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Max MÜLLER: „Singen ist Spielen mit Stimme“

25.01.2016 | Sänger

Max Müller: „Singen ist Spielen mit der Stimme“

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 © ZDFBavaria Fernsehproduktion/Christian Rieger

 Im Dezember sorgte der Bariton Max Müller mit seinem Weihnachtsprogramm im Musikverein für zwei bis auf den letzten Platz ausverkaufte Konzerte. Auf seine Paraderolle „Michi Mohr“ in den Rosenheim Cops darf man ihn ohne weiteres ansprechen, denn er verdanke der Rolle viel, und … „das Freundliche, Unkomplizierte – des passt ma!“

Ob er zuerst Sänger oder Schauspieler werden wollte und was ihm wichtiger ist, Text oder Melodie, darüber gibt der sympathische Kärntner ebenso Auskunft wie über seine außergewöhnlichen Hobbies.

(Das Gespräch führte Renate Publig)

 

 Herr Müller, was hat Sie zuerst interessiert, Gesang oder Schauspiel, und war ein künstlerischer Beruf Ihr großer Traum?

Beides war mir wichtig: Als Kärntner habe ich schon in frühen Jahren mit meiner Mama bei jeder Gelegenheit gesungen: zweistimmig, dreistimmig, Volkslieder, Kanons, oder „Die Nacht“ von Schubert. Mein Papa war der schauspielerische Typ, als Conferencier ein Unikum mit einer sagenhaften Moderationsgabe, er konnte aus dem Stegreif ein Publikum unterhalten. Nun sammelte ich als Kind Schallplatten mit Märchen in verschiedenen Variationen, dabei interessierte mich der Ausdruck, die Interpretation der einzelnen Schauspieler.

Mit neun Jahren hörte ich von den Spitzbuben eine Parodie auf die Fledermaus und kam so zum ersten Mal mit Johann Strauss in Berührung. Zu Weihnachten bekam ich dann die „richtige“ Fledermaus, mit Anneliese Rothenberger, Nicolai Gedda, Walter Berry, Brigitte Fassbaender – das sind auch bis heute meine Lieblinge geblieben! Meine Liebe zur Operette war geweckt. Als ich im Musikunterricht dann noch Opern kennenlernte, wurde Gesang immer mehr ein Thema für mich: Ich konnte mit meiner hohen Koloraturstimme ganz leicht die „Königin der Nacht“ singen, nach dem Stimmbruch konnte ich eine Counterfunktion dazuschalten. Mit rund 16 hatten wir an der Schule ein Dowland-Ensemble, sangen Werke von Dowland, Purcell und auch Deutsches – ich konnte übergangslos von der Counterstimme in meine jetzige Baritonstimme finden, zur Matura bin ich tatsächlich mit Don Giovanni-Canzonetta angetreten. Damals hat mich wohl auch das Schauspielen interessiert, aber das traute ich mich noch nicht.

Also haben Sie beschlossen, Gesang zu studieren?

Während meiner Bundesheerzeit hatte ich eine hervorragende Gesangslehrerin in Klagenfurt, eine Studienkollegin von Lisa della Casa, da lernte ich die Technik, die ich im Prinzip heute noch anwende; Ich habe nicht die spektakuläre Stimme, aber ich verfüge über 2 1/2 Oktaven, kann Koloraturen singen, beherrsche forte und piano – alles, was ich für meine Programme brauche.

Dann entschloss ich mich zu einem Gesangsstudium an der heutigen Musikuni und erinnere mich noch an die Aufnahmeprüfung: Ich kam als letzter dran, Otto Edelmann saß in der Kommission, und Rita Streich, die für mich der Olymp der Koloratursoprane war. Nach meinem Vortrag – Mozarts Abendempfindung – wurde ich gefragt, welche Stimme ich habe. Ich meinte „lyrischer Bariton“ – da war erst Schweigen in der Kommission. Also setzte ich drauf: „… aber welcher lyrische Bariton wäre nicht gerne ein Tenor?“ Alle lachten und meinten „Ja, das glauben wir ja auch!“ – und das war der Anfang vom Ende: Alle wollten einen Tenor aus mir machen, das funktionierte nicht. In Kärnten sagt man „Die Kurz’n san ned länger!“ So wurde meine Stimme immer kleiner und klang schlechter, also ging ich zu Privatlehrern, bei denen es wieder das gleiche war: Immer nur „Tenor“. Ich lernte Gesangstechniken kennen, von deren Existenz ich nie geahnt hätte!

