Monika Bohinec. Foto: Andrea Masek
INTERVIEW MIT MONIKA BOHINEC
„Ich war nicht nervös, ich habe mir gedacht, ich mache, was ich kann“
Gespräch am 22.10. 2018 mit dem Ensemble-Mitglied nach dem fulminanten Einspringen in „Les Troyens“ als „Cassandre“
Karl Masek
Zuerst Gratulation zum großen persönlichen Erfolg, Frau Bohinec! Bei ihrem tollkühnen Einspringen bei der letzten Staatsopernpremiere „Les Troyens“ und auch in der 2. Vorstellung wurden sie als „Cassandre“ stürmisch umjubelt. Sie haben die Rolle auch schon in der Generalprobe gesungen. Haben Sie auch die gesamte Probenzeit mitgemacht, wie ich einmal annehme? Oder war das anders?
Vielen Dank für ihre Rückmeldung! Also, ich habe die Rolle nicht mitgeprobt, ich habe sie mitstudiert. Das ist ein großer Unterschied! Ich habe die Rolle neu gelernt, die Musik kennengelernt, und dann durfte ich bei den Proben zusehen. Das waren insgesamt Endproben – zwei Proben mit Orchester, bei denen ich zugeschaut habe, die Hauptprobe war dabei…
…und dann war die Generalprobe ihre „erste Bühnenprobe“?
Ja, ich hab mir manches zurechtgeschrieben, Bühne links, rechts, viel mehr war gar nicht möglich in der kurzen Zeit, es war soviel los, ich hatte Onegin-Vorstellungen als Larina, zugleich „Elektra“-Proben und auch schon die Proben für die Uraufführung „Die Weiden“, da studieren wir schon fleißig! Und am Tag der Generalprobe (der 11.10., Anm.) war ich um 10 Uhr im Haus, habe Korrepetition für „Die Weiden“ gehabt, mit dem ersten Kennenlernen ‚tui,tui,tui,…‘ Kommt der Studienleiter um halbelf rein, atemlos, sagt: „Monika, du musst die Generalprobe singen, eine Stunde vor Beginn der Generalprobe, die um 11:30 war, eine Stunde vorher hat man mich von oben abgeholt (lacht im Nachhinein herzlich!), ich hab nur gedacht, ok, ich mache, was ich kann…
Sie sind seit 2011 an der Wiener Staatsoper, und sie sind äußerst vielseitig, anscheinend absolut verlässlich und jederzeit einspringbereit. Haben Sie eigentlich Lampenfieber?
(Seelenruhig): Nein, hab ich nicht gehabt. Also, an dem Tag war kein Lampenfieber. Ich bin wirklich grundsätzlich ruhig. Man lernt ja viel, und auch, flexibel zu sein. Ich liebe die Musik, ich komme auf die Bühne, um die Musik zu genießen, eine Rolle so zu gestalten, wie ich sie empfinde, wenn man da nervös ist, zerstört das alles, und das ist schade!
Sie haben seit 2011 – ich habe nachgezählt – an der Staatsoper bis zum Zeitpunkt des Interviews 225 Abende gesungen …
…, oh, das wusste ich jetzt nicht…!
…36 verschiedene Rollen. Also eine unglaubliche Bandbreite! Da singen andere in ihrer ganzen Karriere nicht so viele Rollen! Die meistgesungene Rolle die 1. Magd in Elektra, Nornen, Walküren, die Erda, die Stimme von oben im Parsifal ,Eboli, einmal eingesprungen, in einer sehr turbulenten Serie, in der sogar eine Vorstellung abgebrochen werden musste…
…ja, 2014 war das, da hat uns ein besonderer Virus nicht in Ruhe gelassen!
Dann auch die Schenkenwirtin im Boris – leider nicht die Marina, weil‘s hier keinen Polenakt gibt …
…Ja, schade! Aber die Marina hab ich in Wiesbaden gesungen!
Hexen in Rusalka bzw. Hänsel und Gretel, in Rusalka auch die Fremde Fürstin, und im Vorjahr auch die Gora in Aribert Reimanns Medea, eine besonders anspruchsvolle Rolle! Lernen Sie ihre Rollen leicht bzw. schnell?
