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MONTEVERDI: IL RITORNO D‘ULISSE IN PATRIA – live Gesamtaufnahme mit den English Baroque Soloists unter John Eliot Gardiner – Soli Deo Gloria

13.11.2018 | cd

MONTEVERDI: IL RITORNO D‘ULISSE IN PATRIA – live Gesamtaufnahme mit den English Baroque Soloists unter John Eliot Gardiner – Soli Deo Gloria

 

„Wenn es um Gefühlshitze geht, macht Ihr den großen Unterschied zwischen einer echten und einer gemalten Sonne aus.“  Aus einem Brief des venezianischen Adeligen und Librettisten Giacomo Bodaoro an Claudio Monteverdi

 

Innerhalb des berühmten Monteverdi-Zyklus steht „Il Ritorno d‘Ulisse in Patria“  im Schatten von „L‘Incoronazione di Poppea“ und „Orfeo“. Dennoch ist nach den historisch informierten  Einspielungen aus jüngerer Zeit von William Christie, Martin Pearlman sowie René Jacobs nun die vierte hochkarätige Aufnahme des selten auf Bühnen anzutreffenden Werks am Markt. Der Musikfreund hat also die Qual der Wahl.

 

Gardiner hat die Oper vom 7.-9. September 2017 im Nationalen Forum für Musik in Breslau aufgeführt. Aus Anlass des 450. Geburtstages von Monteverdi hatte Gardiner eine siebenmonatige Entdeckungsfahrt durch Monteverdis erhaltene Opern unternommen. In 33 Aufführungen in acht europäischen Ländern  war ein letztlich gut aufeinander eingespieltes Ensemble aus Sängern und Instrumentalisten am Werk. Danach ging der Zyklus nach Chicago und New York. Der jetzt veröffentlichte Live-Mitschnitt profitiert, was die Unmittelbarkeit im Ausdruck, aber auch die individuell angenehm unterscheidbaren Sangesleistungen anlangt, von der Podienluft der live Atmosphäre. Aufnahmetechnisch werden die CDs  höchsten Studio-Anforderungen gerecht. 

 

John Eliot Gardiner sieht im „Ulisse“, 33 Jahre nach dem Orfeo entstanden, all den Reiz der italienischen Musik des frühen 17. Jahrhunderts verkörpert und stuft dieses reizvolle Bühnenwerk mindestens auf Augenhöhe mit den beiden anderen großen Monteverdi-Opern ein. Gardiner spannt in seiner theatralischen Interpretation den beweglich goldenen Faden zwischen deklamierenden und liedhaft lyrischen Passagen. Bemerkenswert dabei ist insbesondere, wie Monteverdi „starke Kontraste und ein dynamisches Wechselspiel zwischen den Figuren – Göttern und Helden ebenso wie Vertretern der niedrigen Stände schafft, seien sie nun rechtschaffen oder zwielichtig.“ 

 

Die Fassung, die der neuen Aufnahme zugrunde liegt, bedient sich in den „Lücken“ im erhaltenen Aufführungsmaterial geschickt bei manchen von Monteverdis eigenen Werken. Die Continuogruppe hat Gardiner um eine Lira da Gamba, eine Harfe sowie je zwei Blockflöten und Zinken verstärkt sowie die Instrumentalisten symmetrisch auf zwei Halbkreise verteilt.  

 

In Gardiners Lesart wird hörbar der Verschmelzung von Text und Musik nachgegangen und somit höchster Wert auf Aussprache und Tonfall gelegt. Das Ensemble, denn um ein  solches handelt es sich hier im ureigensten Sinn des Wortes, spielt einander flott und temporeich die teils heftig gestoßenen Bälle zu. Es wird vom rabenschwarzen Bassbariton des Furio Zanasi in der Titelpartie, der Penelope der Mezzosopranistin Lucile Richardot, sowie Krystian Adam in der Rolle des Telemaco und Hana Blažíková (Sopran) als Minerva und Fortuna angeführt. Als weitere Protagonisten begeistern als tragische bis groteske Typen Michel Czerniawski als Pisandro, Gareth Treseder als Anfinomo, Zachary Wilder als Eurimaco, Anna Dennis als Melanto, John Taylor Ward als Giove, Francesca Boncampagni als Giunone, Robert Burt als Iro, Francisco Fernández-Rueda als Eumete, Carlo Vistoli als Humana Fragilitá, Silvia Frigato als Amore sowie Francesca Biliotti als Ericlea. Sie alle lassen mit deftigem Wortwitz, ariosem bis Sprechgesang die Moral des  Niedergangs von Penelopes Hof mit seinen verlogenen Verehrern und deren Nutznießern lebendig und wie neu erstehen. Am Ende, als Penelope im Fremden ihren lange verloren geglaubten Gatten Odysseus wiedererkennt, löst sich ihre Gefühlsstarre in bewegenden Gesang auf. Was für eine schöne Metapher auf aus purer Liebe geborener Kunst.

 

Als sensationell darf verbucht werden, wie die English Baroque Soloists  unter der wissenden Leitung von John Eliot Gardiner theatralisch die Spannung stützen und ein sinnliches Klangfresko sondergleichen entfalten. 

 

Monteverdis Opern sind ideale Beispiele für Musik, die auf Tonträgern sehr gut genossen werden kann. Gardiner hat dazu eine neue glänzende Vorlage geliefert. Vergnügungssteuerpflichtig!

 

Dr. Ingobert Waltenberger 

 

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