Wie kamen Sie wieder zurück?

Ich strebte keine große Karriere an, sondern wollte einfach das können, was ich schon einmal beherrschte – daher ging ich zurück zu meiner ersten Lehrerin. Sie riet mir zu einem Gesangslehrer mit großer Opernerfahrung, worauf ich meinem „Papst“ Walter Berry schrieb. Da studierten Angelika Kirschschlager und Hans Peter Kammerer schon lange bei ihm. Ich wurde tatsächlich zu einem Vorsingen eingeladen, vom ersten Moment haben wir uns sehr gut verstanden, und so nahm ich bei ihm drei Jahre Privatunterricht. Berry hat mir technisch diese Feinschliffe beigebracht.

Später hatte ich mein erstes Vorsingen in Mörbisch, das erste, das geklappt hatte. Natürlich rief ich ihn sofort an, das Telefonat dauerte ausnahmsweise sehr lange, sicher eine Stunde; Am Schluss meinte er „Ich möchte, dass Sie sich den Wozzeck kaufen!“ – Für … mich?!? „Ja, das ist was für Sie.“ — Am nächsten Tag war er tot. Wir probten in Klagenfurt gerade „Tod eines Handlungsreisenden“, als mir ein Freund die Nachricht brachte. – Den Klavierauszug habe ich mir natürlich gekauft, die Partie ist darstellerisch ein Traum. Berry hat die Rolle unglaublich angelegt! Er war eine herausragende Sängergestalt mit schöner Stimme und perfekter Technik.

Sie fallen durch hohe Wortdeutlichkeit auf – steht für Sie bei Liedern die Sprache im Vordergrund?

Mein Motto steht auch auf meiner Homepage: Singen ist Spielen mit der Stimme. Anders ausgedrückt, geht es immer darum, den Inhalt zu transportieren: Ein Lied hat eine textliche Aussage, die eine gewisse Emotion vorgibt. Der Komponist, wenn er nicht diametral dagegen geht, gibt seine Sicht des Inhalts wider. Mein Weg geht über diesen Inhalt, die Darbietung muss sprechtechnisch richtig sein. Wenn ich zwischen Stimm- und Sprachtechnik wählen muss, entscheide ich mich dennoch für die Stimmtechnik, weil ein richtiger Stimmsitz eine vielfältigere Modulation ermöglicht. Passt das nicht, wird es eine Bastlerei, in Bayern würde man sagen: „Da kimmst in’ Schmarr’n ’nei.“ Natürlich muss der Text verständlich sein, aber ich bin gegen diese – Verzeihung für den Ausdruck – „Wortspeiberei“. Wenn „jedessss Worrrttt unttt damittt …“ – da kann kein musikalischer Bogen entstehen. Passt der Stimmsitz, können die Stimmbänder schwingen, die Tongebung ist frei – und die Sprache hängt sich an.

Umgekehrt ist im Schauspiel von der „SprachMELODIE“ die Rede, vom richtigen TIMING. Profitiert also auch die Sprache vom Gesang?

Definitiv. Auch hier geht es wieder um richtigen Stimmsitz – da sind wir wieder Berry, der sich stets gegen unnatürliches Sprechen auf der Bühne gewehrt hat. Outrieren ist nicht notwendig, für richtiges Sprechen setzt man eben ein bisschen mehr den Brustregisterbereich ein. – Ich bin ein großer Verfechter der Kopfstimme, mit der Randstimmfunktion der Stimmlippen wird die Stimme obertonreich und gewinnt an Tragfähigkeit … gerade für eine lyrische Stimme besonders wichtig!

