Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: CARMEN

Ein Opernabend der Spitzenklasse

18.01.2020 | Oper

München: Bayerische Staatsoper: „CARMEN“ – ein Opernabend der Spitzenklasse – 17.01.2020

Es war einer dieser ganz besonderen Opernabende, die sich nicht beliebig wiederholen lassen: Herausragende Leistungen im Graben und auf der Bühne treffen zusammen, verbinden sich und bringen das gewisse Etwas hervor, das einer Vorstellung eine ganz besondere Sogwirkung verleiht. Dieser kann sich das Publikum hingeben, um stimmlichen und orchestralen Höchstgenuss einerseits sowie packende Spannung und gewaltige emotionale Intensität andererseits zu erleben. Mit anderen Worten: Opernglück pur!

Die Grundlage dafür, dass die Repertoire-Vorstellung von Georges Bizets „Carmen“ an der Bayerischen Staatsoper am 17.01.2020 zu einem Opernabend der Spitzenklasse wurde, schuf Dirigent Asher Fisch mit dem Bayerischen Staatsorchester. Dem Dirigenten gelang es in vorbildlicher Weise, vom ersten bis zum letzten Ton des Werkes einen großen, übergreifenden Spannungsbogen aufzubauen und aufrechtzuerhalten sowie daneben zahlreiche kleine Spannungsbögen in den einzelnen Szenen zu entwickeln und auszugestalten. Asher Fisch kostete die gesamte Bandbreite der Dynamik und Tempi voll aus und war mit dem Orchester einerseits ein lebendiger, dramatischer Erzähler, der alles in stetem Fluss hielt und die Handlung vorantrieb, ohne je zu hetzen. Andererseits erwies er sich als gefühlvoller Gestalter, der überdies den Sängern stets ein umsichtiger Begleiter und Partner war, so dass diese nie gegen die Klangwogen aus dem Orchestergraben ankämpfen mussten. Das Bayerische Staatsorchester präsentierte sich in bester Verfassung und spielte selbst in den temporeichsten Phasen mit größter Transparenz und Genauigkeit. Mit seinem ausgesprochen engagierten und präzisen Dirigat stellte Asher Fisch auch ein hervorragendes Zusammenwirken zwischen Bühne und Graben sicher, wobei er auch den Chor und den Kinderchor der Bayerischen Staatsoper aktiv leitete und zahlreiche Einsätze gab.

Herausragende Leistungen boten auch die Sänger der vier Hauptpartien, wobei zwei von ihnen das Münchner Publikum schon in der Vergangenheit in denselben Rollen erfreut hatten. Zunächst zu den beiden Neuen:

Bildergebnis für varduhi abrahamyan
Varduhi Abrahamyan. Copyright: Henry Fair

Der Auftritt von Varduhi Abrahamyan als Carmen war zugleich das Hausdebüt der armenischen Sängerin – und ein großer Erfolg! Ihre stimmliche Gestaltung der anspruchsvollen Titelpartie ließ keine Wünsche offen. Mit ihrer dunklen, warmen, sehr angenehmen Stimme ohne Schärfen gelang es ihr hervorragend, die Persönlichkeit der Titelfigur auszugestalten, ihr insbesondere auch – die für eine überzeugende Rolleninterpretation zwingend nötige – immense erotische Ausstrahlung zu verleihen und die Bandbreite von Carmens Emotionen hörbar zu machen. Auch wenn Varduhi Abrahamyan darstellerisch deutlich zurückhaltender und weit weniger expressiv agierte als stimmlich, entstand insgesamt ein stimmiges und überzeugendes Rollenporträt.

Nun erstmals in der Rolle des Don José präsentierte sich der großartige Sängerdarsteller Matthew Polenzani, der in den vergangenen Jahren das Münchner Publikum bereits in zahlreichen anderen Rollen – unter anderem als Fernand in „La Favorite“ sowie als Tamino und als Werther – begeistert hatte. Er stellte auch diesmal unter Beweis, wie virtuos er seine klangschöne, helle Tenorstimme beherrscht und sie völlig bruchlos und ausgewogen im gesamten Spektrum von lyrischen Passagen bis hin zu den stärksten dramatischen Ausbrüchen zu führen vermag – dies jedoch nie als Selbstzweck, sondern immer mit einem intensiven gestalterischen Ausdruck. Im Zusammenspiel mit seiner beeindruckenden Bühnenpräsenz schuf Matthew Polenzani auf diese Weise einmal mehr ein emotional packendes, tief ergreifendes Rollenporträt und ließ das Publikum an Don Josés Gefühlsleben sowie seinen inneren Konflikten und Kämpfen mit sich selbst ganz unmittelbar teilhaben. Alles in allem: Eine gesanglich wie darstellerisch exemplarische Rollengestaltung!

Vom Opernstudio (2011 bis 2013) über das Ensemble der Bayerischen Staatsoper (2014 bis 2018) hat die Südafrikanerin Golda Schultz inzwischen ihren Weg auch an die anderen bedeutenden Opernhäuser der Welt gemacht. Die Rolle der Micaëla scheint ihr in besonderem Maße zu liegen. Bereits wiederholt hatte sie in den vergangenen Jahren damit das Münchner Publikum beglückt. Auch diesmal berührte sie tief mit ihrem leuchtenden, zu Herzen gehenden Sopran und einer innigen, ergreifenden Rollengestaltung.

Ebenfalls eine herausragende Leistung bot Alexander Vinogradov als Escamillo, über den man sich schon vor zwei Jahren in dieser Rolle hatte freuen können. Seither hat er sich allerdings noch einmal enorm weiterentwickelt. Mit seinem volltönenden, wohlklingenden Bass vermittelte er stimmlich wie auch darstellerisch absolut überzeugend das Bild eines vor Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit strotzenden, umjubelten Star-Toreros. Dessen schillernde Persönlichkeit brachte Alexander Vinogradov zudem mit obertonreicher Stimme zum Ausdruck, so dass die hiervon auf Carmen ausgehende Faszination auch für das Publikum unmittelbar erleb- und spürbar wurde. Einfach großartig!

Darüber hinaus trugen die weiteren Solisten mit allesamt guten Leistungen zum Gelingen des Abends bei: Callum Thorpe (Zuniga), Boris Prýgl (Moralès), Dean Power (Dancaïro), Manuel Günther (Remendado), Juliana Zara (Frasquita) und Samantha Hankey (Mercédès).

Die Begeisterung des Publikums entlud sich bereits während der Vorstellung durch vielfachen, teilweise lange anhaltenden, Zwischenapplaus. Am Ende wurden alle Beteiligten mit kräftigem Applaus und zahlreichen, lauten Bravo-Rufen bejubelt und hochverdient gefeiert.

Martina Bogner

 

Diese Seite drucken