Man gewöhnt sich daran, man bekommt mit der Zeit Routine, wie man eine Partie rasch lernt, man nimmt die Noten, erkundigt sich über den Charakter der Partie, den Hintergrund der Rollen, liest Sekundärliteratur – und wir haben diese tollen Pianisten, die machen ja schon 50% der Arbeit, unser wunderbares Team da oben im 4. Stock, die Korrepititor/innen, die können ALLES spielen, das ist unglaublich, wie die uns die Partien beibringen! Und ich habe in diesen 7 Jahren so unglaublich viel „im Hintergrund“ gelernt! Viel darüber hinaus, was gerade im Repertoire ist! Ich habe alle Verdi-Partien meiner Stimmlage drauf, bis jetzt bis auf die Kundryauch alle für meine Stimme relevanten Wagner-Partien – die Kundry kann noch etwas warten. Bei Reimanns Gora dachte ich im ersten Moment, o Gott, wie werde ich das schaffen? Eine besonders schwere Rolle, weil man manchmal sogar gegen das Orchester singen muss und da keine Unterstützung hat. Aber mit der Zeit habe ich sie liebgewonnen!
In wie vielen Bühnensprachen singen Sie, und wieviele Sprachen haben Sie inzwischen gelernt?
Ich habe als Studentin – ich habe im Mozarteum in Salzburg und in Wien studiert – gesehen, für mein Stimmfach gibt es so viel im russischen Fach. So schöne Rollen, so schöne Lieder! Und ich habe dann nebenbei Slawistik inskribiert und somit auch Russisch gelernt. Meine Muttersprache ist Slowenisch, und es ist ein bisschen verwandt. Und dann Italienisch, Deutsch – ich bin in einem Ort direkt an der österreichischen Grenze –in Jesenice (Assling) – aufgewachsen.Tschechisch, da hat man viel zu tun, Katja Kabanowa, Rusalka natürlich! Französisch eher phonetisch.
Stichwort „Cover“: Sie haben z.B. die Amneris am Haus oft gecovert, aber letztlich nie gesungen…
… ich habe Amneris oft in München gesungen!
Monika Bohinec als „Cassandre“. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
… jetzt die „Cassandre“. Gesetzt den Fall, Frau Antonacci wäre nicht krank geworden, Sie hätten vermutlich diese schwere, aber auch dankbare Partie nie gesungen, zumal sie ja nicht zum Kernrepertoire der Opernhäuser gehört.
Wie ich diese Partie zuerst in die Hand bekommen habe, war mir nur die berühmte Arie der Dido bekannt, sonst kannte ich von der Oper nichts. Stimmt, sie wird selten gemacht!
Wie ist das nun für einen „Cover“, wenn man lang und mit viel Mühe so eine Rolle einstudiert, aber dann nicht die Möglichkeit hat dranzukommen. Sie machen so einen ruhigen, zufriedenen und „in-sich-ruhenden“ Eindruck: Ist es nicht mitunter frustrierend?
(Auch wieder seelenruhig und abgeklärt): Ich möchte so sagen: Ich habe viele Partien als Cover hier gelernt und ich sage, die Partien, die mir gefallen, die wollte ich unbedingt lernen, weil ich sie vielleicht im Leben auch brauchen werde – und ich habe sie oft gebraucht, weil ich ja viel woanders gastiert habe ! –Große, anspruchsvolle Partien nehmen natürlich viel Zeit und Energie in Anspruch! Und dann kommt ein Angebot, ich kann zusagen, ich habe vorher positiv gedacht, und dann sage ich, ja, ich habe es gelernt, ich hab es drauf, ich kann es!
Und was „drauf ist“, ist auch für lange Zeit „gespeichert“?
Die Rollen aus dem italienischen Fach, die sind gespeichert. Eine Amneris, eine Eboli, jederzeit! Bei Wagner-Partien muss ich schon etwas tiefer wieder reinschauen, um sie wieder in die Kehle zu bekommen.
Sie sind froh, ein Mezzosopran zu sein: Halb Alt, halb Sopran, aber kein „halber Sopran“. Sie haben einen großen Stimmumfang. War das zu Anfang der Ausbildung (Mozarteum Salzburg, später Wien) schon so, oder war das eine Art Stimmentwicklung?
