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MORITZBURG bei Dresden/ Schlossterrasse/Kirche u.a.: STREIFLICHTER VOM 29. MORITZBURG FESTIVAL

23.08.2021 | Konzert/Liederabende

Moritzburg bei Dresden / Schlossterrasse, Kirche u. a.: STREIFLICHTER VOM 29. MORITZBURG FESTIVAL 7. ‑ 22.8.2021

MORITZBURG bei Dresden/ Schlossterrasse u.a.: STREIFLICHTER VOM 28.  MORITZBURG FESTIVAL – OPEN AIROnline Merker
Die Schlossterrasse. Foto: Steffen Heinicke

Das in Anlehnung an das berühmte „Marlboro Festival“ (USA) vor 29 Jahren von Jan Vogler, seinem Bruder, dem Geiger Kai Vogler und seinem Freund, dem Cellisten Peter Bruns, damals drei junge enthusiastische Mitglieder an den ersten Pulten der Sächsischen Staatskapelle Dresden, gegründete, alljährlich (auch in Zeiten von Corona) in dem Ort Moritzburg bei Dresden stattfindende, MORITZBURG FESTIVAL ist in eine neue Phase eingetreten. Die im vergangenen Jahr aus der Corona-bedingten Krise geborene Lösung, die Konzerte vom Schloss ins Freie, auf die optisch und akustisch bestens geeignete Nordterrasse des Schlosses zu verlegen, erwies sich als Glücksfall und wurde mit so viel Begeisterung von Künstlern und Publikum aufgenommen, dass der Wunsch bestand, auch ohne Corona wenigstens einen Teil der Konzerte weiterhin dort zu belassen.

Jetzt wurde eine dauerhafte Lösung mit der Anschaffung von Bühnendach, Podium und Konzertbestuhlung gefunden, womit das Festival unabhängig von der Pandemie ist, aber nur bedingt vom Wetter. Wenn letzteres mitspielt, wirkt der Zauber der Verbindung von Natur und intensivem Musikerlebnis mit. Probleme wegen des geforderten Abstandes zwischen den Musikern gibt es schon wegen der kleinen Besetzungen bei diesem reinen Kammermusik-Festival nicht, und die Stühle für die Besucher können auf der geräumigen Terrasse weit genug auseinander gesetzt werden.

Die kleine, etwa 13 km nordwestlich von Dresden inmitten einer Waldlandschaft mit 22 Teichen gelegene Gemeinde Moritzburg entstand um das, vom sächsischen Kurfürsten und König von Polen, August dem Starken, im 18. Jahrhundert in der jetzigen Form auf einer Insel im größten Teich errichtete barocke Jagdschloss, bei dessen Architektur er selbst mitwirkte, und ist eng mit Kunst und Kultur verbunden. Wegen seiner idyllischen Lage und attraktiven Bauwerke, zu denen auch das verspielte, spätbarocke „Fasanenschlösschen“ mit kompletter Hofhaltung en miniature und die minimierten „Hafenanlagen“ mit Leuchtturm und „Dardanellen“, wo einst der Dresdner Hof eine reale Seeschlacht „nachspielte“, sowie die stilistisch angepasste neobarocke Kirche gehören, ist der Ort ein „Muss“ für jeden Dresden-Besucher.

Käthe Kollwitz verbrachte hier ihre letzten Lebensjahre, die „Brücke“-Maler (Fritz Bleyl, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff) schufen hier ihre epochalen Bilder. In kurfürstlicher Tradition gibt es ein renommiertes Landgestüt für edle Rassepferde, das bei internationalen Wettbewerben Aufsehen erregt, und in besonderer Weise macht nun das Moritzburg Festival, das Kunstgenuss mit allen Sinnen verspricht, durch die internationale Besetzung der Konzerte mit renommierten Künstlern und das große Interesse junger Musiker der verschiedensten Nationen an der Moritzburg Akademie, die parallel zu den Konzerten stattfindet, den Ort in aller Welt bekannt.

