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MAROKKOS MAGISCHE KÖNIGSSTÄDTE

13.02.2014 | KRITIKEN, REISE und KULTUR

Marokkos magische Königsstädte, 12. 02. 2014

von Ursula Wiegand

Alle Länder sind stolz, eine Königsstadt zu besitzen. Selbst wenn die Monarchie längst abgeschafft ist, wird sie als kulturelles Erbe gehegt und gepflegt. Marokko hat sogar vier, und eine Rundreise zu diesen Königsstädten wird zum Erlebnis, auch wegen der wechselnden Landschaftsbilder.

Agadir, geprägt von weißen Hotelbauten
Agadir, geprägt von weißen Hotelbauten. Foto: Ursula Wiegand

Viele Touren starten in Agadir, dem auch in Europa beliebten Ferienort am Atlantik. Von dort geht die Fahrt zunächst durch eine rötliche Mittelgebirgslandschaft. Was beim Anflug wie grüne Tupfen auf rotem Grund wirkte, sind die Arganbäume, die nur in Marokko und Teilen Algeriens wachsen. Aus den Samen der Früchte wird das wertvolle Arganöl gewonnen. Für Menschen sind diese Früchte zu bitter. Doch die Ziegen klettern sogar auf die Bäume, um ihrer habhaft zu werden. Die Kerne spucken sie wieder aus.

Arganbaum mit Ziegen
Arganbaum mit Ziegen. Foto: Ursula Wiegand

Marokko ist ein Land des Lichts und der Farben. Gerade an klaren Wintertagen. Von Ferne leuchten die schneebedeckten Gipfel des Atlasgebirges, nahebei zaubert die Sonne Goldtöne auf Städte und Dörfer. Die Minarette der Moscheen, in Marokko nicht rund sondern eckig, ragen in den blauen Himmel.

Rund 200 Kilometer sind es bis Marrakesch, und nicht selten überholen alte Mercedes-Autos unseren Bus. „Die dienen als Taxis für Überlandfahrten, denn die sind unkaputtbar,“ erklärt Reiseführer Abdel in perfektem Deutsch.

Marrakesch, Koutoubiya-Moschee
Marrakesch, Koutoubiya-Moschee. Foto: Ursula Wiegand

Kaum in Marrakesch bannt die rötliche Koutoubiya-Moschee die Blicke. Von ähnlicher Farbe sind auch die Bauten. Aus diesem Grund wird Marrakesch, eine Berber-Gründung im 11. Jahrhundert, die rote Stadt genannt. Rot ist auch die 12 km lange Mauer rund um die Altstadt, die seit 1985 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Durch das schöne Tor Bab Agnaou aus dem 12. Jahrhundert gehen wir hinein und gelangen alsbald zu den Saadier-Gräbern. Erst 1917 wurde in der Kasbah, der früheren Festung, diese gut kaschierte Nekropole aus dem 16. Jahrhundert wiederentdeckt. Sieben Sultane mit ihren Frauen und Kindern hatten dort eine aufwändig gestaltete letzte Ruhestätte gefunden.

Marrakesch, Bahia-Palast, Wand im Innenhof
Marrakesch, Bahia-Palast, Wand im Innenhof. Foto: Ursula Wiegand

Kaum draußen, wird’s lebhaft. Wir sind in der Mellah, dem früheren Judenviertel, zu erkennen an den Balkonen. Hier befindet sich auch der Bahia-Palast. Obwohl erst um 1900 errichtet, vermitteln exquisit gestaltete Wände und üppig bemalte Decken noch das Flair von Tausendundeiner Nacht.

Marrakesch, Gasse in der Medina, a
Marrakesch, Gasse in der Medina. Foto:Ursula Wiegand

Echt Altes verbirgt sich in der Medina. Schmale rote Gassen führen dort zur Medersa Ben Youssef aus dem 14. Jahrhundert. Die gilt als die schönste Koranschule Marokkos und war eine der wichtigsten Lehranstalten der arabischen Welt.

Marrakesch, Datteln und Feigen im Souk
Marrakesch, Datteln und Feigen im Souk. Foto: Ursula Wiegand

Anderes in Hülle und Fülle bieten die Souks. Frische Orangen, getrocknetes Datteln und Feigen, Gemüse und Gewürze, Schaffleisch am Haken, Süßigkeiten und Schmuck, Haushaltswaren, Schuhe und Kleidung aller Art. Diese schillernde Lebendigkeit hat den französischen Modeschöpfer Yves Saint Laurent fasziniert. 1980 kaufte er die Villa Majorelle, wohnte dort oft und ließ sich in Marrakesch zu seinen Kollektionen inspirieren.

