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MARTINA FRANCA/Festival della Valle d‘Itria (Teatro Verdi): IL XERSE von Francesco Cavalli

02.08.2022 | Oper international

MARTINA FRANCA/Festival della Valle d‘Itria (Teatro Verdi): IL XERSE von Francesco Cavalli

am 31.7.2022

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Xerse:  Carlo Vistosi. Foto: Clarissa Lapolla/Festival Martina Franca

Das Festival della Valle d‘Itria im apulischen Martina Franca widmet sich seit seiner Gründung(1975) ausschließlich der Entdeckung oder Wieder-Entdeckung („ Erste Aufführung in modernen Zeiten“ war immer ein beliebter und häufig gebrauchter Untertitel auf den Spielplänen) rarer oder selten gespielter Werke.

Seit diesem Jahr ist Sebastian F. Schwarz (in Wien bestens bekannt als künstlerischer Betriebsdirektor im Theater an der Wien und als Programmgestalter an der Kammeroper, seither auch Intendant in Glyndebourne sowie am Teatro Regio di Torino) neuer künstlerischer Leiter in Martina Franca – und hat mit einer seiner ersten Produktionen bereits einen Volltreffer gelandet:

IL XERSE von Francesco Cavalli.

Der Unterzeichnete muss gestehen, dass er in dieser Angelegenheit vollkommen befangen ist, denn er hält Cavalli für einen der zwar frühesten, aber bereits (und vielleicht auch uneinholbar) genialsten Komponisten der Operngeschichte. Und ich – der es zu den größten Glücksfällen meines musikalischen Lebens zähle, Zeitzeuge der Händel-Vivaldi-und Rossini-Renaissance gewesen zu sein – wünsche mir nichts sehnlicher als eine ordentliche Francesco-Cavalli-Renaisssance (die vor ein paar Jahren zaghaft, aber vielversprechend begann.. seither jedoch ein wenig im Sand verlaufen ist…).

IL XERSE – als Uraufführung der historisch-kritischen Ausgabe im Bärenreiter-Verlag – war auf alle Fälle ein Hit. Die musikalische Leitung hatte Schwarz dem Master of Baroque (und mittlerweile auch Herausgeber der historisch-kritischen Vivaldi-Ausgabe sowie Autor mehrerer Bücher über Don Antonio) Federico Maria Sardelli (der erst kürzlich dem Tod von der Schaufel gesprungen ist) anvertraut. Und das ist gut so: denn Maestro Sardelli steuert diese ungemein komplexe Partitur („ Cavalli noch schwieriger als Berio“ sagt er – der es wissen muss) mit sicherer Hand durch die Untiefen des Orchesters und der Sänger.

Das Ensemble ist (wie wir es von Sebastian Schwarz aus Wien gewohnt sind) e x z e l l e n t (und zwar in allen Positionen): zuvörderst natürlich der Countertenor Carlo Vistosi (als Xerse) und Carolina Lippo (als Romilda). Aber auch Ekaterina Protsenko (Amastre), Gaia Petrone (Arsamene), Dioklea Hoxha (Adelante) und Carlo Alemano (Ariodate) befinden sich auf der Höhe ihrer Kunst.

Die Inszenierung stammte von Leo Muscato, einem ziemlich genialen (siehe zB. „La Fuga in Maschera“ von Spontini – als DVD erhältlich) italienischen Regisseur, bei dem man sich garantiert nie langweilt.

Leider treibt er seinen Einfallsreichtum manchmal zu weit. Er hört das zwar nicht gerne…aber das permanente Karikieren und Kabarettisieren der Personen – unterstützt durch die abscheulich-grotesken Kostüme von Giovanna Fioravanti – tut der Sache auf die Dauer nicht gut. Auch seinen an und für sich ganz netten Einfall, „a parte“ – Texte durch Händeklatschen einzuleiten und dann die anderen Personen in „freeze“- Haltung erstarren zu lassen, reitet er bedauerlicherweise durch endloses Wiederholen zu Tode.

Was nicht ausschließt,  dass Muscato – wenn er seinen Gagzwang ganz kurz ruhen lässt – wunderbare Szenen gelingen: die beiden tragisch-lyrischen Arien von Xerse bzw. Rosminda zählen zu den berührendsten Szenen, die man diesen Sommer bei Festivals erleben durfte. Weniger wäre dennoch insgesamt viel mehr gewesen an diesem Abend.

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Das glückliche Ende. Foto: Clarissa Lapolla/Martina Franca Festival

Aber abgesehen davon eine rundum geglückte Produktion, die man gerne öfter gesehen hätte.

Wenn der Cavalli-Taliban in mir wirklich etwas zu bemängeln hätte, dann die Tatsache, dass die Musik von IL XERSE um 2 Stunden gekürzt wurde. Ich für meinen Teil werde nie verstehen, wieso jeder, der es wagte, bei der sechsstündigen Götterdämmerung (die wohl durchaus Kürzungen vertrüge) auch nur eine Fermate zu streichen, an Ort und Stelle sofort zu fränkischer Blutwurst verarbeitet werden würde…während Barockkomponisten diesbezüglich Freiwild sind…

Also bitte: mehr Cavalli ! den ganzen Cavalli !! Aber nächstes Mal ungekürzt !!!

 

Robert Quitta, Martina Franca

 

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