Das 29. Moritzburg Festival, bei dem in diesem Jahr S.E. Ricardo Martínez, Botschafter des Königreichs Spanien, die Schirmherrschaft übernommen hatte, verzeichnete 6000 Besucher bei voller Auslastung, ausverkauft bis auf den letzten Platz trotz Corona und Wetter-Kapriolen. In Kooperation mit „So geht sächsisch“ wurden erstmals alle Livekonzerte über die internationale Plattform Dreamstage gestreamt und damit auch digital weltweit erlebbar. Ein Konzert (12.8.) wurde Live im Rundfunk (MDR Kultur) übertragen.

Zum ERÖFFNUNGSKONZERT (7.8.) stellte sich leider – wie auch schon im vergangenen Jahr – „pünktlich“ am Abend eines Schönwetter-Tages unerwünschter Regen ein. Während damals die Musiker und das gesamte, treue Publikum im Regen aushielten, konnte man in diesem Jahr in die Moritzburger Kirche flüchten, wo schon alles hinsichtlich geforderter Abstände für die Aufführung des „Streichsextetts“ aus „Capriccio“ (op. 85) von Richard Strauss, eines “Klavierquintetts“ von Alfred Schnittke und des „Streichquintetts Nr. 2 G‑Dur“ (op. 77) von Antonín Dvorák mit renommierten Kammermusikern vorbereitet war. Damit war auch in diesem Jahr die „Feuer-“ bzw. Wasser-Probe“ bestanden. An einigen weiteren Abenden mit gelegentlichen Regenschauern war der „Umzug“ in die Kirche erforderlich, an anderen erhöhte die Abendstimmung in der Natur den Kunst-und Musikgenuss auf der Schlossterrasse.

Eines der SCHLOSSKONZERTE (14.8.), das unter dem glücklichen Zeichen eines lauschigen Sommerabends mit der Mondsichel am Himmel stand und auf der Schlossterrasse stattfinden konnte, brachte in heiterer Atmosphäre eine Begegnung mit dem „Flötenquartett Nr. 1 D‑Dur (KV 285) von Wolfgang Amadeus Mozart, bei dem Violoncello und führende Flöte korrespondierten und Violine und Viola das intensive, geschmeidige, sehr melodische Zusammenspiel bereicherten. Die Schwalben flogen um die Bühne und zwitscherten mit, so angetan war nicht nur das Publikum von der Ausführung des, mit der einfühlsam musizierenden französischen Flötistin Magali Mosnier, dem amerikanischen Geiger Chad Hoopes, Ulrich Eichenauer, Viola, der von Anfang an dabei ist, und Santiago Cañón Valencia, einem der herausragenden jüngeren Cellisten aus Amerika, international besetzten Quartetts.

Obwohl sich die Musiker immer erst in Moritzburg zusammenfinden, sich vorher kaum oder gar nicht kennen und ziemlich kurzfristig gemeinsam die aufzuführenden Werke erarbeiten, hatte man den Eindruck eines eingespielten Quartetts, bei dem nicht nur die mit viel Einfühlungsvermögen führende Flöte. sondern auch jeder, sich in seiner Position gut in den ausgewogenen, melodischen und geschmeidigen Gesamtklang einfügende Musiker mit seinem qualitätsvollen Spiel wahrzunehmen war und besonders im lyrischen, empfindsamen 2. Satz, dem „Adagio“ bezauberte. Gerade dieses kurzfristige Zusammenfinden, Aufeinander-Einstellen und gemeinsame Proben, wovon sich die Besucher bei drei ÖFFENTLICHEN PROBEN ein Bild machen konnten, verlieh den dargebotenen Stücken viel Charme, Spontaneität und Frische.

Danach trat die junge, erst zwanzigjährige Pianistin Chelsea Guo, Preisträgerin des Internationalen Chopin Klavierwettbewerbes und derzeit Gesangsstudentin auf und sang die Sopranpartie in Franz Schuberts Gesangsszene „Der Hirt auf dem Felsen“ (D 965), die von Liebe, Kummer und Sehnsucht spricht und die Sängerin (mitunter auch einen Sänger) herausfordert, aber auch auf „Flügeln des Gesanges“ davontragen kann. Chelsea Guo war bei diesem Festival wohl die meist beschäftigte Musikerin. Sie trat in acht Konzerten auf, als Pianistin oder Sängerin, wobei sie sich mitunter selbst am Klavier begleitete. Schuberts bekannten und beliebten Geniestreich, bei dem sich unwillkürlich der Vergleich mit berühmten Sängerinnen anbietet, sang sie aus ihrer Sicht und auf ihre Art, mit viel gutem Willen und ernsthaftem Bemühen, eher vorsichtig, mit weichem Ansatz, den Noten verhaftet, dann aber auch wieder enthusiastisch.

