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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: COSÍ FAN TUTTE. Premiere. Nettes szenisches Geplätscher – Gesang / musikalisches Plateau gut bis sehr gut

27.10.2022 | Oper international

TTT: Bayerische Staatsoper –  Cosi fan tutte – Premiere am 26.10.2022 – Stream

Nettes szenisches Geplätscher – Gesang / musikalisches Plateau gut bis sehr gut

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Cosi fan tutte K. Krimmel, S. Kohlhepp, @ W. Hoesl   (Masturbations – Animation)                                                                                                         

Man kann den Abend angesichts Üblichem durchaus als unterhaltsam abnicken, szenische innovative Kraft, Qualität blieb aus. Nach gemäßem Applaus und fehlenden Buhs scheint es zu gefallen, auch wenn mich etwas befremdet. Am Nachmittag waren gem. Saalplan – verkaufte Karten –  viele Plätze frei, zur Vorstellung schien gem. Übertragung alles gut besetzt. Wo kamen die vielen Leute bloß her? Das ist wohl der Zauber des Theaters, der sich ansonsten szenisch nicht erschloss.

Wenn diese Klamauk -, bis Knall – Chargen – Kultur ohne Tiefgang Qualitätsstandards ausmacht, werden bedenkliche  Mutmaßungen gem. der TTT – Reihe im Online Merker,  – Wertewandel und Reformen im Musiktheater -, Wirklichkeit.

Zunächst ein großes Kompliment zur Gesangskultur. Insbesondere die Sängerinnen überzeugten mit bestechender Gesangstechnik, das waren  Mozarts „geläufige Gurgeln“ in Edelausprägung. Schwerelos schwebte man durch die Register, mühelos in exponierte Lagen / Koloraturen und immer besser greift allerorten:  auch im obersten Register sind die Damenstimmen geradezu von samtenen Goldfäden umschmeichelt.

Wenn die Timbres nun noch etwas individueller trainiert werden, dadurch deutlichere Wiedererkennungswerte erhalten, könnten Weltstimmen wachsen.Es gab am ganzen Abend keine Schärfe im Gesang – das macht große Freude. Gleiches Kompliment gilt den Männern.

Die Orchesterleistung kann ich aufgrund der technischen Übertragung als Stream nur eingeschränkt beurteilen. Tempi, Dezibel waren ideal, zur Dynamik, Agogik kann ich nur die bekannte überragende GMD – Jurowski – Qualität unterstellen. Der musikalische Teil, also das für die Ohren, war also ein Vergnügen mit fesselnder Qualität.

Szenisch werde ich im weiteren Text s. u. eine puristische, an Goethe angelehnte, Wertung formulieren.

Es gab zu Beginn ein schäbiges Souterrain mit lediglich einer verdreckten Matratze, auf der sich Don Alfonso – Gerhaher –  mit Fetisch – Maske (Plastik- oder Lederding über dem ganzen Kopf) pervertierte. Ein übergroßer  wackelnder Gummi-Penis wackelte zunächst am Boden, wurde dann für angedeutete koitale Übungen genutzt, diese wurden dann von den Liebespaaren auch noch im Stehen und liegen imitiert – ja das war so ganz viel „Schnee von vor-, vor-, vorgestern“ keine szenische Brillianz aber ausgelaugte sexistische Trash – Plattitüden (= minderwertiges kulturelles Phänomen, also keine Hochkultur).

Wie auch ständiges Entkleiden bis auf Dessous von der Regie verlangt wurde, die aber auch mal eher an Rheumawäsche erinnerten. Wobei man schon begeisternde Damengesäße in Tangas/Strings der Solistinnen betrachten durfte, das waren „geile Abgänge“ (von der Bühne).

Im 2. Bild wartete eine Beton-Garage / Keller / Bunker auf, sah man kürzlich auch in „Blaubarts Burg / Bartok in München. Der Gipfel einer Umweltschädlichkeit wurde dann noch mit einem BMW – SUV eingeführt, der zum Turnobjekt instrumentalisiert wurden –  Auto auf der Bühne – noch nie gesehen. (Umweltaktivisten – nicht nur bei „Black Facing“ – stürmt die Theater) 

Im nächsten Bild durften Oleander – Büsche überraschen – für diejenigen, die den Kosky – Giovanni  in Wien vergessen hatten. So hangelten sich Ausstattungs- und szenische Versatzstücke üblicher Bühnen – Provenienz durch die Inszenierung. Berührend die oft hernieder rieselnden bunten Papierfetzen in allerliebsten Ausprägungen – das sollten sicher auflösende Seelen-Partikel aller Liebenden dieser Welt sein, deren Liebe mit dem Titel „Cosi fan tutte“ = „so machen’s alle“  desavouiert wird.

Nur noch so am Rande: immer wieder meetoo – zitierende Busengrapscher, bzw. handfeste Griffe (wer bäumt sich nun so auf wie beim „Black – Facing?“ Darf Frauen – Ehre auf der Bühne so entehrt werden?), koitale Handlungen der wechselnden Liebenden, ein „flotter Dreier“ der Liebhaber mit der Dienerin Despina – alles völlig unaufgeregt lassende sterile Aktionen, Aufreger waren das nicht –  wie sang Hape Kerkeling: „Witzigkeit kennt keine Grenzen“!

