MÖRBISCH / Seebühne: MAMMA MIA-Premiere vom Unwetter verschont
13. Juli 2023 – Premiere
Von Manfred A. Schmid
Mamma Mia ist ein Wohlfühl-Musical, das sich ideal für eine Aufführung auf der Seebühne Mörbisch eignet. Für rund zweieinhalb Stunden, inklusive Pause, kann man in die nette, anspruchslose und dennoch herzerfrischende Geschichte rund um die alleinerziehende Mutter Donna Sheridan und deren Tochter Sophie eintauchen und so den quälenden Sorgen des Alltags entfliehen, ob es sich nun um den Ukraine Krieg oder den unstabilen, noch immer zu hohen Gaspreis handelt. Der Ort der Handlung, eine griechische Insel, wo Donna eine Taverne betreibt, sorgt für das heißersehnte Urlaubsfeeling, wozu auch die hervorragend gestaltete Bühne von Walter Vogelweider beiträgt, die in ihrem ästhetischen Weiß-Blau-Glanz, der durch viele Licht- und Farbeffekte (Lichtdesign Andreas Fuchs) und architektonische Erweiterungen sich unablässig wandelt und bestaunt werden will. Das spektakuläre Highlight: die nach der Pause aufgesetzte, riesengroße, bespielbare Discokugel. Beste Voraussetzungen für eine blendende Unterhaltung, zumal der griechische Wettergott – niemand geringerer als Zeus himself – diesmal offenbar nichts gegen einen unbeschwerten Sommerabend einzuwenden hat: Punktgenau zum Beginn der Vorstellung haben sich die Regenschwaden endgültig verzogen.
Donnas Tochter Sophie will vor ihrer Verehelichung mit Sky endlich Klarheit schaffen und hat dazu – nach Einblick in die Tagebuchaufzeichnungen ihrer Mutter – drei Männer zur Hochzeitsfeier eingeladen, die eventuell als ihr Vater in Frage kommen könnten. Am Ende wird sie aber doch von ihrer Mutter zum Altar geführt werden und die rivalisierenden Herren Sam, Harry und Bill geben sich schließlich damit zufrieden, die Rolle des Vaters zu je einem Drittel zu übernehmen. Die Hochzeit mit Sky wird in letzter Minute abgeblasen. Dennoch gibt es ein Fest zu feiern, denn Sam heiratet Donna. Andreas Gergen inszeniert diese fröhliche Geschichte mit ebenso leichter wie kundiger Hand. Es gibt große, von Jonathan Huor glänzend choreographierte Szenen zu Wasser, am Sandstrand vor Ort und natürlich auch rund um die Taverne, wo auch die zunächst heiklen und abtastenden Begegnungen Sophies und Donnas mit den drei Überraschungsgästen stattfinden. Einundzwanzig Jahren später betreten die Männer erstmals wieder griechischen Boden betreten und erinnern sich nach und nach an eine tolle, verwegene, von großen Gefühlen geprägte Zeit.
Das erstmals in den 1990er Jahren in London aufgeführte Musical, das inzwischen zu den weltweit meistgespielten zählt und 2008 mit Meryl Streep und Pierce Brosnan verfilmt wurde, gilt aber nicht nur als Wohlfühl-Musical, sondern wird gerne auch als Jukebox-Musical bezeichnet. Darunter versteht man Musicals, die auf der Basis von bestehenden Hits und Schlagern – in diesem Fall 22 Evergreens der in den 70er und 80er Jahren auftretenden schwedischen Popgruppe ABBA – entstehen. Da wird zu den Songs eine Geschichte dazu erfunden, wie das etwa auch bei Ich war noch niemals in New York von Udo Jürgens gemacht wurde. Mamma Mia kann somit mit Recht ein ABBA-Musical genannt werden.