Der spanische Klarinettist Pablo Barragán, ein gefragter Solist und erfahrener Kammermusiker hatte nicht nur den richtigen und vor allem besonders schönen, geschmeidigen Ton, sondern auch das richtige Gespür für das Werk. Bereits mit den ersten Tönen zog er die Zuhörer in seinen Bann, musizierte souverän, einfühlsam, mit entsprechender Kantabilität und schenkte auch jedem Detail die gebührende Aufmerksamkeit. Am Klavier stellte Wu Qian die Verbindung zwischen Klarinette und Gesang her.

Das, den Abend bekrönende, „Streichquintett Nr. 2 G‑Dur op. 111) von Johannes Brahms gestalteten renommierte Musiker wie Kai Vogler, 1. Violine, Ulrich Eichgenauer, Viola (kurzfristig eingesprungen für den erkrankten Hartmut Rohde) und Christian Poltéra, Violoncello, gemeinsam mit den vielversprechenden jungen Musikern Seiji Okamoto, Violine und Karolina Errera, Viola, eine klangschöne, melodiös einschmeichelnde Wiedergabe in perfekter gegenseitiger Abstimmung, fließend und als ein in sich geschlossenes Ganzes.

Die eingesetzte, perfekte Tontechnik ließ alle Feinheiten voll zur Geltung kommen, sehr schöne lyrische Passagen, die führende Violinstimme von Kai Vogler, dezent und unaufdringlich, aber dennoch unüberhörbar die Akzente setzend, das feinsinnige kleine Solo der Viola von Ulrich Eichenauer, den wunderbaren Zusammenklang der Instrumente und die Fröhlichkeit des 4. Satzes. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Die jüngeren Musiker profitierten im erfolgreichen Zusammenwirken von den Erfahrungen der älteren und die gestandenen Musiker von der Frische und der oft unvoreingenommenen Herangehensweise der jüngeren.

Eine „Spezialität des Festivals sind die SCHLOSSKONZERTE MIT VORANGESTELLTEM PORTRÄTKONZERT, von denen das dritte und letzte (18.8.) leider wegen “himmlischer Feuchtigkeit“ in die Kirche verlegt werden musste. Es brachte eine weitere Begegnung mit Chelsea Guo. die sich im PORTRÄTKONZERT mit den „Kinderszenen“ (op. 15) von Robert Schumann am Klavier und mit Auszügen aus dessen Liederzyklus „Frauenliebe und -leben“ (op. 42) mit Gesang präsentierte.

Die „Kinderszenen“, nicht für Kinder, sondern als „Rückspiegelungen eines Älteren für Ältere“ gedacht, wie Schumann schrieb, nachdem er sie „schwärmend und träumend“ in Erinnerung und Betrachtung des kindlichen Gemütes abgeschlossen hatte, wurden von ihr weniger in gewohnter sensibler Weise, sondern in eher pianistischer Art mit teilweise kräftigem Anschlag und aus persönlicher Sicht mit unterschiedlichen Ausdrucksmitteln bei den einzelnen Miniaturen dargeboten.

Während sie „Von fremden Ländern und Menschen“ und die „Kuriose Geschichte“ in gewohnter Weise spielte, kam der „Haschemann“ schon ungewohnt temperamentvoll daher, beinahe dramatisch, mit reichlich Pedalgebrauch, erschien ein “Bittendes Kind“, und die „Träumerei“ wurde mit bewusst eingesetzten kleinen Ritardandi noch träumerischer. Ziemlich flott ging es „Am Kamin“ zu, forsch kam der „Ritter vom Steckenpferd“ daher, und im Kontrast dazu, eher verhaltener war das „Fürchten machen“ und sehr sanft das „Kind im Einschlummern“. Sie ließ nach den Regeln pianistischer Kunst den „Dichter sprechen“ und gestaltete das alles nicht ohne äußerliche Effekte, die beim Publikum ankamen.