Im 2. Akt gab es tatsächlich was Neues: eine sich aufblasende Luftkissenburg, wie man sie von Kinderfesten kennt und an Disney – World erinnert, ganz geckig, schön bunt.  Als einziges Bühnenelement ließ allerdings rasch dramatische Wirksamkeit nach, die ansonsten schwarze Bühne zeigte dann kaum Personen – Regie, aber privilegiertes Rampensingen – was hier durchaus was hat.

Jetzt lebte der musikalische Impetus von Orchester und Gesang und das war Allerschönstes, berührend und zum ersten Mal im Mozart – Kosmos s.u., weil Trash – Optik das Hirn nicht marterte, nicht über Witzchen abgelenkt wurde, man seine Sinne nur über Akustisches einer ganzheitlichen Sensitivität hingeben konnte.

Nachdenkliche Gedanken zur Mozart Rezeption und grundsätzlicher Musiktheater – Qualität / Inszenierungs – Kriterien:

Mozart komponiert schwebende Mysterien in übersinnlichen Sphären, die werden in dieser Inszenierung zum sexistischen Trash – Event mit sexuellen Entgleisungen instrumentalisiert, entwertet. Kann man machen, sollte man … ?

Nach meiner Gesinnung, nach meinen Gefühlen ist das für  „Cosi fan tutte“ objektiv völlig falsch, so wird martialisch jegliche Poesie entwurzelt. Liebe wird zum vitalen Akt degeneriert, zu Verrichtung vom Körpersäfte – Austausch.

Im Mozart – Kosmos der „Cosi“ sind Seelenkämpfe im Liebesempfinden eingebunden, Torturen, Seelenschmerz und  Melancholie. Vitaler rein sexueller Körperlichkeit hat Mozart mit Begeisterung gefrönt, wer aber seine Komposition hören will und kann, erlebt einen Mozart, dem diese Wichtigkeiten im Erleben der übergeordneten Bedeutung von Liebe, Zuneigung, Gefühlen lediglich Folgen dieser Empfindungen aufgrund humanoider Prägungen sind, keine begründenden Umstände für Leben, Wirken und Miteinander von Menschen.

Sucht man sexuelle Befriedigung um damit ggf. Liebe auszudrücken, Triebe abzuschütteln oder bindet Liebe erst nach dem Entfeuern den Sexus mit ein. Das hier noch der Weg das Ziel ist, kann nur zeigen, das Menschen die Chance haben Animalisches der Sexualität in andere Bewusstseins-Ebenen zu transformieren – wie so oft – der Gedanke schafft Wirklichkeiten. Der „neue“ Mensch ist möglich – und ich fang nun nicht wieder mit Quanten an.

So erkennt man die Armseligkeit der Cosi – Inszenierung an der Bayr. Staatsoper.  Und die hier ausgedrückte Vision vom zukünftigen Menschen ist doch die einst intendierte Wirkmacht theatralen Erzählens jenseits abgeklärter Konsenswelten zu über der Wirklichkeit stehenden zukünftigen Möglichkeiten.

Das kann man im Kompositions – Kontext Mozarts wahrnehmen  – wenn man will. Selbstredend hat unsere  Konsensrealität lediglich die Möglichkeit solchen Seins integriert – der Weg ist das Ziel – da war Mozart in seinem Kosmos Lotse. Zitat: „Komponiert ist schon alles – aber geschrieben noch nicht“!

Mozart hat tiefe Gefühle, intensive Dramatik leichtfüßig, berührend, eingängig mit musikalisch Schwierigem / Anspruchsvollen zu zartem Feingefühl, feiner Zierlichkeit, empfindsamer Feinheit, tiefer Behutsamkeit gewoben / komponiert.

„Faust“: „Wenn ihr’s nicht fühlt,                                                                                                                                                        
  ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.“

Goethe distanziert sich hier von ganzen Sippschaften in simplifizierter Erkenntniswüste, die aus dem ,Herzen‘ und der ,Seele‘ kommende Poesie“ nicht wahrnehmen wollen oder können, denen „herzrührende Schreib – u. Kompositionsart“ (J. J. Breitinger) nicht Wesensart ist. Statt „genialisch gefühlsbetont, spontan, mit inniger Liebe in delikaten Irrungen den finsteren inneren Wüsten mancher Zeitgenossen zu folgen, um sich so platt sexistisch wie in der Cosi Inszenierung der Bayr. Staatsoper vom Oktober 2022 dem Vegetieren zuzuneigen.

  Tim Theo Tinn 27.10.2022

TTT ‘s Musiktheaterverständnis vermeidet Reduktion auf heutige Konsens – Realitäten, Trash-Welten, Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände von Ort, Zeit und Handlung. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind. Menschenbilder sind im psychosozialen Sein zu belassen. Musikalisch determinierte Charaktere sind irreversibel.
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung Feinstoffliches aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem. Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem.. TTT kann man engagieren.

 

 

 

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