Sie haben mit Operette in Mörbisch debütiert – ein Fach, in dem es für Bariton leider nicht sehr viele gute Rollen gibt; Wollen Sie dennoch in dieses Fach zurückkehren?

Für die Operette breche ich tausend Lanzen, es ist mein großer Kummer, dass es für mich nur wenige passende Rollen gibt. Das „Werberlied“ im „Zigeunerbaron“ ist wunderbar, dauert aber rund fünf Minuten. „Gasparone“ ist toll. Der Boni in der „Csardasfürstin“ geht sich auch genau aus. Den Gustl im „Land des Lächelns“ machen einige Schauspieler, das funktioniert ebenfalls. „Lustige Witwe“, der Danilo wäre eine feine Sache!

Und neben der Operette habe ich einen Traum: Der „Mann vom La Mancha“. Und den Valentin im „Verschwender“ würde ich auch noch einmal gerne machen, das ist eine Herzensrolle. Ein bisschen das Fach vom Josef Meinrad …

Sie singen viel zeitgenössische Musik. Was begeistert Sie daran?

Zeitgenössische Musik erschließt sich oft nicht beim ersten Hören, mir kommt vor, in vielen dieser Kompositionen ist der Intellekt stärker betont – so empfindet es auch oft der Zuhörer. Mein Ziel ist es, zeitgenössische Musik mit Inhalt und Emotion zu transportieren, das Werk dem Publikum näherzubringen. Mich zu fragen, was der Komponist empfunden hat, wenn er den Text vor sich hat. Es ist wunderbar, an die Erarbeitung eines neuen Stückes wie ein Edelsteinschleifer ranzugehen! Da sind wir wieder beim Ausgangspunkt, es muss beides stimmen, Text und Musik. Umgekehrt ist auch die schönste Operettenmelodie langweilig und ausdruckslos, wenn man nur in Wohlklang versinkt.

Es muss etwas auslösen, beim Zuhörer und beim Interpreten, im Idealfall bei beiden.

Wenn es bei mir als Interpret nichts auslöst, werde ich den Zuhörer gar nicht erreichen. Mein Beruf ist jedoch zu kostbar, um mich nur auf einer Darbietungsweise auszuruhen, die halt irgendwie passt. Ich bin ein sehr genauer Mensch, fast perfektionistisch. … Nein, ich bin ein Perfektionist. Beim Schauspielen ist es das gleiche: Man muss einmal so richtig intensiv gespürt haben, worum es in der Rolle, in dem Lied „bis ins Eing’machte“ geht, sonst bleibt es oberflächlich.

Das werden dann die austauschbaren Abende, die ganz nett sind, aber es geht nicht an die Nieren.

 Genau. Jedes Wort, jeder Ton passt, und trotzdem geht man als Zuhörer leer raus. Es geht immer um das Hörbar-machen von Emotion, mit meinen Mitteln, stimmlich-musikalischer Natur, über den Stimmsitz, und mit der Schärfe, der Kompromisslosigkeit des Intellekts.

In Ihren Programmen mischen Sie gerne Heiteres mit Nachdenklichem; So gelingt es, das Publikum nicht zu „erschlagen“, jedoch die Zuhörer nach einem befreienden Lachen wieder bereit für Ernstes zu machen. Aber wie geht es Ihnen mit dem Springen zwischen den unterschiedlichen Emotionen?

Wenn das Programm steht, ist das meiste schon „passiert“, denn den eigenen Emotionen begegne ich beim Einstudieren. Teilweise erlebe ich höchste Glücksgefühle, wenn ich ein lebensbejahendes Programm vorbereite – wie wenn man in einen saftigen Apfel beißt. Umgekehrt versenke mich sehr tief in die Emotionen; In Kärntnerliedern gibt es derart tiefe Abgründe, auf die man sich jedoch einlassen muss, bevor man diese Lieder öffentlich singt. „Werst mei Liacht ume sein“ kann ich nicht singen. Und nach zehn Tagen Vorbereitung auf ein Schubert-Programm muss ich zwischendurch Johann Strauss oder Offenbach singen.