Von der anspruchsvollen „Frauenliebe“ hatte Chelsea Guo einige charakteristische Teile ausgewählt, die sie zwischen kaum hörbarem Pianissimo und starkem Forte sang, so als wäre es für einen kleinen intimen Freundeskreis gedacht, getragen von der Begleitung am Klavier.

Im anschließenden SCHLOSSKONZERT sang sie „Auf dem Strom“ (D 943) von Franz Schubert, sehr klang- und ausdrucksvoll von Jan Vogler am Cello gestaltet und gut am Klavier von Mishka Rushdie Momen begleitet.

Zuvor begeisterte die „Sonate für Flöte, Viola und Harfe“ von Claude Debussy mit der hervorragenden Johanna Schellenberger, die mit der Harfe das interpretatorische Zentrum des Trios bildete, zu dem auch Magalie Mosnier, Flöte und Matthew Lipman, Viola gehörten. Das sich zunehmend zu idealer Gemeinsamkeit aufschwingende Trio steigerte sich in Debussys musikalische Gedankenwelt hinein und zog das Publikum mit in diesen Bann.

Man wurde mit hineingenommen in das musikalische Empfinden der Mitwirkenden, die auf sehr hohem Niveau musizierten, die Hingabe, mit der die Viola gespielt wurde, und die melodisch und rhythmisch perfekt gespielte Harfe, der auch sehr feine, leise Töne entlockt wurden. Allein wie der 1. Satz ausklang, im 2. und 3. Satz sich immer mehr Temperament entwickelte, wie sich die Ausführenden gegenseitig ergänzten, war „Debussy vom Feinsten“.

Als Höhepunkt erklang das „Klavierquintett“ f‑Moll“ von Cesar Franck mit Louis Lortie, Klavier, Kevin Zhu und Nathan Meltzer, Violinen, Lars Anders Tomter, Viola und Jan Vogler, Violoncello, alles „gestandene“ Musiker mit Professionalität. Am ersten Pult saß der noch junge Kevin Zhu, um die Jugend zu fördern durch fordern. Am Klavier fungierte Lortie als verbindendes Element zwischen den perfekten Einzelleistungen seiner Mitstreiter für ein perfektes Zusammenwirken, das immer weiter einem Höhepunkt zustrebte. Jeder füllte seine Position optimal im Dienst des Werkes auf sehr hohem Niveau aus – eine  faszinierende, mitreißende Wiedergabe,

Glücklicherweise konnte das beliebte KONZERT BEI FACKELSCHEIN (20.8.) auf der Nordterrasse stattfinden, das Wetter ermöglichte es gerade noch. Andernfalls wäre die besondere Wirkung buchstäblich „ins Wasser gefallen“. Es war kühl, aber stimmungsvoll. Kleine Öl-Lichter („Fackeln“) brannten rings um die Terrasse und tauchten das Umfeld in ein stimmungsvolles Licht, bei dem man sich „Eine kleine Nachtmusik“ von W. A. Mozart, hier in Streichquartett-Besetzung ausgeführt, im Freundeskreis wie zu Mozarts Zeiten vorstellen konnte.

Die beiden Geiger Chad Hoopes mit einschmeichelndem Ton und Nathan Meltzer, Karolina Errera, Viola und Santiago Cañón Valencia, Violoncello, musizierten leicht und unbeschwert, mit Hingabe und Frische, einfach liebenswürdig, wie man sich eine Serenade vorstellt, die Mozart für seine Freunde komponiert hat, technisch nicht allzu anspruchsvoll, aber mit immer wieder neuen Ideen. Raffinessen und Wendungen und auch in jeder Besetzung unwillkürlich ansprechender Wirkung, eingängig und schon beinahe „volkstümlich“, weshalb sie sich großer Popularität erfreut (wobei Mozarts Schaffen leider nicht selten auf diese leichte, gefällige Kompositionsweise reduziert wird).

Einen enormen Stimmungsumschwung bedeutete das zweite Werk des Abends, die „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg in der ursprünglichen Version als Streichsextett aus Schönbergs spätromantischen Phase (noch ohne Zwölftontechnik), geschrieben nach einem Gedicht von Walter Dehmel, damals sowohl inhaltlich als auch musikalisch als „skandalös“ empfunden, heute akzeptiert und begeistert aufgenommen.