Ich hatte immer breites Spektrum und breiten Umfang. Das aber war alles sehr „wild“ und die Professorinnen mussten das erst bearbeiten und einschleifen. Meine erste Lehrerin war Biserka Cvejic – sie hat 20 Jahre hier am Haus gesungen – sie und Frau Univ.Prof. Claudia Visca, haben mich in Wien an der Universität für Musik und darstellende Kunst geprägt und weiter entwickelt..
Sie stammen aus Slowenien. Sind Sie in eine Musikerfamilie hineingeboren?
Mein Papa hat Klavier gespielt, wollte da auch weitermachen, aber das galt damals als „brotlose Kunst“. Ich wurde dann sehr unterstützt.
Sie haben in Ljubljana auch 3 Jahre Medizin studiert. Welche Richtung hat sie dabei besonders interessiert?
Auch hier: Alles, was mit Stimme zu tun hat. Also die Richtung HNO (HalsNasenOhren)! Spezialisiert auf alles, was mit Gesang und Stimme zu tun hat! Ich lese heute noch gerne Bücher darüber!
Welche Komponisten sind aus Ihrer Sicht „Medizin“ für die Stimme?
Medizin-Komponisten sind für mich Donizetti. Bellini. Belcanto. Ich nehme, wenn ich spüre, dass ich Stimmpflege brauche, Adalgisa aus der Norma in die Hand. Oder die Giovanna in Anna Bolena. Es ist auch ganz unterschiedlich, was gerade auf meinem Spielplan steht! Ich muss die Stimme anders behandeln, wenn „Fremde Fürstin“ auf dem Programm steht mit bis zum hohen C hinauf oder Erda mit diesen tiefen Tönen. Mittlerweile lerne ich, mich selbst zu kontrollieren, man spürt die Stimme, die Muskulatur, man lernt durch Selbsterfahrung.
Korrepetieren Sie sich auch selbst?
Ja! Zugleich bleiben immer andere Ohren wichtig, die dann sagen, was gut ist oder was man ändern muss!
Wie studieren Sie neue Rollen vom ersten Ton weg ein?
Ich beginne mit der Geschichte. Ich möchte alles über meine Rolle erfahren, wissen, was diese Person warum macht, was andere Personen machen, dann natürlich die Noten – Text, Dynamik, und dann werden die Puzzlesteine zusammengestellt
Sie singen im Dezember bei der nächsten Premiere eine Uraufführung „Die Weiden“, eine Mutterrolle. Können Sie uns darüber schon etwas verraten?
Jetzt sind die ersten Proben – es sind konzeptionelle Gespräche dabei, aber im Moment für mich noch keine Bühnenproben, da komme ich erst dran! Ich bin schon sehr gespannt, wie das wird! Vor allem, wenn das Orchester dazukommt! Bis jetzt ist alles noch „ungefähr“!
Sängerische Vorbilder?
Vor allem zwei! Christa Ludwig, die hab ich immer sehr geliebt, entspricht meinem Ideal, man sollte möglichst alles singen können. Die sang die hohen und dramatischen Rollen bis zur Leonore und auch viele der „tiefen“ Rollen. Und Olga Borodina fürs slawische Fach (Marina, die Marfa, aus der Chowanschtschina), sowie das italienische und französische Fach (Amneris, Eboli, Dalila…)
Passion Lied?
Ich versuche in etwas ruhigeren Zeiten (manchmal gibt es die auch!) mir dafür die nötige Zeit zu nehmen. Ich liebe die slawischen Komponisten, wie Mussorgsky, Tschaikowski, Rachmaninow, und für die „besonderen Farben“ Gustav Mahler!
Rollenwünsche für die nächste Zukunft?
Die Amneris ist natürlich Nummer eins! Und Wagner liebe ich sehr! Fricka, Waltraute. Brangäne – und Ortrud wäre langsam an der Zeit! Ich habe sie bisher einmal konzertant mit den Bamberger Sinfonikern gesungen, jetzt wäre, meine ich, für mich richtiger Zeitpunkt dafür, es auch szenisch zu machen!
Vielen Dank, dass Sie sich so ausführlich Zeit für dieses Gespräch genommen haben! Möge vieles, was Sie sich für die künstlerische Zukunft vornehmen, in Erfüllung gehen!
Alles Gute!