Filmstart: 4. April 2019
MONSIEUR CLAUDE 2
Qu’est-ce qu’on a encore fait au bon Dieu? / Frankreich / 2019
Regie: Philippe de Chauveron
Mit: Christian Clavier, Chantal Lauby u.a.
„Monsieur Claude und seine Töchter“ war vor fünf Jahren der Film, der den Franzosen als „Light“-Version klar machen sollte, dass es überhaupt kein Problem ist, einen Moslem oder einen Juden oder einen Schwarzafrikaner oder einen Asiaten als Schwiegersohn zu haben. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert? Dass die harten Tatsachen die Vorstellungswelten in den menschlichen Köpfen – den weißen, „alteingesessenen“ europäischen Köpfen – rasant überrollt haben, damit leben wir alle: Monsieur Claude spricht es auch aus, nicht ohne leisen Seufzer. Und das wird noch lange ein Thema sein.
Nun beruht die Fortsetzung von „Monsieur Claude“ weniger auf ideologischen Voraussetzungen als wohl auf dem Wunsch, den Mega-Erfolg von anno dazumal fortzusetzen. (12 Millionen Besucher in Frankreich, immerhin 400.000 in Österreich…)
Ganz einfach war die Geschichte des gestandenen Franzosen und der vier „andersartigen“ Schwiegersöhne nicht weiter zu erzählen, wenngleich sich der zweite Film ein wenig auf die vier verlagert, die alle sympathisch und originell sind. Und prompt hat man dem Film von Regisseur Philippe de Chauveron „Rassismus“ vorgeworfen – obwohl jeder zweite Satz lautet: „Nicht schon wieder die Klischees!“ Sind es Klischees, dass der jüdische Schwiegersohn David (Ary Abittan) immer Geschäfte machen möchte, dass der muslimische Schwiegersohn Rachid (Medi Sadoun) es müde ist, immer auf seine Herkunft angesprochen zu werden und als Anwalt nur „muslimische“ Fälle zu bekommen, dass der chinesische Schwiegersohn Chao (Frédéric Chau) unter wahrem Verfolgungswahn leidet und der schwarzafrikanische Schwiegersohn Charles (Noom Diawara) sich endlos erregt, dass es für schwarze Schauspieler wie ihn keine ordentlichen Rollen gäbe?
Kurz, die Idee des Films basiert darauf, dass die migrierten und eigentlich integrierten Neo-Franzosen – mit denen sich die Schwiegereltern jetzt ziemlich kompromisslos abgefunden haben, herzige Enkelkinder gibt es auch – mit ihrem Leben absolut nicht zufrieden sind (wenn es auch, seien wir ehrlich, kleine Probleme sind – und ein bißchen wehleidig auch). Nun könnte man sich vorstellen, dass der Moslem nach Algerien zurück will (und seiner Frau Isabelle (Frédérique Bel) einredet, sie könne dort als Anwältin die Sache der unterdrückten Frauen vertreten), dass der Jude nach Israel möchte (die Gattin Odile (Julia Piaton) lernt übrigens Hebräisch ungleich leichter als er), dass der Chinese seine Zukunft im Bankenwesen von Shanghai sieht (und die Künstlerin-Gattin Ségolène (Émilie Caen) meint, sie könne ihre Gemälde dort viel besser verkaufen). Und Charles, dessen Frau Laure (Élodie Fontan) gerade hochschwanger ist und ein Angebot für Indien erhalten hat, sieht jede Chance darin, als erster Schwarzer in Bollywood große Karriere zu machen…
Nun haben wir Monsieur Claude (Christian Clavier, optisch noch „mächtiger“ geworden, ist der „gestandene“, patriotische Franzose schlechthin) und seine schmale, hintergründige Gattin Marie (Chantal Lauby), die ihr Familienleben keinesfalls auf die digitale Ebene schieben lassen wollen (Skype? Nein, dann doch lieber WhatsApp). Freilich, wenn sie sich nun daran machen(mit Hilfe von Monsieur Claudes gewaltiger Abfindung aus seiner Firma, ein finanzieller Rückhalt, der dabei fast draufgeht), den Schwiegersöhnen die Zukunftsländer zu vermiesen und ihnen Karrieren in Frankreich aufzubauen (zu kaufen), wird das Drehbuch kinderkinomäßig dümmlich – aber so wirklich realistisch waren diese Filme ja nie gemeint.
Ja, und ist es Rassismus, einen schwarzen Patriarchen von der Elfenbeinküste (Charles’ Vater, der schon im ersten Film eine so prominente Rolle gespielt hat) als genau so vorurteilsbehaftet zu zeigen wie einst (den mittlerweile so geläuterten) Monsieur Claude? Pascal N’Zonzi als André Koffi zieht wieder seine Show ab, seine Gattin (Salimata Kamate) darf weibliche Vernunft vertreten – und die böse Pointe der Geschichte besteht darin, dass die Koffis zur Hochzeit ihrer Tochter (Tatiana Rojo) nach Frankreich anreisen – um einer lesbischen Schwiegertochter (Claudia Tagbo) gegenüber zu stehen… (Gott sei Dank ist sie wenigstens schwarz!) Da kann selbst der katholische Pfarrer (Loïc Legendre) nicht helfen, so weit ist die Kirche noch nicht. Der Gottesmann bekommt übrigens auch sein Fett ab: Er ist so erschöpft vom stundenlangen Ansehen von „Game of Thrones“ und anderen Serien, dass er kaum Kraft hat, seine Messe zu halten… Aber bei der Lesben-Hochzeit tanzt er dann auch mit.
Ja, Happyend auf allen Linien. Mehr noch als der erste Film ist dieser – wo die Schwiegersöhne einen echten „Brüderbund“ bilden – auf märchenhafte Beschwichtigung ausgelegt. Aber im Kino kann doch alles schöner sein als in Wirklichkeit? Früher war es so. Und nun flüchtet man offenbar in die goldenen Zeiten zurück, wo die Traumfabrik der harten Realität etwas entgegen setzen konnte… Und außerdem: immer politische Korrektheit? Gibt es etwas Humorloseres?
Renate Wagner