Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: CARMEN

17.02.2018 | Oper

München: “CARMEN” – Bayerische Staatsoper 16.02.2018

Das Münchner Publikum ist normalerweise sehr diszipliniert: die Gespräche verstummen, wenn das Licht im Zuschauerraum gedimmt wird und man wartet, bis der letzte Akkord verklungen ist, bevor man zu klatschen beginnt. Bei manchen Opern ist aber alles anders, und dazu gehört auf jeden Fall die Carmen. Es beginnt damit, dass eben nicht zuerst das Licht ausgeht, und dann die Musik beginnt, sondern umgekehrt: Mit dem Fortissimo-Knall der furiosen Ouvertüre geht das Licht aus und das überraschte Publikum kann die angefangenen Gespräche nicht mehr zu Ende bringen. Dafür rächt es sich dann mit gnadenlosem Hineinklatschen in die Schlussakkorde.

Karel Mark Chichon am Pult gibt Bizets Musik viel südländisches Temperament, er treibt das Bayerische Staatsorchester vor allem in den Passagen, wo es alleine spielt, gerne zum Fortissimo und zu schnellen Tempi an, die französische Eleganz der Partitur kommt dabei etwas zu kurz. Aber er ist auch ein guter Sängerbegleiter, der die Lautstärke in entscheidenden Momenten zurücknimmt, um den Sängern Raum zu lassen. Er stellt so eine gute Balance zwischen Bühne und Orchester, Sängern und Graben her. Mit einer Ausnahme: Beim Schmugglerchor zu Beginn des zweiten Aktes ist das Orchester definitiv zu laut. Der hier im Piano singende Chor der Bayerischen Staatsoper ist kaum zu hören.

Die italienische Regisseurin Lina Wertmüller hatte in den 1970ger einigen Erfolg mit Filmen über demontierte Männlichkeit (Mimi in seiner Ehre gekränkt, 1972). Wer einen ähnlichen grotesk-frivolen Umgang mit den Geschlechterrollen bei ihrer Carmen- Inszenierung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Das „in höchstem Maße unmoralische Werk“, so hieß es 1875 über die Uraufführung, kam schon bei der Münchner Festspielpremiere im Jahr 1992 nicht gut bei den Kritikern an. Heute, mehr als 20 Jahre später und nur noch als „nach einer Inszenierung“ gekennzeichnet, erscheint die Inszenierung als zu bieder, zu viel pseudo-spanische Folklore. Geblieben sind einige gut anzusehende Tableaus auf der steil ansteigenden Bühne (Bühne und Kostüme: Enrico Job) und viel Freiraum für die Sänger.

So konnte Elina Garanca alle Register ihrer Sanges- und Schauspielkunst ziehen. Sie ist zuerst eher kühl wirkende Carmen, ihre erotische Anziehungskraft muss sich nicht aus gutturalen Mezzotönen speisen, dazu ist ihre Stimme zu vibratoarm, zu sicher und gleichmäßig über alle Register geführt. Es ist die schiere Selbstsicherheit, die aus ihr spricht. Sie hätte die abgenutzten Verführungsgesten im Ersten Akt (Blume an der Schenkelinnenseite, Fuß am Schritt von Don José, etc.) gar nicht nötig. Zu großer Gestaltung findet sie im dritten Akt, in der Entfremdung von Don José und im Fatalismus des Kartenterzetts.

10
Don José, in seiner Ehre gekränkt. Bryan Hymel und Elina Garanca
© Wilfried Hösl

Mit Bryan Hymels Stimme werde ich nicht so richtig warm: Er hat eine schön timbrierte, kräftige Mittellage, wird aber immer schwächer, je höher es geht. In der Höhe hat die Stimme nur noch eine Farbe, eine Ausdrucksmöglichkeit: sie klingt weinerlich, larmoyant. Das mag für den Don José passen, vor allem am Ende. Im Duett mit Micaëla bräuchte es doch noch etwas mehr. Zu Beginn von der Regie alleingelassen, kommen seine Stärken auch erst ab der Blumenarie zur Geltung.

Golda Schulz ist eine selbstbewusste Micaëla, nicht das unschuldige, schüchterne Mädchen vom Lande, sondern eine Frau, die weiß, was sie will. Dazu passt ihr weicher, warmer Sopran den sie in schön phrasierten langen Bögen führt. Glückliches Haus, das solche Ensemblemitglieder hat.

Die als schwer zu singend verschriene Partie des Escamillo wird von Alexander Vinogradov wenn gleich nicht mit Bravour, so doch rollendeckend bestritten. Ein kleiner Wackler in der Höhe sei ihm verzeihen, er hat die Tiefe und das Volumen, das die Rolle erfordert. Sehr schön einschmeichelnd die Stimme im Duett „Si tu m’aimes, Carmen“.

Im Schmugglerquintett dürfen mit Johannes Kammler (Dancaïro) und Alyona Abramova (Mercédès) wieder zwei Gewächse der Opernstudios zeigen, was sie können. Ergänzt werden sie von Manuel Günther (Remendato), er ist zur laufenden Saison aus dem Opernstudio in das Ensemble gewechselt, und als Frasquita Gabrielle Philiponet. Auch die Soldaten waren mit Callum Thorpe als Zuniga und Sean Michael Plump als Moralès sehr gut besetzt.

Susanne Kittel-May

 

 

 

Diese Seite drucken