Die Handlung ist das Vehikel, um die Musik, die hier der Ausgangspunkt ist, zu transportieren. Michael Schnack bringt den typischen, rhythmisch und melodisch unverkennbaren Sound der Vierergruppe, hier aufgeteilt auf rund zehn solistisch auftretenden Charakteren und verstärkt durch eindrucksvolle Chorstimmen, mitreißend zum Klingen. ABBA lebt.
Anna Rosa Döller ist eine sympathische, mit wachsendem Selbstvertrauen ausgestattete Sophie, was sich auch in ihrem Gesang widerspiegelt. Sie lässt aber auch die Verletzlichkeit ihrer Person durchscheinen. Timotheus Hollweg als Sky ist ihre große Liebe, der durch die Suche seiner Braut, in die er, wie auch ihre Mutter, nicht eingeweiht war, etwas irritiert wurde. Den Entschluss, die Heirat bis auf Weiteres zu verschieben, treffen sie gemeinsam, begeben sich aber nicht in eine Auszeit ihrer Beziehung, sondern wollen gemeinsam die Welt kennenlernen und reisen ab. Sophies Lied „I Have a Dream“ gibt die Richtung vor.
Eine starke, energiegeladene und ihre Selbstständigkeit auskostende Powerfrau ist die Donna Sheridan von Bettina Mönch. Eigenverantwortung und Freiheit sind Grundprinzipien ihres Lebens. Ihr Bekenntnis zu ihrer Lebenseinstellung bei der Wiedergabe der Songs „Mamma Mia“ und „The Winner Takes It All“, in dem sie die Gründe für ihren Wunsch nach Unabhängigkeit – nicht nur von der Männerwelt – in erlittenen Enttäuschungen und seelischen Verwundungen festmacht, ist ein Höhepunkt ihrer Interpretationskunst und berührt ungemein.
Mit ihren besten Freundinnen Tanja (Ines Hengl-Pirker) und Rosie (Milica Jovanovic) verbindet sie, dass sie in jungen Jahren als Band aufgetreten sind. Tanja ist geschieden und war dreimal verheiratet, Rosie lehnt, wie Donna, eine Verehelichung als spießbürgerlich ab. Darum ist es ungemein komisch zu erleben, wie Rosie schließlich mit Bill, dem australischen Globetrotter und Reiseschriftsteller Bill (Peter Lesiak) erotisch zu flirten beginnt. Baldige Hochzeit nicht ausgeschlossen.
Die Besetzung der drei potenziellen Väter ist geradezu perfekt. Lukas Permans Sam Carmichael ist ein kultivierter amerikanischer Architekt, etwas schroff in seinem Benehmen, aber mit einer starken, gefühlvollen Stimme. Die Enttäuschung, die er Donna zugefügt hat, klärt sich nach 21 Jahren als Folge von Missverständníssen und mangelndem Mut und Selbstbewusstsein heraus. Einer Verbindung steht nichts mehr im Weg. Christof Messner ist Harry, der britische Banker, der reich geworden ist und über seine freilebige Vergangenheit nachdenkt, als er noch unbeschwert lustig und ein begeisterter Gitarrespieler war. Peter Lesiak schlüpft als Bill mühelos in die Rolle des durch die Welt vagabundierenden, unangepassten Lebenskünstlers (Kostüme Alexandra Kica), baut aber zu den beiden anderen „angehenden Vätern“ rasch eine tolle Beziehung auf.
Mamma Mia auf der Seebühne Mörbisch ist ein Musical der guten Laune, bei dem es viel zu lachen gibt. Die zeitlosen Hits laden dazu ein, mitzusingen und mitzuklatschen, was vor allem bei den ausgiebigen Reprisen der besten Nummern als Zugaben nach dem begeisterten Schlussapplaus (mit stehendem Beifall) auch eifrig getan wird. Im nächsten Jahr gibt es dann aber wieder ein echtes, authentisches Musical: My Fair Lady. Ein Klassiker des Genres und nichts Zusammengestöpseltes.