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MILANO / Teatro alla Scala: DER FREISCHÜTZ. Neuproduktion

21.10.2017 | Oper

Milano, Scala: Weber, DER FREISCHÜTZ am 20.10.2017

MATTHIAS HARTMANN setzt in Mailand Carl Maria von Webers „Freischütz“ in Szene.


Günther Groissböck (Kaspar). Copyright: Teatro alla Scala/ Brescia Amisano

Eine Oper, so sehr verwurzelt in deutscher Tracht und Tradition, dass sie es im Ausland schwer hat, sich durchzusetzen. Und dabei ist sie musikalisch nach wie vor ein epochales Werk, dass einst die Epoche der Romantik auf der Opernbühne eröffnet hat.

Mathias Hartmanns Stärken liegen in der gut gearbeiteten Dialogregie, die den teils umständlichen Sätzen Farben und Gewicht gibt. Mit den Musiknummern allerdings weiß er weniger anzufangen und so bleibt es den Darstellern doch meist selbst überlassen, ihre langen Arien mit innerem Leben auszufüllen. Sehr ärgerlich ist bereits in der Ouvertüre der laute Lärm der Bühnenarbeiter und Kulissen bei einem Umbau, wo das Orchester noch vor der Schlussapotheose im Piano verweilt.

Dann sieht man neben einem drohenden Wald (Bühne: RAIMUND ORFEO VOIGT) ein Leuchtstoffröhren-Strichhäuschen, offenbar ein Wirtshaus, dass den Zuschauer mehr blendet und heller erleuchtet bleibt als jedes Gesicht der Sänger im ersten Bild. So können sich die Figuren nur mühsam quasi im Gegenlicht herausschälen. Gespielt wird ab jetzt gerade am Stück entlang, auch kostümlich sehr folkoristisch (Kostüme: SUSANNE BISOVSKY und JOSEF GEIGER). Agathes Gemach ist wieder aus Neonleuchten gezimmert, in der Wolfsschlucht wird es naturalistischer mit Trockeneis und herumtollenden  Gnomen. Eine fast etwas biedere, in jedem Fall konventionelle Arbeit Hartmanns, immerhin handwerklich solide.

 JULIA KLEITERS Agathe ist mit prachtvoll, in der Höhe leuchtender Stimmgebung ein Ereignis. Ihre hohe Musikalität verleiht den Phrasen Geschmack und ihr unaufdringlich, aber einnehmend- natürliches Spiel lässt sie zum Zentrum der Aufführung werden. Ihr Bräutigam Max (MICHAEL KÖNIG) ist weniger ausgeglichen und sein introvertierter, lyrischer Tenor kommt in den Ausbrüchen der Arie an Grenzen. Spielerisch zieht er sehr den Verlierer von Anfang bis Ende durch, ein Aufbegehren gegen das verhängnisvolle Schicksal ist wenig zu erkennen. Einen polternd- rabaukigen Kaspar mit viel Naturstimme gibt GÜNTHER GROISSBÖCK, szenisch sehr wendig und kraftstrotzend. Vokal wäre weniger manchmal mehr, um nicht ins Forcieren zu verfallen.

EVA LIEBAU ist ein versiertes Ännchen, die in ihren Arien durch die lauen Ideen des Regisseurs etwas hängen gelassen wird, die Partie aber stimmlich souverän meistert.

In den mittleren und kleinen Partien dominiert STEPHEN MILLING als wuchtig-sonorer Eremit (im lächerlich wirkenden, gleichschenklich-zerissenen Klausnerkostüm). Als Figur ist der Ottokar von MICHAEL KRAUS  ein fader Hampelmann, aber er singt ihn wohltönend mit starker Höhe. Schwierigkeiten in seine Stimme und seine Artikulation zu finden hat der noch junge TILL VON ORLOWSKY als Bauer Kilian, während FRANK VON HOVE mit Textdeutlichkeit und väterlicher Noblesse ein hervorragender Kuno -und auch Samiel- ist.

Die Akademiesolistinnen sind gutstimmige Brautjungfern, die wie so oft, etwas herumalbern sollen, der Haus- Chor bemüht sich um die deutsche Diktion meist erfolgreich.

MYUNG-WHUN CHUNG am Pult der Orchesters der Scala leitet umsichtig und stilsicher. Manchmal wünschte man sich mehr Zielfindung bei Phrasierungen und auch kantigere Expressivität dieser frühromantischen Klangexperimente.

Dass das Stück Italien so schwer erreicht, wird auch an der Reaktion diesmal deutlich.

Maue Zustimmung; kaum schaffen es die Solisten, vor dem geschlossenen Vorhang noch durchtreten zu dürfen. Die Publikumsstimmung an der Scala zu feurigeren Reaktionen zu bringen, ist bekanntlich schwierig, aber diesmal war das ein teilnahmsloser Applaus.

Allein wegen der außergewöhnlich, hochkultiviert singenden JULIA KLEITER aber lohnt sich dieser Abend in Mailand.

Christian Konz

 

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