Marrakesch, Djemaa el Fna spätabends, II
Marrakesch, Djemaa el Fna spätabends. Foto: Ursula Wiegand

Das Herz der Altstadt und allabendlicher Treffpunkt ist der weiträumige Djemaa el Fna übersetzt: Platz der Geköpften). Von einer Restaurant-Terrasse bestaunen wir das Hin und Her, die Schlangenbeschwörer, Trommler und Gaukler. Bald ziehen Brat- und Kochschwaden aus den Garküchen über den Platz, und viele lassen es sich hier schmecken.

Seit den Zeiten des französischen Protektorats (1912-1956) besitzen Marokkos Königsstädte auch eine Neustadt, La Ville Nouvelle, mit breiten Boulevards und Parks, mit modernen Wohn- und Bürobauten, Schulen, Museen und zahlreichen Hotels.

Blick auf Fès mit Morgensonne, 3
Blick auf Fès mit Morgensonne. Foto: Ursula Wiegand

So auch in Fès, der ältesten, schon im 8. Jahrhundert gegründeten Stadt. Ihre rekordtaugliche 2,8 qkm große Medina ist schon seit 1981 ein UNESCO-Welterbe. Von der hoch gelegenen Festung des Südens (Borj Sud) haben wir den besten Blick auf das Häusergewirr mit dem ockerfarbenen Königspalast aus dem 13. Jahrhundert.

Fès, Medersa Bou Inania, Detail
Fès, Medersa Bou Inania, Detail. Foto: Ursula Wiegand

Fès gilt als die blaue Stadt, war sie doch das Zentrum der Gelehrsamkeit. Die führenden Köpfe ihrer Zeit unterrichteten an der bereits 859 gegründeten Qairawin-Universität und in den Koranschulen, wie der Bou Inania. Jahrhundertelang war Fès der geistige Mittelpunkt Marokkos und darüber hinaus.

In der Medina, wo rund 400.000 Menschen wohnen, ist Autofahren verboten. Mit Eseln und Maultieren transportieren die Händler ihre Waren. Das Gassengewirr ist wie gemacht zum Verlaufen. Abdel hat noch einen Begleiter engagiert, damit niemand von uns verloren geht. Auch auf unsere Taschen sollen wir aufpassen, rät uns der.

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Fès, älteste Gerberei. Foto: Ursula Wiegand

In el Bali, dem ältesten Teil, wird traditionelles Handwerk (mit staatlicher Unterstützung) besonders gepflegt, so zu sehen in der angeblich weltältesten Gerberei, wo die Häute wie eh und je deutlich riechbar bearbeitet und gefärbt werden. In Bottichen, dicht bei dicht, schillern die Farben. Hier zu arbeiten, dürfte nicht gerade gesund sein.

Gesund sind dagegen die Preise und sicherlich für die Touristen kalkuliert, die in dem mehrstöckigen Lederladen zum Kaufen gedrängt werden. Uns gefällt dieses Gehabe nicht, nur einige Japanerinnen ziehen mit bunten Handtaschen von dannen.

Im großen Teppichgeschäft ist man weniger aufdringlich, doch einheimische Kunden sind dort ebenso wenig zu sehen wie bei den Ziselierkünstlern.

Unbenannt
Fès, Königspalast Dar el Makhzen. Foto: Ursula Wiegand

Voller Stolz weisen sie jedoch auf ein Foto an der Wand. Einer von ihnen durfte die sieben Tore des Königspalastes neu dekorieren. Über ein Jahr hat er an den güldenen Arabesken gearbeitet.

Meknès, Bab-al-Mansour, 2
Meknès, Bab-al-Mansour. Foto: Ursula Wiegand

Meknès, die dritte im Bunde, liegt in einer fruchtbaren Gegend und wird die grüne Stadt genannt. Nur von 1672-1727 war sie als Residenz von Sultan Mulai Ismail eine Königsstadt. Der Herrscher entfesselte einen Bauboom, zehntausende Sklaven mussten für ihn schuften, mit 500 Frauen soll er 888 Kinder gezeugt haben. Sein riesiger Palast wurde durch ein Erdbeben zerstört, erhalten blieb jedoch das kachelgeschmückte Bab-al-Mansour, das wohl schönste Stadttor Marokkos.

