Meiningen: Die Feen von Wagner, 15.9. 2023 Prem. Nach(t)kritik
Das Meininger Theater bringt seit längerer Zeit erstmalig Die Feen, Wagners 1.grosse romantische Oper heraus. Sie wurde seit der UA 1888 zwar nachgespielt, geriet danach aber bis in die 90er Jahre wieder fast in Vergessenheit, wozu auch sicher die Linie der Bayreuther Festspiele beitrug, den Kanon der zu spielenden Wagner-Opern bis in die jüngste Zeit zu verteidigen. Nun also werden in Meiningen, wo vor einigen Jahren auch die 2.Oper, das komische ‚Liebesverbot‘ herauskam, mit dem FEEN-Erstling, die im Repertoire befindlichen Wagner Opern komplettiert, für ein eher kleineres Haus eine wahre Bravourleistung. Aber nicht, dass es zustande kam ,sondern wie das Theater diesem zweischneidigen Werk zu Leibe rückte, das ist hier wahrhaft hervorzuheben! Denn es ist ja nicht als eine harmlose Jugendsünde abzutun, sondern in der damaligen Zeit Beethovens Fidelio, Webers Euryanthe oder auch einer der grossen Meeyerbeer-Opern an die Seite zu stellen, ein ebenso hochkomplexes Werk! Ihm kommen hier aber einige Kürzungen zugute, die gemeinsam durch Dirigent Killian Farrell und Regisseurin Yona Kim vorgenommen wurden,um wuchernde Handlungsstränge im Feenreich und in Tramond etwas einzuhegen.
Lena Kutzner, Hakan Tirasoglu. Foto: Christina Iberl
Die musikalische Aufbereitung zeigte von der Ouvertüre an, wie Wagner einfache Eingangsfloskeln durch wuchtige ambitionierte Fortführungen in erstaunliche stupende Bahnen lenken, Übergänge kreieren kann mit solch unerwarteten Schlusspunkten, die sicherlich damals unerhört waren, und von ihm im RIENZI teilweise aufgegriffen wurden. Unter der anfeuernden Stabfuehrung Killian Farrells gibt die Meininger Hofkapelle ein erstaunlich plausibles Geflecht von musikalischen Ideen wieder und setzt sich damit auf unnachahmliche Weise für das Werk ein.
Auch im weiteren Verlauf bringen die Protagonisten Ada und Arindal das Stück zu ungeahnten Höhen und Wendungen, die, wenn auch auf einer konträren Ebene von den anderen Feen vorangetrieben oder den Sachwaltern Tramonds ebenfalls beeinflusst werden, unnachahmlich verbleiben. Auch hat Wagner mit urkomischer Note wie später nie mehr ein Buffo-Paar mit Drolla-Gernot erfunden, die sich plötzlich ihrer Liebe bewusst werden,nachdem sie doch eigentlich so viele Liebhaberinnen un Liebhaber gehabt hätten. Auch hier bringt die Kapelle viel neckisch einfühlenden Verve mit, um so plötzlich umschlagende Gefuehlssprengsel akkurat zu begleiten.
Yona Kim möchte die romantische Feen- und Geisterwelt in einer domestizierten Form nachzeichnen, indem sie sie in eine Art Sanatorium einbindet.Der deutsche Wald ist dort dann auch in den Bildern C.D. Friedrichs gebannt.Arindal also hier als Hölderlin oder Novalis,die ja auch gern als politisch Gescheiterte gesehen werden. Da kann er mit Ada auch immerhin solange zusammenleben, bis er das hier andersherum ausgesprochene Frageverbot aus Lohengrin bricht. Kim inszeniert es dann aber so, dass wenn die Liebenden alle daraus erwachsenden Hindernisse überwunden haben, sie nicht gemeinsam in das Geisterreich mit dem toten Feenkönig eingehen können, sondern Arindal dort allein in der Kammer, wo Ada der Versteinerung entkommen ist verbleibt, und, abgegrenzt von einem Gitter, davor in der Sanatoriumshalle als Sinnbild die Hirschkuh mit dem gesamten Pflegepersonal darum herum, und der wie Arindal am Kopf verwundeten Ada zugegen sind. Auch die neuen Herrscher von Tramond zeigen hier Präsenz.
Arindal schon vorher auch in der Position eines Robert Schumanns, der sich selber am Flügel begleitet. Das wird in der gelungenen Bühne von Jan Freese und in den Biedermeier- und Pflegerinnen- Kostümen von Frank Schönwald ansehnlich vorgeführt.
Chor und Extrachor singen unter dem neuen Chordirektor R.D.Rothenaicher bestens austariert. Den Harald, Arindals Feldherr und gleichzeitig sein Verräter gibt Mikko Jaerviluoto mit rauem Bassbariton. Das Buffo-Paar ist mit Drolla Sara-Maria Saalmann, Sopran und Gernot Johannes Schwarz, Bariton, ganz hinreißend besetzt.
Lora,Schwester Arindals, singt Emma McNairy mit super wildem Sopran, die versucht, ihren politischen.Einfluss, zusammen mit Morald zu festigen. Dieser ist mit Shin Taniguchi mit einem Bariton von erlesenster Sorte besetzt, der seiner Stimme auch immer einige Schauder beizumischen weiß. Deniz Yetim singt die Zemina mit voluminösem aber überbordenden Sopran,während Farzana,Tamta Tarielashvili mit fließendem Wohllaut überzeugt. Feenkoenig ist Hakan Tirasoglu mit seinem kaum zu bändigenden eruptiven Bass.
Der Aridal wird in bestechender Weise von David Danholt interpretiert, indem er leicht schwellende tenorale Bögen,die seine enorme.Leidensfähigkeit widerspiegeln, generieren kann und dabei auch einen beachtlichen Schmelz entwickelt. Nach einer gewissen Anlaufphase kann er dies hohe Niveau über den gesamten Abend halten.
Lena Kutzner stellt ihm dabei als Ada ein entfesseltes Pendant. Auch sie soll ja von ihren Mitfeen von ihrem Weg der Liebe abgebracht werden, aber sie lehnt sich immer wieder dagegen auf mit einem Sopran,der immer in neue Ausdruckssphären vordringt und diese Liebe damit verklärt.
Friedeon Rosen