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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: CARMEN

14.01.2017 | Oper

München: Bayerische Staatsoper: „CARMEN“, 13.01.2017
Dass unmittelbar vor Beginn einer Aufführung die Beleuchtung im Zuschauerraum gedimmt wird, ist eigentlich völlig normal. Nicht so jedoch bei „Carmen“ an der Bayerischen Staatsoper. Hier wird das Publikum – meist noch in reger Unterhaltung vertieft – üblicherweise vom Orchester überrascht, das unvermittelt bei voller Beleuchtung mit der Ouvertüre beginnt. Das führt dann bisweilen dazu, dass die Unterhaltungen im Publikum mit deutlich erhöhter Lautstärke fortgeführt werden – man möchte ja auch trotz des erhöhten „Geräuschpegels“ aus dem Orchestergraben vom Gesprächspartner noch gut verstanden werden. Dieser Effekt kann sich auch schon mal eine gefühlte Ewigkeit hinziehen, so dass ein Großteil der Ouvertüre bereits vorbei ist, bis man endlich ungestört der Musik lauschen kann. Alles hat eben zwei Seiten…

Als am 13.01.2017 kurz vor dem planmäßigen Beginn der letzten Vorstellung der aktuellen Serie „ganz normal“ die Beleuchtung im Zuschauerraum gedimmt wurde und daraufhin Ruhe im Publikum einkehrte, beschlich einen daher schon ein ungutes Gefühl. Da trat auch bereits die Leiterin des Probenbüros, Dr. Claudia Küster, vor den Vorhang und verkündete, dass der als Don José aufgebotene Brian Jagde seit dem Vormittag an einem „starken grippalen Infekt“ leide, der sich im Laufe des Tages leider „noch verschlimmert“ habe. Die insgesamt ungewöhnlich dramatisch klingende Ansage weckte schon Befürchtungen, ob Brian Jagde den Abend überhaupt würde durchstehen können oder man im Laufe des Abends vielleicht auch noch in der dritten Hauptrolle eine Umbesetzung erleben würde: Anfang Januar hatte bereits Kate Aldrich anstelle der erkrankten Anita Rachvelishvili in der gesamten Aufführungsserie die Titelrolle übernommen und als Micaëla war die erkrankte Genia Kühmeier durch Golda Schultz (an den ersten beiden Abenden) und Cristina Pasaroiu (am letzten Abend) ersetzt worden. Aber man wurde positiv überrascht, denn Brian Jagde schlug sich sehr wacker und ließ sich seine Indisposition den ganzen Abend über nicht anmerken. Großer Respekt! Am überzeugendsten war seine Gestaltung des Don José in der Endphase als völlig niedergeschlagener, von auswegloser Verzweiflung gepeinigter Mann.

Kate Aldrich bot mit ihrem dunklen, über weite Strecken recht vibratoreichen Mezzosopran eine solide Gestaltung der Carmen, deren Temperament vor allem in den tänzerischen Szenen zum Ausdruck kam. Beeindruckend war, wie sie bei ihrem Tanz für Don José die Kastagnetten virtuos selbst spielte. In der klassischen Inszenierung (nach einer Produktion von Lina Wertmüller) gestaltete Cristina Pasaroiu mit ihrer vollen Stimme die Micaëla vorrangig als selbstbewusste, starke Frau – in dieser Interpretation weniger eine vor allem nach außen gezeigte Stärke, der im Innern große Angst und Unsicherheit entgegenstehen und welche vor allem von der großen Liebe zu Don José gespeist wird. Der von Vitaliy Bilyy verkörperte Escamillo blieb recht blass – nicht wirklich überzeugend als ein vor Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit strotzender, umjubelter Star-Torero. Mit seinem noblen, volltönenden und wunderbar frei strömenden Bassbariton gelang Andreas Wolf eine überzeugende Gestaltung des Zuniga. Auch Sean Michael Plumb überzeugte mit seinem klangschönen, vollen Bariton als Moralès. Komplettiert wurde die Riege der Solisten von Matthew Grills (Dancaïro), Dean Power (Remendado), Elsa Benoit (Frasquita) und Rachael Wilson (Mercédès).

Unter der musikalischen Leitung von Karel Mark Chichon war die Abstimmung zwischen Orchestergraben und Bühne – insbesondere mit dem Chor der Bayerischen Staatsoper – nicht immer ganz rund. Auch klang das Bayerische Staatsorchester vor allem bei höheren Tempi oder großer Lautstärke weniger präzise und durchsichtig, als man es sonst gewohnt ist.

Martina Bogner

 

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