MILLSTATT / STIFTSKIRCHE: „OPERNGALA“ – 11.08.2017
Bernhard Zlanabitnig, Brigitte Pinter, Zurab Zurabishvili. Foto: Veranstalter
Die diesjährigen Millstätter Musikwochen bilden eine Oase der Opernkultur, die ihresgleichen sucht. Ein Dank an den künstlerischen Leiter Bernhard Zlanabitnig. Nach Elīna Garanča, Thomas Hampson und Luca Pisaroni setzte die Operngala am Freitag, den 11. August 2017, in der Stiftskirche Millstatt mit der Kärnterin Brigitte Pinter und dem Georgier Zurab Zurabishvili diese Linie fort.
Beide standen bereits auf den Bühnenbrettern der wichtigsten Opernhäuser der Welt, mit den Arien und Duetten des Galaprogramms. Alessandro Misciasci meisterte bravourös die besondere Kunst, ein ganzes Orchester auf ein Instrument zu reduzieren. All das Toben und Donnern, aber auch lieblich-romantische zarte Linien im ewigen Legato, für die sonst über siebzig Musiker emsig im Einsatz sind, um sie adäquat zur Umsetzung zu bringen, konnte der routinierte Liedbegleiter, Korrepetitor und Pianist mit den klanglichen Möglichkeiten des Klavieres höchst ausdrucksvoll in Szene setzen.
Im ersten Duett Mario, Mario versprühten Tosca und Cavaradossi jene Zuversicht, die sie antreibt, noch auf eine glückliche gemeinsame Zukunft zu hoffen. Es folgten das Gebet von Tosca Vissi d’arte, worin sie Gott ihr Leid klagt, dann ein in Arienform gegossener Abschiedsbrief des Cavaradossi: E lucevan le stelle. Äußerst überzeugende Darbietungen!
Besonders meisterhaft bewältigten Pinter und Zurabishvili die Anforderungen der musikdramatischen Darstellung in Tu qui, Santuzza aus Cavalleria Rusticana. Santuzza kocht vor Eifersucht und stellt Turiddu, ihren untreuen Liebhaber, zur Rede. In diesem Spannungsfeld bewegte sich das Duett durch alle dynamischen Schattierungen: vom feinsten Pianissimo bis zum wilden Sforzato. Turrido sollte das Buhlen um die Gunst der Frau des Kaufmanns Alfio mit dem Tod bezahlen. Ähnlich, wie der Liebesgott Amor Orfeo wieder aus der Unterwelt herausholt, spielte Misciasci eine Ballettszene aus dem Orfeo von Christoph Willibald Gluck. Wie ein Engelsgesang entfaltete sich die Melodie in der rechten Hand, schwebte durch das Kirchenschiff und ließ Turrido gleichsam auferstehen: Deus ex machina ist gelungen!
Eine Paradefigur des Verismo bildete der Bajazzo, dessen tragischen Untergang Ruggero Leoncavallo vertont hat. Die Diskrepanz zwischen Clownerie, die Canio nach außen professionell betreiben muss, und der inneren Selbstzerstörung aus dem Leid, das ihm seine Geliebte zugefügt hat, stellte den Interpreten vor eine ganz besondere Herausforderung. Zurabishvili gelang hier eine authentische Vermittlung dieser Zerrissenheit.
Wenn im Otello Brigitte Pinter als hochdramatischer Sopran und Zurab Zurabishvili als Heldentenor alle Register zogen – dann im wörtlichen Sinne: Sie glänzten in allen Stimmlagen, die außergewöhnlich anspruchsvollen Stellen bewältigten sie mit galanter Leichtigkeit. Im Duett Dio di giocondi, o sposo zeigte sich, wie hervorragend die beiden Stimmen zusammenpassen, und doch – nur eines kleinen Tuches wegen – nimmt das Drama seinen Lauf: Desdemona flieht nach der Eskalation des Konfliktes von der Bühne – in diesem Fall: in die schützenden Räume der Sakristei.
Es folgte ein Lamento: Dio mi potevi scagliar. Otello beklagt sich bei Gott über seine Seelenqualen. Der strauchelnde Held kehrt in sich. Ausdruckstechnisch stellte dies den Tenor vor die besondere Herausforderung, ständig zwischen lyrischer Introvertiertheit und heldenhafter Manier wechseln zu müssen, was Zurabishvili herausragend meisterte.
Das feierliche Ave Maria Desdemonas passte nun wirklich an diesen heiligen Ort, in die Millstätter Stiftskirche: Doch dann verwunderte der Text: „(…) Bitte für den Schwachen und Bedrückten, und den Mächtigen, der gleichfalls elend ist (…). Bitte für den, der vom Unrecht (…) gebeugt ist.“ Solch eine unzensierte Fassung finden wir nur in Verdis Otello! Ein Bravourstück für die hochdramatische Sopranistin, die hier ganz in sich hineinging, um den vollkommenen Frieden zu finden, und sich dabei auch stimmlich auf das Minimum reduzierte – ganz im Sinne von Giuseppe Verdi!
Eine Operngala ohne Richard Wagner ist fast nicht möglich. Mit strahlender Stimme besiegelte Zurabishvili die Liebe zwischen Siegmund und Sieglinde, nachdem alle Hindernisse überwunden sind, und tauft das Schwert „Notung“! Furios, wie selten gehört, endete der 1. Akt der Walküre.
Es folgte der Liebestod aus Tristan und Isolde. Misciasci zog hierbei – fernab des üblichen Klavierauszuges – die Fassung von Franz Liszt heran, mit der er die höchst eindrucksvolle Darbietung von Pinter untermalte.
Die Zugaben (eine Arie und ein Duett aus Werken von Franz Lehar wie auch das O sole mio) führten das Publikum wieder zurück ins Leben, zeigten wunderschön noch andere Aspekte des Beziehungslebens, das nicht nur von Zorn und Eifersucht geprägt sein muss.
Hilde Lutz / Stefan Nobis