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MIKULOV: TRISTAN UND ISOLDE. Premiere

18.08.2020 | Oper


„Tristan und Isolde“/ 1. Akt. Foto: Sieglinde Pfabigan.

Mikulov am 15.8.2020 : „TRISTAN UND ISOLDE“ – Premiere

Die verschobene Premiere forderte den Mitwirkenden gute Nerven ab. Schon mitten im 1. Akt, noch Ehe Tristan der Einladung Isoldes zur Sühne für „ungebüßte Schuld“ Folge leisten konnte, musste abgebrochen werden. Nach fast einstündigen feuchtigkeitsbedingten Unterbrechung kam es endlich zum „Sühnetrank“. Im 2. Akt passierte das Nämliche nach der Szene Isolde-Brangäne. Das Tag-Nacht-Gespräch war vernünftigerweise von vornherein nicht eingeplant. Man setzte fort mit „O sink hernieder Nacht der Liebe“, für die das Ambiente keinen wirklichen Rückhalt bot, denn diese ganz verinnerlichte Zweisamkeit der Liebenden, die ausschließlich im Geist- und Seelenbereich existiert, verträgt keine banalen Störungen von außen. Der Auftritt Markes mit Gefolge verkraftete die Umstände besser und der 3. Akt blieb ohnedies nur ein Fragment.


„Tristan und Isolde“/ 1. Akt. Foto: Sieglinde Pfabigan.

Die Sänger waren demnach nicht zu beneiden. Aber was sie dennoch zuwege brachten, bewies ihre hochgradige Professionalität.

Martina Serafin hatte bereits bei der Generalprobe die gesamte Isolde nicht nur technisch perfekt, sondern auch wunderschön und ausdrucksstark gesungen und legte bei der Premiere nun ein faszinierendes Zeugnis ihres sängerdarstellerischen Könnens ab. Zusammen mit der Brangäne von Hermine May, die ihren noblen, frei strömenden Mezzo ebenso expressiv einsetzte, baute sich zunehmende Spannung auf. Die Haltung der Königstochter und das passende  Zusammenspiel der beiden Damen ließen einen die emotionale Situation auf dem Schiff in Richtung Cornwall gut verstehen.

Nach der Unterbrechung kam es zu einer spannenden Aussprache zwischen Peter Svensson und Martina Serafin. Der Tenor brachte seine doppelbödigen Argumente zwischen „Sitte“ und noch verborgen gehaltener glühender Liebe ebenso durchsichtig, mit klarer, fester Stimme und Hintergründigkeit zu Gehör, bis die beiden nach dem Trank endlich alle gutbürgerlichen Reserven fahren ließen und einander in die Arme sanken. Das 1. Akt-Finale litt wieder ein wenig unter dem Gesang des kleinen Chores, der nun wirklich dem entrückten Paar keinen würdigen Empfang bereitete.

Peter Svensson beklagte im Gespräch nach der Aufführung, dass die Unterbrechungen seiner Stimme sehr zugesetzt hatten, sodass er sich mit dem Liebesduett wirklich plagen musste. Auch bei Martina Serafin stellten sich, vor allem in den fortissimo-Passagen, angestrengte hohe Töne ein, die man bei der Generalprobe nicht gehört hatte. Die Identikation mit ihren Rollen blieb bei beiden ungebrochen.


Peter Svensson, Martina Serafin. Foto: Gesine Görlich-Fletzberger / Weinviertler Festspiele

Unglaublich, wie gut das Orchester unter Matthias Fletzberger spielte! Wenn wir es nicht gewusst hätten – niemand hätte gedacht, in welch kurzer Zeit sie ausgerechnet dieses anspruchsvolle Stück erlernt hatten. Nicht nur im Liebesrausch, sondern vor allem in den leisen, besinnlichen Momenten und Szenen hörte man mit Vergnügen in das Spiel der einzelnen Instrumente hinein. Und auch in der Marke-Szene riss die Spannung nicht ab.

Dafür sorgte – mit Zittern erwartet – natürlich auch Günther Groissböck. Ein wahrer König! Nach Melots (Thomas Markus) eifersuchtsbedingter Ankündigung, Tristan in offener Tat ertappt zu haben, waren wir mit Markes „Tatest du’s wirklich?“ wieder in einer anderen Welt. Die hielt uns bis Aktschluss in Bann. Und bezeugte, dass es sich um ein schmerzlich-schönes Drama handelt. Was alles sich zwischen Marke und Tristan im Lauf der Jahre abgespielt hatte – man nahm es ergriffen zur Kenntnis. Und noch nie habe ich die Worte „Da kinderlos einst starb sein Weib …“ so persönlich berührend gehört. Mann sinnierte, was ihm bereits seine erste Frau bedeutet hatte. Und dann „Dies wundervolle Weib“, dessen starke Gefühle offenbar durch die Liebe zu Tristan inensiviert wurden… Und Worte wie „dort, wo am weichsten, zart und offen, würd‘ ich getroffen…“ sagten auch vom edlen Stimmklang her große Gefühle aus. Zuletzt, nach dem Verzweiflungsausbruch mit gewaltiger Bassstimme („Warum mir diese Hölle?“) wurde die Frage nach dem „unerforschlich tief geheimnisvollen Grund“ gleichsam zu einer Inhaltsangabe der gesamten Oper.
Die folgende Aussprache Tristans und Isoldes geriet danach fast in den Hintergrund. Und die vordergründige Selbsttötung Tristans mit Melots Schwert (die ich nie ausstehen konnte) nahm dem Aktschluss die Noblesse, die der König so überreich aufgebaut hatte.


Thomas Markus, Peter Svensson, Thomas J. Mayer, Martina Serafin, Günther Groissböck, Hermine May. Foto: Gesine Görlich-Fletzberger/ Weinviertler Festspiele

(Zur Erinnerung: In Wagners Regianweisungen heißt es: „Als Melot ihm das Schwert entgegenstreckt, läßt Tristan das seinige fallen und sinkt verwundet in Kurwenals Arme.“)

Nach einer kurzen Applauspause wurde sogleich das Vorspiel zum 3. Akt und dann das gesamte Finale gebracht. Dadurch kam der arme Kurwenal-Sänger leider ins Hintertreffen.  Von dem temperamentvollen und sehr ex pressiv singenden Thomas Johannes Mayer hätte man gern mehr gehört und gesehen. (PS. Aleš Briscein hatte zu Beginn als junger Seemann „aus der Höhe“, d.h. auf dem Dach des Bühnengebäudes stehend wieder auf sich aufmerksam gemacht.)

Peter Svensson konnte in Tristans letzten hochemotionalen Visionen von der nahenden Isolde nochmals seine volle heldentenorale Strahlkraft zeigen. Und Martina Serafin berührte mit ihrem finalen „ertrinken, versinken – unbewusst – höchste Lust!“ einmal mehr als große Sängerdarstellerin.

Sieglinde Pfabigan

 

 

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