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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: ALCESTE von Christoph Willibald Gluck.

30.05.2019 | Oper

Bildergebnis für bayerische staatsoper alceste
Dorothea Röschmann, Charles Castronovo. Foto: Wilfried Hösl

München: Bayerische Staatsoper: „ALCESTE“ von Christoph Willibald Gluck, 29.5.2019

Seit 1936 ist Glucks „Alceste“ nicht mehr an der Bayerischen Staatsoper gespielt worden, obwohl sie nach dem „Orfeo“ das erfolgreichste Werk des großen deutschen Opern-Reformers war. Damals wie heute in prominenter Sänger-Besetzung in den beiden Hauptrollen: damals Felicie Hüni-Mihacsek und Julius Patzak, heute Dorothea Röschmann und Charles Castronovo. Man spielt in München die französische Fassung von 1776, die aus Glucks Überarbeitung seiner Wiener Fassung von 1767 für das französischen Publikum entstanden ist. Neben einer weitgehenden Neukomposition wird für Paris vor allem das Ballett sehr aufgewertet und nimmt einen breiten Raum ein. Wohl deshalb hat die Bayerische Staatsoper die Regie der Oper an den Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui vergeben, der bereits vor drei Jahren Jean-Philippe Rameaus „Les indes galantes“ für die Münchner Opernfestspiele inszeniert hat – mit viel Ironie, Tanz und buntem Bühnenverwirrspiel. Zur Erleichterung der Zuhörer versicherte Cherkaoui aber in einer Einführungsveranstaltung, dass sich wegen des antiken Stoffes und des dramatischen Inhalts ein ironischer Blick auf das Werk verbiete. Dabei blieb es auch: Die Sänger und der Chor tragen antikisierende Gewänder (Kostüme: Jan-Jan Van Essche), das Bühnenbild zeigt einen lichten hohen Raum, der mit seinen seitlichen Säulen und Treppenlandschaften wie der Vorraum eines antiken Tempels wirkt (Bühne: Henrik Ahr). Die Sänger bewegen sich in eher ruhiger Weise. Das wirklich Neue und Überraschende ist die zwanzigköpfige Tanztruppe, die, von der Ouvertüre angefangen bis zu Höllenfahrt und jubelndem Opern-Ende, das gesamte Bühnengeschehen begleitet, gestaltet und interpretiert. Es ist die von Cherkaoui vor einigen Jahren gegründete Eastman Compagnie aus Antwerpen, ein Ensemble von ganz unterschiedlich aussehenden Tänzerinnen und Tänzern aus vielen Nationen, die alle hinreißend tanzen und die moderne, teilweise neuartige und ästhetisch anzusehende Bewegungssprache ihres Chefs überzeugend umsetzen. Als Zuhörerin war ich zunächst fasziniert davon, wie jede Szene, jede Arie von Solisten und Chor durch Tanz nicht nur begleitet, sondern auch interpretiert wird. Aber rückschauend empfinde ich doch, dass durch das ständige Getümmel auf der Bühne die

Aufnahmefähigkeit des Zuhörers für die musikalische Interpretation von Sängern und Orchester leidet. Zur Rechtfertigung von Choreograph und Regisseur Cherkaoui sei jedoch betont, dass die große, zentrale Szene von König Admete und Königin Alceste im 3. Akt auf unbelebter (!) Bühne stattfindet und dank der hervorragenden Leistung der beiden Protagonisten den stärksten Eindruck des Abends hinterlässt.

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Dorothea Röschmann. Foto: Wilfried Hösl

Die Sängerinnen und Sänger hatten es also nicht leicht, den ihnen gebührenden Anspruch durchzusetzen. Am besten gelang es vielleicht Charles Castronovo als macho-mäßigem Ehemann und König, der es nicht hinnehmen will, dass seine Frau über ihr eigenes Leben selbst entscheidet. Sein dunkler, angenehmer Tenor und sein männliches, aber nicht allzu modern-auftrumpfendes Spiel hinterließen einen starken Eindruck. Dorothea Röschmann in der schwierigen Titelrolle war ihm eine adäquate Partnerin. Sie meisterte ihre Rolle zwischen den sehr tiefen Passagen und den höchsten Spitzentönen bewundernswert und berührte mit ihrer Emotionalität. Die selbstlose Liebe der Alceste zu ihrem Ehemann und ihre freie Entscheidung zur Selbstaufopferung brachte Frau Röschmann dem Publikum sehr nahe. Als heldischer Hercules setzte Michael Nagy seinen Bariton rollendeckend ein. Ensemblemitglied Sean Michael Plumb sang den Gott Apollo, der der Tragödie dann doch noch zu einem Happy End verhilft. Publikumsliebling war Anna El-Khashem in der kleinen Rolle einer Coryphée, nicht nur weil sie ihre kleine Arie kopfüber singen musste, sondern weil sie einfach wunderschön und raumfüllend sang. Sehr beeindruckend auch der Chor der Bayerischen Staatsoper, der manchmal mit den Tänzern zu verschmelzen schien und so als „Bewegungs-Chor“ erschien, wie man ihn sich in der antiken Tragödie vorstellen könnte. Antonello Manacorda, langjähriger Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam, dirigierte das Bayerische Staatsorchester und entlockte ihm feinen, farben- und substanzreichen Wohllaut. Aber die an die Münchner „Hh hHausgötter“ Mozart, Wagner und Strauss gewöhnte Schreiberin glaubt, noch weitere Vorstellungen besuchen zu sollen, um die besondere Schönheit der Musik des Ritter von Gluck zu erkennen.

Ebenso wie am Premieren-Abend (26.5.) gab es viel begeisterten Beifall für alle Beteiligten, bei der Premiere sogar auch für das Regie-Team.

Helga Schmöger

 

 

 

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