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MÖRBISCH/ Seefestspiele: „THE KING AND I“ entthront den Walzerkönig. Premiere

15.07.2022 | Operette/Musical

Seefestspiele Mörbisch: „The King and I“ entthront den Walzerkönig (14.7.2022)

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Das vormals so gepriesene und lautstark beworbene ‚Mekka der Operette‘ ist im austrocknenden Neusiedlersee versunken. Ein ebenso angepriesener wie beworbener Broadway-Ableger soll nun dafür die Herzen der Burgenländer und vieler, vieler Angereister beglücken. So haben es die Kulturpolitiker des Bundeslandes vorgeschrieben. Der Bruch mit dem Wechsel von heimischer Tradition zu gängigen Verkaufsshows mag durchaus typisch für die heutige österreichische Kulturszene ohne eigene geistvolle Schaffenskräfte anzusehen sein.

Die früheren sozialen Reize am Beginn der Mörbischer Seefestspiele sind mit den Jahren mehr und mehr einem mit aufwendiger Werbung betriebenen Konsumbetrieb gewichen …. die Weinbauern der Gegend spielen claro wichtig mit. Der Bühnenkonsum in diesem Jahr: Nicht ganz so alte Unterhaltungsware wie die Gräfin Mariza aus dem nahen Ungarland, aber trotzdem eine schon ein halbes Jahrhundert und einiges mehr gereifte und gut zu genießende. „Der König und ich“ heißt es in dieser Saison, es geht Richtung altes Siam. Dieses Rodgers & Hammerstein II–Erfolgsprodukt stammt vom New Yorker Broadway aus dem Jahr 1951 und besticht durch sehr ansprechende komödiantische Qualitäten, gefällige Musik wie auch durch seine Aussage – scheint hier jedoch nicht den so ganz richtigen Platz gefunden zu haben.

Das alte Siam ist seebühnenbombastisch zu erleben. Eher unterkühlt, nicht allzu stimmungsvoll. Denn die gefügig trippelnd herumlaufenden und angsterfüllten Untertanen müssen sich in ihren revueglitzernden Asia-Dressen vor ihrem ungemütlich schreienden König Mongkut – ein unangreifbarer Diktator in auch heute angesagter ostischer Manier – immer und immer wieder auf den Boden werfen. Wohl nebensächlich, gibt der Show jedoch einen rassistischen Anstrich. Die durchaus fein gedachte Story lässt aber mehr an ein Kammerspiel mit subtiler humaner Aussage statt an eine üppige Orient-Show denken. Und die zutraulichen lockeren Melodien klangen zu derb aus den am Premierenabend noch nicht ideal eingestellten Lautsprechern. Der König von Siam (Kok-Hwa Lie) ist hier kein Schmuseboy. Milica Jovanovic versteht als die in der Mitte des 19. Jahrhunderts an dessen Prunkhof verschlagene englische Lady ihr Gesicht zu bewahren. Aufkeimende Spannung? Eher bloß eine matte. Regisseur Simon Eichenberger kann immerhin mit der herzigen großen Schar der kleinen, von der Madam zu erziehenden Kindern des Königs punkten.

Das menschliche Gewirre an solch einem Premierenabend ergibt eher das Flair eines Stadions als einer Kulturstätte. Und es scheint, dass zur Zeit nicht liebevoll mit Kultur geflirtet wird sondern einfach jegliches Publikum herbei geholt werden soll. Andreas Gabalier steht demnächst auf der Menuekarte. Und nächste Saison ist das „Mamma Mia!“-Wunder von Schwedens ABBA zu erleben. Der Strauß-Schani und Meister Lehár dürften in Mörbisch vorläufig wohl ausgebootet sein. Und damit ein Stück wertvollster österreichischer Kultur.

Meinhard Rüdenauer

 

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