MONTISI/ Toscana: FESTIVAL SOLO BELCANTO
vom 17.- 20.7.2018
Skyline von Montisi. Copyright: Michele Monasta
Die Toscana scheint nicht nur ein gastronomisches, architektonisches und landschaftliches Schlaraffenland zu sein, sondern auch ein musikalisches. Denn auf wenigen Quadratkilometern finden hier den ganzen Sommer über eine Reihe von außergewöhnlichen, einzigartigen und höchstklassigen Musikfestivals statt: das Chigiana Summer Festival in Siena, der Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano, die Incontri in Terra di Siena, das Colleghium Vocale Crete Sienesi, um nur einige zu nennen.
Seit vier Jahren ist nun noch ein weiteres, sehr spezielles Festival hinzugekommen, das den schönen Titel „Solo Belcanto“ trägt. Es findet in dem typisch toskanischen Hügelborgo Montisi statt – in unmittelbarer Sichtweite von Montepulciano,Trequanda, SInalunga, Castelmuzio, den Austragungsorten der Konkurrenzevents.
Montisi ist zwar ein 350 Seelen – Nest, besitzt aber natürlich ein Theaterchen, das einst von einer Mäzenatin in den ehemaligen Getreidespeicher eingebaut und dann der Bevölkerung geschenkt wurde.
Das „Teatro della Grancia“ liegt sehr gut im Wettbewerb um das kleinste Theater der Welt: es hat nämlich nur gezählte 52 Sitzplätze (die drei Logen miteingeschlossen).
Der Miniatur-Kunsttempel blieb jahrzehntelang unbenutzt. Dann entschloss sich die Opernnärrin Silvia Mannucci Benincasa, deren Familie seit 500 Jahren in Montisi ansässig ist, die Bonsai-Oper wieder mit Musik zu erfüllen und gründete mithilfe des Florentiner Dramaturgen Giovanni Vitali eben das Festival „Solo Belcanto“.
Heuer stand das Festivalchen – wie soviele andere – im Zeichen Gioacchino Rossinis (anlässlich seines 150. Todestages).
Das Eröffnungskonzert,war dem Repertoire der Sorelle Marchisio gewidmet, zwei seiner treuesten Interpretinnen. An ihrer Stelle brachten Silvia Dalla Benetta (Sopran) und Antonella Colaianni (Mezzosopran) Arien und Duette des Meisters zum Klingen: aus der Petite Messe Solonelle, L’Italiana in Algeri, Moïse et Pharaon, Tancredi etc.
Die „viel zu schönen Schwestern“ Silvia Dalla Benetta (Sopran) und Antonella Colaianni (Mezzosopran). Foto: Robert Quitta.
Sie sangen nicht nur wunderschön, sondern waren auch noch wunderschön anzusehen – und somit historisch betrachtet vollkommen fehlbesetzt : denn die Original-Schwestern waren zwei hässliche Zwerginnen. Manchmal reicht es aber eben auch, nur historisch informiert zu sein…
Teresa Iervolino. Foto: Robert Quitta
Den zweiten Abend bestritt die junge Mezzosopranistin Teresa Iervolino, die sich gerade auf einem Karriere-Höhenflug befindet: allein in der nächsten Saison singt sie in der Cenerentola in Florenz und in der Semiramide in Venedig.
Sie stellte ihr Programm unter das Motto „Più d’esser femmina a me non par…“ und widmete es den vielen „en travesti“- Partien aus dem Belcanto – und Barockrepertoire, nicht nur von Rossini, sondern auch von Mosca, Gluck und Händel. Ein triumphaler Erfolg für den singenden, furios tönespeienden Vulkan aus Neapel.
Das dritte Konzert sollte eine Hommage an Alfredo Kraus darstellen, und wurde daher von dem ebenfalls von den kanarischen Inseln stammenden, weltweit gefragten, Tenor Celso Albelo getragen. Gemeinsam mit seiner Partnerin Eleonora Bellucci legte er das Hauptaugenmerk auf Donizetti, Massenet und Gounod. Zwei Bis waren Pflicht.
Chris Merritt bei seiner Arbeit. Foto: Robert Quitta
Das Besondere an dem Montisischen Belcanto- Festival ist jedoch, dass es nicht nur Konzerte, sondern zusätzlich auch eine Masterclass anbietet. Die diesjährige wurde von Chris Merittt geleitet, dem unvergesslichen Jahrhundert -Baritenor, einer der tragenden Säulen der Rossini-Renaissance.
Die Absolventen der Masterclass und ihr Maestro. Foto: Robert Quitta
Wenn man seinen Lektionen im Teatrino beiwohnte (denn die Masterclass war öffentlich zugänglich) wurde man mit der Zeit den Eindruck nicht los, dass der gute Chris einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben muss. Denn Merritt arbeitet zwar völlig uninvasiv, macht nur eine kleine Bemerkung, gibt nur einen kleinen Rat, einen einfachen, beinahe schon banal zu nennenden Tipp. Und dennoch ist die Stimme des Vorsingenden bereits nach fünf Minuten vollkommen und nachhaltigst verändert. Als ob er einen Zauberstab hätte. Schwarze Magie. Gespenstisch und bewunderungswürdig.
Robert Quitta, Montisi