Leise, verhalten, sensibel und emotional aufgeladen begonnen, ausgefeilt mit äußerster Akribie, lyrisch, tragisch, sehr ernst und mit faszinierender Klarheit gestalteten Chad Hoopes und Seiji Okamoto, Violinen, Matthew Lipman und Lars Anders Tomter, Viola, sowie Santiago Cañón Valencia, Violoncello und die wunderbare Marie Elisabeth Hecker, von der scherzhaft behauptet wird, sie könnte „mit ihrem Instrument im Arm“ geboren worden“ sein, so eng scheint sie mit ihrem Cello verbunden, das Werk, mit dem Schönberg einen ersten Beitrag leistet, die Programmmusik in die Kammermusik einzuführen.

Die Musiker hatten die zunächst düstere Atmosphäre eingefangen, die erregte Stimmung eines Liebespaares, das durch die helle Mondnacht geht, wobei sie ihm gesteht, dass sie das Kind eines anderen erwartet. Lyrisch, tragisch und sehr ernst, fast meditierend zelebrierend, mit großer Klarheit und sehr fein nuanciert wurde dieses Gespräch, dieser innere Konflikt und die Stimmung wiedergegeben, bis zum befreienden Schluss, als er in bedingungsloser Liebe erklärt, das Kind als sein eigenes anzunehmen. Diese Wiedergabe dürfte zu den besonderen Höhepunkten des Festivals gehören.

Um junge Musiker intensiv zu fördern und eine exzellente Musikkultur auch für die Zukunft zu sichern, wurde 2006 parallel zum Festival die MORITZBURG FESTIVAL AKADEMIE unter der Leitung der Geigerin Mira Wang als kreative „Musikwerkstatt“ ins Leben gerufen, bei der 40 besonders talentierte junge Musikerinnen und Musiker aus aller Welt ausgewählt werden und ein umfangreiches Orchester- und Kammermusikprogramm erarbeiten, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse erweitern und anschließend in mehreren Konzerten vorstellen. Das Interesse steigt von Jahr zu Jahr und erreichte in diesem Jahr die Rekordhöhe von 758 Bewerbungen aus 16 Nationen. Die jungen Musiker bestritten ein besonders intensives Programm und zeigten dabei erstaunlich reife Leistungen.

Beim traditionellen, ungezwungenen, aber sehr niveauvollen PROSCHWITZRER MUSIK-PICKNICK (15.8.) auf der Wiese des Schlosses Proschwitz waren bei schönstem Sommerwetter vorwiegend einzelne Sätze aus Streichquartetten (10 von 14 zur Aufführung ausgewählten Werke) von Joseph Haydn, Alexander Borodin, Franz Schubert, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Dmitri Schostakowitsch und Bedrich Smetana und je zwei von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven sowie zwei „Serenatas“ in Quintett-Besetzung von Alfredo Casella und Carl Nielsen und zwei sehr schöne, gekonnt und professionell in „Nonett“-Besetzung gespielte „Sinfonias für Bläser“ von Charles Gounod und Gaetano Donizetti zu hören,  meist heitere, im besten Sinne unterhaltsame Werke, sogar das von Schostakowitsch.

Das Niveau der pandemiebedingt nur 33 jungen Musiker war in diesem Jahr besonders hoch hinsichtlich technischem Können, Werkverständnis und harmonischem Zusammenspiel, obwohl auch hier die Formationen erst „vor Ort“ gebildet werden und alles nur kurzfristig einstudiert wird, eine Besonderheit, die dem Festivals Spontaneität und Frische verleiht. Besonders bei den Bläserinnen und Bläsern fielen makelloses Musizieren und bereits professionelles Können auf. Da ließ man sich auch von überfliegendem Flugzeug und Hubschrauber nicht ablenken. Da Pandemie-bedingt nicht alle Teilnehmer einreisen konnten und einige noch sehr kurzfristig absagen musste, traten die meisten Teilnehmer mehrmals und in unterschiedlichen Besetzungen auf. Einige bewährten sich bereits sehr gut an den ersten Pulten und wirkten auch bei Konzerten mit.

Einige der in Proschwitz aufgeführten Stücke waren auch Teil des Programmes der LANGEN NACHT DER KAMMERMUSIK (19.8.) auf der Schlossterrasse, andere Kompositionen kamen hinzu.