Wenn ich das Programm auf der Bühne präsentiere, ist schon alles „durchlebt“. Und wenn es mich wirklich einmal wegtragen sollte, habe ich meine technischen Hilfsmittel, denn in diesen Momenten müssen die da draußen berührt werden, und nicht ich.

Lebensbejahend, heiter – ist das auch ein Grund, warum Sie nun seit so vielen Jahren Erfolg mit Ihrer Paraderolle „Michi Mohr“ haben? Und … spielen Sie die Rolle noch gerne?

 Ganz offen gesagt, gibt es keine Rolle, die mir so viel ermöglicht hat und die mich im Kern so ausmacht wie der Michi Mohr. Warum soll ich etwas machen, was mir überhaupt nicht entspricht? Ich bin in der Schauspielschule oft kritisiert worden, dass ich zu freundlich sei und zu viel lächle. Das passt mir aber! Mein Typus ist vom Wesen her einfach heiter, und – man kann kein blaues Bild malen, wenn man nur rote Farbe hat. Ich wollte unbedingt Hamlet, Richard III und Dramen spielen – und dramatische oder ernste Rollen passen gut! – aber mein Typus ist anders.

Viele Sänger und Schauspieler finden „Bösewichte“ wesentlich interessanter zu spielen!

Spannend finde ich Rollen, die zunächst freundlich anmuten, um dann abgründig zu werden. Das gelingt mir, solche Partien spiele ich gerne. Ich habe einige Nazi-Rollen verkörpert, so richtig mit allem Drum und Dran. Das kommt dann natürlich doppelt bös, ich kann wunderbar losdonnern! Natürlich möchte ich gerne eine richtig abgründige Rolle spielen, eine Facherweiterung ist immer gut. Ich habe in den 30 Jahren so viel Unterschiedliches gemacht!

Bei Ihrer Vielfältigkeit müsste es Sie interessieren, Regie zu führen …?

Stimmt, im Alter von 21 bis 26 hatte ich eine eigene Theatergruppe namens „Ensemble 90“, mit Auftritten im Moulin Rouge. Der ORF, Radio Kärnten war quasi mein erster Arbeitsgeber, für den habe ich einige Stücke inszeniert, beispielsweise „Geschlossene Gesellschaft“ (Satre), „Die Zofen“ (Genet) sowie ein Projekt über die ersten 19 Jahre von Ingeborg Bachmann in Kärnten und ein Trakl-Projekt. Und meine allererste Regiearbeit war ein Projekt mit Professor Heller, den ich in Musikgeschichte hatte, ich sollte Lieder und Texte aus dem 1. Weltkrieg zusammenstellen; Er hat mich gewissermaßen auf meinen jetzigen Weg gebracht, nach wie vor führe ich Regie bei meinen Programmen.

Bleibt bei Ihrem vollen Kalender Zeit für Nichtkünstlerisches? Wie entspannen Sie?

Zum einen sammle ich Tonträger, nicht nur aus dem musikalischen Aspekt, mir geht es um das Sammeln von Editionen. Das Stöbern in Platten- und CD-Läden entspannt unglaublich, natürlich bin ich beim Teuchtler Stammkunde.

Außerdem beschäftige ich mich seit mittlerweile 30 Jahren mit Astrologie. Das habe ich tatsächlich gelernt, und ich bilde mich darin nach wie vor gerne weiter.

Wenn ich wirklich gar nichts mache, träume ich von einem eigenen Garten, den ich mir ein bisschen auf meinem Balkon verwirklicht habe. Im Blumengeschäft meines Vertrauens, „De Martin-Pollack“ in der Burggasse sind Frau De Martin und Frau Pollack meine Gärtnerinnen aus Liebe, die mir bei Pflanzenfragen weiterhelfen.

Und natürlich muss ich mich fit halten, obwohl ich sportlich nicht sehr interessiert bin, daher mache ich 3x täglich 50 Liegestütz, nächstes Jahr werden es 51 … ich bin schon gespannt, wo das enden soll …! Weiters fahre ich bis minus 5 Grad mit dem Rad und verwende keine Rolltreppen oder Lifte.

Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch!

Renate Publig

 

 

 

 

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