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Meinhard Rüdenauer: Als Komponist von Kinderopern – mit singenden Tieren in eine andere Welt

22.02.2021 | Feuilleton

Meinhard Rüdenauer: Als Komponist von Kinderopern – mit singenden Tieren in eine andere Welt

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Meinhard Rüdenauer. Copyright: Prof. Simona

Wenig Freude hat die Avantgardemusik der 60er, 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts für Freunde des klassischen Schöngesanges gebracht. Nun, viele Jahr später, hat sich nach wie vor in den diversen Stimmführungen der Komponisten neuer Opern kaum etwas oder nur ein kleinwenig geändert. Wohl expressiv und dynamisch, doch austauschbar wirken die Gesangslinien der in den letzten Jahrzehnten geschriebenen Werke für das Musiktheater. Darf man sich erlauben zu sagen: Damals modern, heute immer noch modern ….. oder wohl eher im Duktus abgestanden, abgenutzt?

Als Komponist hineingewachsen in den damaligen Aufbruch der Nachkriegs-Moderne, mit Pierre Boulez, Luigi Nono, Karlheinz Stockhausen als Gallionsfiguren einer für neue Klänge kampfbereiten Musikergarde, ist es schwer gefallen, war es unpassend, sich in den Illusionen von Traummelodien zu wiegen. Romantischen Zauberklang hat es auf den frisch niedergeschriebenen Notenblättern nicht mehr gegeben. Und der Wiener Operette ist längst schon die Luft ausgegangen. In den späteren Jahren dieser in Glaube auf Aufbruchstimmung, Veränderungen hin orientierten Musikszene setzte auch in Österreich langsam der Boom ein, spezielle Konzertprogramme  und Musiktheater für ein junges Publikum in das kulturelle Angebot aufzunehmen. Und da war schon klar: Alles sollte stimmig ins Ohr gehen, unbeschwert und freundlich wirken, sollte melodiöses Wohlgefühl bei den Kleinen wie den Großen im Publikum aufblühen.

Solches hat sich erstmals 1983 auch der Carinthische Sommer vorgenommen und mit einem exzellenten Team, angeführt von Kurt Pahlen als dirigierenden Musikpädagoge und dem einfühlsamen Hugo Käch als Inszenator, eine extrem große Schar an Kindern und Jugendlichen (diese im Orchester) auf der Bühne des Villacher Kongresshauses mit größter Hingabe und spielerischer Freude singen, tanzen und herumtollen lassen. Herumtollen? Nicht so ganz, diszipliniertes Erarbeiten war den in diesem Sommerkurs bestens betreuten Kindern vorgegeben. Alle, alle als Tiere, alle sind in die Rollen sympathischer Tierchen geschlüpft. Dies hat Spaß gemacht und Eindrücke hinterlassen. Jegliches künstlerische Avantgarde-Denken musste beiseite geschoben werden: Ein Eintauchen in klangschöne Musik und verständlichem Chorgesang war gefordert.

„Zauberbär und Wünschelstimme“ hat es nach den Worten des Kinderbuchautors Ernst A. Ekker geheißen, und die Melodien sowie die Ideen zu solch einem musikalischen Tierzauber hat der Autor dieser Zeilen beigesteuert. Keine große dramatische Geschichte, sondern mit den singenden Tieren hat sich das ganze Haus in eine andere Welt verwandelt. Von Nummer zu Nummer: die blutjungen Darsteller identifizierten sich mit den von der Natur gegebenen Schönheiten der süßen Tierchen. Als Zauberbär musste sich Staatsopern-Bariton Georg Tichy in ein dickes Bärenfell hüllen. Schweißtreibend, doch sehr, sehr attraktiv bei der Erfüllung der Kinderwünsche. Rund um ihn das junge Ensemble bei seinem Ausleben auf der Bühne oder der Bewältigung nicht gar so schlimmer Probleme: Baby Känguruh wird in den Schlaf gewogen, Kätzchen Poppeia träumt vom Besuch des Mondes, Fröschen Breitmaul kämpft mit einem Sprachfehler, Enten ziehen watschelnd und ihre Litanei vortragen vorbei. Im ‚Kärtnar Wetartanz‘ zieht ein Unwetter auf, und im unerwünschten ‚Verkehrssalat‘ bleibt man nun einmal stecken.

Weitere Kompositionsaufträge haben sich durch diesen Erfolg ergeben: Eine Bären-Parade in „Bussi für die Bären“ für die Bregenzer Festspiele im Theater am Kornmarkt 1990 findet ihre Fährten bis zu einer großen Wunschtorte. Und wiederum erklingt ein buntes Tiertreiben mit viel verblüffender Zauberei und einigen anderen Kunststückerln in „Kling Klang Simsalant Hokuspokus Elefant“, 1991 für das Austria Center Vienna und die damals noch umfangreichen Bundesländer Tourneen des Wiener Musikkonservatorium geschrieben. Hier ist man bereits in Richtung Musical gerutscht. Doch mit einigen musikalischen Feinheiten – gar nicht so leicht für die Studierenden zu interpretieren: Chi-Chi-Panda erzählt von politischen Ungerechtigkeiten in Asien auf seiner Reise nach Europa, Eisbärin Icyweissie sehnt sich in ihre Einsamkeit auf den Eisschollen nach leckerem Honig, Kätzchen Poppy zieht ihre freche Show ab, und auch ein Mutziputzischatzikatzi schließt sich dem Zaubersprüche-Chor an. Und in dem Tanzspiel „Les Papillons“ hat die Choreographin June Guaricci für die Matineen der Ballettschule der Österreichischen Bundestheater in der Wiener Staatsoper ihre Eleven wohl mehr zu sylphidischem Schweben anstatt zu fahrigem Geflatter hingeführt.

Ja, ein lebendiges Spiel in der Kostümierung als Tiere öffnet den Kinder das Tor zu Illusionen, zu freiem Denken und zu nachwirkenden Bildern. Es sind keine auf Dramatik oder Turbulenzen hinzielende Stücke, King Kong oder Godzilla haben hier keinen Platz. Keine reißerische Story lockt mit klirrender Elektroakustik. Es soll eine herzliche Musik sein. Einfache Worte und gesangliche Melodien wollen die Phantasie anregen, harmonische Wohlgefühle ansprechen. Ob unser lieber Zauberbär auch wirklich zaubern kann? Wohl eher nicht. Doch er lässt die unbefleckten Kinderseelen sich in den reinen Seelen von Chi-Chi-Panda oder Mutziputzischatzikatzi spiegeln. 

Meinhard Rüdenauer

 

 

 

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