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MEININGEN/ Staatstheater: DIE FLEDERMAUS

14.02.2024 | Operette/Musical/Show

MEININGEN: DIE FLEDERMAUS
11.2.2024 (Werner Häußner)

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Foto: Christina Iberl

Die Flattertiere der Gattung Chiroptera verharren normalerweise in tiefem Winterschlaf, wenn auf den Bühnen der Welt die musikalischen Biotope für das wohl berühmteste Exemplar unter den Fledermäusen abgesteckt werden: Johann Strauß ist der Garant für den gern goutierten Silvesterspaß, bei dem freche Freier und ein frivoler Frosch um die Gunst des Publikums buhlen. Dass die Witze vom fidelen Gefängnis bis zum „Damänihrchän“ längst abgestanden sind – geschenkt. Ihre Wiederholung macht irren Spaß, vor allem, wenn die Darsteller davon überzeugen können, alles wirklich ganz ernst zu meinen.

Die „Fledermaus“ in Meiningen also nicht bloß als Silvestergaudi, sondern als glamourösen Jux zum Karneval. Das passt, geht es doch um einen aufwändigen Maskenball, veranstaltet von einem noch halben Knaben mit dem Frustrationslevel eines Lebegreises. Aber was sich bei Orlofsky trifft, ist nicht etwa eine harmlos ausgelassene Feiergesellschaft, sondern das ausgesuchte Personal einer noch ausgesuchteren Intrige. Ziel ist die „Rache einer Fledermaus“ und eine Blutzufuhr für die ausgetrocknete Existenz des jungen Prinzen, der nicht mehr lachen kann.

In Meiningen hat Georg Schmiedleitner einen mondänen Spaß inszeniert, der mit geschicktem Handwerk die Situationen ausreizt, ohne die Grenzen der Operette in lehrhaftem Eifer oder intellektuellem Erkenntnisehrgeiz zeigefingererhoben in die Anstrengung zu verschieben. Er verlässt sich weder auf seichten Klamauk noch auf elaborierte Konzepte, spannt die „Fledermaus“ nicht als Leittier missverstanden harmlosen Vergnügungstheaters ein, zerschlägt das k.u.k. Hofporzellan aus der Strauß’schen Manufaktur aber auch nicht in unkittbare Inszenierungsscherben. Alle Aktion hat, was die alkoholgetränkte Nacht beim russischen Adligen vermissen muss: das rechte Maß.

Und während sich die ahnungslos in die Intrige verstrickten Gäste des Festes vor dem Sechs-Uhr-Schlag der Uhr im seligen „Duidu“ suhlen, wird schon der Coup zur „Rache einer Fledermaus“ vorbereitet. In einem zugigen, brettervernagelten Gefängnis erklärt man den Champagner zum Schuldigen und löst alle Konflikte in verdrängungsseligem Einverständnis. Ob die Opfer des Doktor Falke, der einst im Fledertier-Kostüm den Spott der Bürgergesellschaft ertragen musste, mit ihren künftigen Rollen d‘accord gehen, bleibt offen. Schmiedleitner vermeidet den finalen Fingerzeig, aber er lässt eine Ratte mit unheimlich glimmenden Augen mittanzen – ein Fremdkörper, der einem Moment der Irritation auslöst. Trotzdem darf alles leicht und in der Schwebe bleiben. Karneval ist ernst, aber nicht todernst.

So spielt das häusliche Glück der Eisensteins, von den tenoralen Attacken eines offenbar noch nicht ganz „Verflossenen“ (Alex Kim als stimmfester Alfred) unterbrochen, im herzigen Rosa eines Schlafzimmers, in dem die „Ratten“ von den Wandbildern herab grüßen. Für den Ball bei Orlofsky findet Stefan Brandtmayr dann eine Bühne zwischen düster-grünschimmernder Hölle, in der offenbar eine riesige Spinne ein leuchtendes Netz bewohnt, und den Accessoires der feinen Gesellschaft, der ein einsamer Kristalllüster Licht spendet. Cornelia Kraske steckt den feierwütigen, solid singenden Chor in schrille Abendroben, deren schillernde Stoffe hintersinnig mit traditionellen Schnitten kokettieren.

Bei der „Künstlerin“ Ida – der herrlich aufdrehenden Dorothea Böhm – hat das Septett der Meininger Maske bei der Haarpracht ganze Arbeit geleistet; Schwester Adele – Monika Reinhard mit zunehmender Lockerheit das Profil in griech’schem Styl preisend – steckt im viel zu pompösen Kleid ihrer „Gnädigen“. Dieselbige, als ungarische Gräfin getarnt und von Gesche Geier als Gast mit einem veritablen Csárdás beglaubigt, entwindet sich als rote Schlange mit Feuerhaaren den Zudringlichkeiten ihres Gatten (Markus Francke, ebenfalls ein Gast), dem man den Biedermann eher abkauft als den Roué. Eine leichte Beute für Shin Taniguchi, ein Doktor Falke, feucht schillernd wie ein Reptil, das sich zum Conferéncier gehäutet hat.

Johannes Schwarz als nahezu alkoholvergifteter Frank und Tobias Glagau als wacker stotternder Advokat ergänzen das Ensemble, in dem alles reibungslos Hand in Hand läuft. Thorsten Merten meidet als Frosch originalsüchtigen Schmäh, bearbeitet mit trockenem Witz eine soeben vom Ministerium gelieferte Wärmepumpe, walzt seine Szene nicht aus und bleibt bis auf ein paar harmlose Bemerkungen sorgsam unpolitisch. Wer vor der Vorstellung im Zug nach Meiningen die Polit-Tiraden zweier offenbar AfD-affiner Bahnangesteller mithören musste, kann erahnen, warum in Meiningen das große Besteck politischer Satire eingepackt bleibt.

Aufhorchen lässt die Meininger Hofkapelle, in deren entschiedenem, aber flexiblem Spiel und in der solistischen Sorgfalt von Bläserstimmen man die gestaltende Hand des jungen, neuen GMD Killian Farrell vernehmen dürfte. Dirigiert hat die besuchte Vorstellung der ebenfalls neue Chordirektor Roman David Rothenaicher, ausgebildet am Salzburger Mozarteum und offenbar mit einem Händchen für die lässige Eleganz der Johann-Strauß-Melodien nach Thüringen gekommen. Keine Operettenschlamperei, sondern eine ernst genommene Partitur – genau das garantiert den Spaß an der Musik, den die Hofkapelle diesmal – alles andere als im Winterschlaf – in üppigem Maß verströmte.

 

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