösen. Stikhina singt die Partie mit runder warmer Stimme, bruchlos bis ins hohe Register. Ihr gelingen wunderbar schwebende Piani, aber auch dramatische Ausbrüche, die das Orchester mühelos übertönen und auch in den höchsten Tönen nie schrill werden. Mühelos, ganz natürlich klingt das alles, eine kleine slawische Färbung der Vokale fällt nicht störend ins Gewicht.

Ihr Holländer, Wolfgang Koch, liefert eine eindringliche Charakterstudie des gebrochenen, todessehnsüchtigen Mannes ab. Seine Stimme mag nicht die Größte sein, aber er weiß sich seine Kräfte klug einzuteilen und überzeugt vor allem in den leiseren, kantablen Stellen, wo er seine Stimme einfach strömen lassen kann. So werden die Stellen „Dich rufe ich, gepriesener Engel Gottes“, später dann „Ach, ohne Weib, ohne Kind bin ich“ und vor allem das Duett mit Senta im zweiten Aufzug zu bewegenden musikalischen Momenten.

Franz-Josef Selig als Daland leistet sich zu Beginn ein paar kleinere Wackler, überwindet die aber schnell und bringt mit seinem etwas knarzigen Bass ein überzeugendes Rollenportrait. Darstellerisch betont er die geldgierige und autoritäre Seite der Rolle, das Verschmitzt-Liebevolle der Tochter gegenüber, das andere Vertreter in dieser Rolle und dieser Inszenierung zeigten, geht ihm ab.

In der eher undankbaren Rolle des Erik ist Tomislav Mužek zu hören, der diese Partie bereits in Bayreuth gesungen hat und auch dieses Jahr wieder singen wird. (Er wird in der Gerüchteküche auch als ein möglicher Ersatz für Roberto Alagna gehandelt, der ja bekanntlich sein Lohengrin-Debüt abgesagt hat.) Den Erik singt er mit schöner, kräftiger Mittellage, aber in den Höhen klingt die Stimme leicht belegt, schwingt nicht frei aus.

Dass Frau Mary nicht mehr zu singen hat, ist immer schade, wenn Okka von der Damerau auf der Besetzungsliste steht. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: so einen schönen, vollen, runden Mezzosopran hört man nicht alle Tage.

Bleibt noch der Steuermann, Dean Power. Seine Stimme scheint in den letzten ein bis zwei Jahren an Kraft und baritonalem Grund gewonnen zu haben. Den Steuermann singt er kräftiger und ohne die kleinen Kiekser, die er beim jungen Seemann im Tristan noch manchmal gezeigt hat. Ebenfalls ein vielversprechender Sänger.

Die Premiere dieser Inszenierung von Peter Konwitschny war bereits 2006, aber immer noch geht ein erstaunt-belustigtes Raunen durch die Publikumsreihen, wenn sich der Vorhang nach erstaunlich kurzer Umbauzeit für das zweite Bild, die Spinnstube, öffnet: es erscheint ein Fitnesstudio mit Spinning-Rädern. So hält sich die moderne Seemannsfrau schlank und schön! Erik in Bademnatel und Adiletten macht seiner Beinahe-Freundin Senta eine Szene und der Holländer schleppt ein altes Brautkleid an, man erahnt, dass alle seine untreuen Verflossenen es tragen musste. Am Ende zieht Senta das Kleid aus, befreit sich von den Vorstellungen des Mannes, und zeigt wie sie sich die Erlösung vorstellt: indem sie sich und alle anderen Anwesenden in die Luft sprengt. Ein Riesenknall, das musikalische Ende kommt vom Band.

Leider, muss man sagen, denn dem Dirigat von Bertrand de Billy hätte man gerne noch länger zugehört. Spannend vom ersten Aufheulen der Streicheran, aber auch zart und sanft, führt er das Bayerisches Staatsorchester durch die Partitur. Temporeich und dynamisch differenziert, ein mitreißendes Wagner-Dirigat. Ein Extralob haben die hervorragend singenden Chöre verdient: Chor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper.

Großer Beifall für alle Beteiligten.

Susanne Kittel-May

 

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