Das Moritzburg Festival Orchester aus allen Teilnehmern der Akademie unter der Leitung von Josep Caballé Domenech trat nach einem Jahr Pandemie-bedingter Pause erstmals wieder auf, zunächst im Vorfeld des Festival im König Albert Theater in Bad Elster und bei den Darmstädter Residenzfestspielen, zum Abschluss beim ORCHESTERKONZERT „MORITZBURG FÜR ALLE“ (21.8.) im Dresdner Kulturpalast mit einem großen sinfonischen Programm, das mit der „Ouvertüre zur Oper „Los esclavos felices“ („Die glücklichen Sklaven“) von Juan Crisóstomo de Arriaga eröffnet wurde. Arriaga komponierte diese Oper 1819 als Dreizehnjähriger. Die von ihm nach seinem Studium überarbeitete Fassung weist Einflüsse der Wiener Klassik und Anspielungen auf Rossini auf, weshalb er auch als „spanischer Mozart“ bezeichnet wird.

Das Stück wirkt gefällig, unterhaltsam, noch jugendlich unbekümmert. So wurde es auch interpretiert, mitunter aber auch kraftvoll und mit dramatischen Zügen. Die jugendlichen Musiker schienen sich vor allem auf die technische Bewältigung der inhaltlich weniger anspruchsvollen, aber auch weniger bekannten Ouvertüre zu konzentrieren.

Ebenso musizierte das Orchester noch wenig sensibel das Tripelkonzert C–Dur“ (op. 56) von Ludwig van Beethoven, was bei dem Stand der musikalischen Entwicklung und den gegebenen Bedingungen auch kaum anders möglich ist. Hier mussten sich die jungen Musiker erst einmal auf fehlerfreies Zusammenspiel konzentrieren, auf einander hören und sich in den Orchesterapparat einordnen. Saubere Bläser eröffneten den Orchesterpart und Jan Vogler mit singendem Cello und großer Kantilene den Einsatz der drei konzertierenden Soloinstrumente, die sich mit ihrem jeweils sehr unterschiedlichen Part frei entfalten konnten.

Der Geiger Kevin Zhu setzte mit herbem, kühlem Klang ein. Am Klavier stimmte der finnische Pianist Juho Pohjonen fließend und „perlend“, mit „kühlem“, sachlichem Anschlag, traumhafter Sicherheit und feinem Piano ein und orientierte vor allem auf harmonisches Zusammenwirken. Die Solisten widmeten sich sehr individuell ihrem Part, die jungen Musiker zeigten im Orchester ihr Können mit jugendlichem Temperament und mitunter etwas überschwänglicher Lautstärke bis zum gigantischen Schluss, doch alles fügte sich zu einem Ganzen zusammen. Hier kam es erst einmal auf ein lückenloses gemeinsames Musizieren an.

Ähnlich verhielt es sich bei der, von Franz Schuberts „Großer C‑Dur-Sinfonie“, aber auch von Haydn und Beethoven inspirierten „Sinfonie Nr. 2 C‑Dur (op. 61) von Robert Schumann, bei der gut und sicher spielende Hörner und Posaunen hinzukamen. Hier wurde auch die romantische Seite betont, die im 3. Satz („Adagio espressivo“) ihren Höhepunkt fand.

Das begeisterte Publikum konnte sich danach noch an einer Orchesterzugabe erfreuen, der „Ouvertüre“ zu „La Cenerentola“ von Gioacchino Rossini.

Mit Karl Goldmarks „Klaviertrio Nr. 2 e‑Moll (op. 33), dem. bekannten „An die Musik“ von Franz Schubert und dem „Streichoktett Es‑Dur (op. 20) von Felix Mendelssohn-Bartholdy klang der 29. Festivaljahrgang, trotz Corona und unzuverlässigem Wetter einer der erfolgreichsten, im ABSCHLUSSKONZERT (22.8.) in der Moritzburger Kirche aus, denn ein neues Tiefdruckgebiet warf mit Wolken und leichtem Regen bereits seine Schatten voraus. Hoffen wir, dass das 30. Moritzburg Festival 2021 in jeder Hinsicht ein sonniges, heiteres wird.

Ingrid Gerk

 

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