Volubilis, ehemalige Römerstadt, 1.Jh. n.Chr.
Volubilis, ehemalige Römerstadt, 1.Jh. n.Chr. Foto: Ursula Wiegand

Nahe Meknès hatten sich, die Naturressourcen nutzend, bereits die Karthager und nach ihnen die Römer angesiedelt. Deren Stadt Volubilis aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. – zwischen 1920 und 1970 wieder ausgegraben – hatte in ihrer Blütezeit 20.000 Bewohner. Dort herrschte Wohlstand, wie die Bodenmosaike erkennen lassen. Ein Ort zum Zurückträumen.

Volubilis, Römerstadt, Bodenmmosaik
Volubilis, Römerstadt, Bodenmmosaik. Foto: Ursula Wiegand

Eine weitere Überraschung nahebei ist das Bergstädtchen Mulay Idris, Marokkos bedeutendster Pilgerort, den Ausländer erst seit dem Abzug der Franzosen betreten dürfen. Mittelalter-Ambiente mit Lasten tragenden Eseln, aber mit einer Bank zum Geldtauschen. Ungestört schauen wir uns um, nur die Grabstätte von Mulay Idris, der als Heiliger verehrt wird, ist für Nicht-Muslime tabu.

Der Kontrast dieses abgelegenen Städtchens zu Rabat, seit 1956 die Hauptstadt Marokkos und Residenz des seit 1999 amtierenden Königs Mohammed VI, könnte größer kaum sein. Gemeint ist damit die von den Franzosen errichtete Neustadt mit zahlreichen Bauten im Art Deco Stil.

Rabat, im Regierungsviertel
Rabat, im Regierungsviertel. Foto: Ursula Wiegand

Aufs Feinste gepflegt präsentiert sich der riesige Regierungsbezirk. Rabat ist die weiße Stadt, und schneeweiß ist auch das Mausoleum, das Hassan II – Marokkos König nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit – für seinen Vater Mohammed V errichten ließ. Von der Vergangenheit kündet hier noch ein stumpfer Turm, die Reste eines Minaretts aus dem 12. Jahrhundert, das Wahrzeichen der Stadt am Atlantik.

Rabat, Medina in blau-weiß
Rabat, Medina in blau-weiß. Foto: Ursula Wiegand

Sein Blau findet sich in der stillen, am Berg gelegenen Medina wieder. Enge Gassen, mit blau-weißen Wänden, Häuser mit königsblauen Holztüren. Zum Malen schön.

Nach dem Parcours durch die Königsstätte reißt uns Casablanca, die 4 Millionen Einwohnerstadt und größter Hafen des Landes, aus allen Träumen. In dieser geschäftigen Arbeiterstadt weht der Wind in jeder Beziehung rauer.

In Erinnerung an den Film „Casablanca 2 ins Rick’s Café gehen? Nicht unbedingt. Der berühmte Streifen mit Ingrid Bergmann und Humphrey Bogart wurde in Hollywood gedreht. Das hiesige Rick’s Café ist nur eine gut gemachte Kopie.

Casablanca, Moschee Hassan II mit dem Minarett
Casablanca, Moschee Hassan II mit dem Minarett. Foto: Ursula Wiegand

Weit lohnender ist der Besuch der Moschee Hassan II, ein 9 Hektar umfassendes, mutig ins Meer hinein gebautes Ensemble. Nach nur 7 Jahren Bauzeit war das durch Spenden der Bevölkerung finanzierte Riesenprojekt, konzipiert vom französischen Architekten Michel Pinseau, fertig und wurde am 30. August 1993 eingeweiht. Es umfasst die Marmormoschee für 20.000 Gläubige, den 60.000 Menschen fassenden Vorplatz, das 172 Meter hohe Minarett sowie die Nebengebäude (Koranschule, Bibliothek und Museum).

Casablanca, Moschee Hassan II, Nische, 4
Casablanca, Moschee Hassan II, Nische. Foto: Ursula Wiegand

Ständig gehen Fromme zum Beten hinein, doch zu bestimmten Zeiten werden auch Führungen für Besucher geboten. Auf dem weitem Vorplatz geben sich die Marokkaner ganz ungezwungen. Kleine Mädchen füttern die Tauben, Jungs radeln oder skaten, während einige Frauen in den mit Keramikfliesen geschmückten Nischen die Sonne genießen. Hier wird auch Casablanca zum Genuss.

Infos: zahlreiche Veranstalter bieten Busrundreisen zu den Königsstädten an. Ich habe bei Jahnreisen (DER-Gruppe), gebucht (www.jahnreisen.de).

Wir hatten stets saubere Hotels und schmackhaftes Essen. Auch bei individuellen Erkundungen wurde ich nie belästigt oder bestohlen und habe Marokko als ein angenehmes Reiseland erlebt.

(Ursula Wiegand) 

 

 

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