Marilyn Monroe in Memoriam – zum 50.Todestag ( gestorben am 5. August 1962) – Merker-Mitarbeiterin Manuela Miebach interviewte Bruno Bernard im Jahr 1983
„Wenn man mit dem, was die Welt Sex-Appeal nennt, geboren ist, kann man sich damit entweder vernichten oder ihn zu seinem Vorteil verwenden.“
Heilige oder Hure, ausgebeutetes Waisenkind oder geldgierige Sexbombe, rücksichtslose Karrierefrau oder manipulierter Star
und zuletzt Selbstmordopfer ihrer Depressionen oder Mordopfer einer politischen Mafia? Über den Menschen Marilyn wusste mein Entdecker, Mentor und jahrelanger Freund Bruno Bernard (Bernard of Hollywood) ganz andere Geschichten zu erzählen, als über die vielen Spekulationen und Gerüchte die im Laufe der Jahrzehnte über die Monroe medial verbreitet wurden.
1983 in Palm Springs im Haus von Bruno, 1.Interview über Marilyn.
Ich lernte Bruno Bernard Ende der sechziger Jahre über meine Berliner Film- und Fernsehagentur Traute Bengen kennen, und
nach einem persönlichen Kennenlernen mit eines der größten Glamour – Fotografen Hollywoods, lud man mich zu einem
Photo-Shooting nach Mallorca ein. Seit dieser Zeit verband uns eine jahrzehntelange Freundschaft, wo ich nach mehreren Treffen in Berlin, Hamburg und München Bruno unter anderem auch in den achtziger Jahren in Palm Springs (California) besuchte.
Bruno Bernard mit Marilyn Monroe.
Bernard of Hollywood zählte mit zu den ersten Entdeckern der Monroe und konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie am 24.Juli 1946 ein hinreißend schönes junges Ding, mit einem verdammt kurzen Rock und einem hautengen roten Rollkragenpullover in sein Fotostudio am Sunset Strip
hereinkam, und ihn mit einer Flüsterstimme fragte: „Mr. Bernard, could you take a few sexy pictures of me? “
„Warum wollen gerade sie Sexy – Fotos haben, wo sie doch eher dem natürlichen, netten Mädchen von nebenan, entsprechen?“ erwiderte Bruno. Denn sie entsprach, abgesehen von ihrer Figur, so gar nicht dem sexy Typ oder dem eines Vamps wie Lana Turner. Ihre Haare waren hellbraun, ihr Gesicht erstrahlte in mädchenhafter Unschuld, ihre Nase war eher breitflächig – und wenn sie ihren Mund öffnete, verscheuchte ihre Fistelstimme auch den letzten Anflug eines männermordenden Vamps.
Andererseits hatte Marilyn eine Vitalität, gepaart mit einer entwaffneten Naivität, der sich kaum ein Mann entziehen konnte. In ihrer Anziehungskraft lag natürlicher Sex-Appeal, den die vollschlanke und kindhafte Frau ausstrahlte.
Bernard of Hollywood entschloss sich, einige Aufnahmen von der noch unbekannten Norma Jeane Mortensen zu machen.
Sie, die den großen Traum ein großer Filmstar zu werden, schon als Zehnjährige bereits im Waisenhaus in der El Centro Avenue in Hollywood geträumt, posierte das erste Mal vor Brunos Kamera.
Sie war mit überschäumender Begeisterung bei der Sache. Modell stehen war für die noch unbekannte Norma Jeane keine Arbeit, sondern offensichtlich ein Vergnügen, eine Spielerei, bei der sie wie ein ausgelassenes Kind vor Lebensfreunde sprudelte und mit ihrem natürlichem Lachen, noch weit entfernt von den plastischen Puppen und künstlich erzeugten Hollywood-Schönheiten war.
Marilyn Monroe 1946.
Die damals gerade erst Zwanzigjährige, am 1.Juni 1926 in Los Angeles geboren, war noch nicht verdorben durch die Hollywood-Maschinerie, die aus Intrigen, Gerüchten, Spekulationen und Machenschaften bestand.
Natürlich wollte Bernard of Hollywood diese Kind-Frau nach dem ersten Foto-Shooting zu einer weiter gefächerten Fotositzung animieren, und so posierte sie für die ersten Bikinifotos, auf denen sie auch zum ersten Mal ihre betörenden Kurven provozierend zur Show stellte.
Die ersten Pin-ups, die Bruno von Marilyn aufnahm, waren von Anfang an ein sensationeller Erfolg bei Presse und Publikum. Doch als Covergirl Karriere zu machen, das allein genügte der damals Zwanzigjährigen nicht. Denn sie wollte unbedingt eine große Schauspielerin werden. Eine Schauspielerin, die nicht nur ihren Körper auf den Titelseiten von Männermagazinen präsentierte, und deren Fotos an den Spinden amerikanischer Soldaten hingen, sondern im Inneren ihres Herzens, wünschte sie sich die ernsten dramatischen Rollen eines Tages spielen zu dürfen. Marilyn liebte es, sich nicht nur in die verschiedensten Charaktere zu verwandeln, sondern war auch ein menschliches Chamäleon, das sich zum Selbstschutz ihrer Umgebung anpasste.
Denn sie schämte sich ihrer Kellerkindvergangenheit. Sie, das uneheliche Kind einer Filmcutterin, die die meiste Zeit in einer Nervenheilanstalt verbrachte und deren Eltern und Bruder im staatlichen Irrenhaus Norwalk an Schizophrenie starben, lernte früh auf sich selbst gestellt zu sein und sich behaupten zu müssen.
Eine Reihe von Pflegeheimen und die Einweisung in ein Waisenhaus waren ihr Kindheitsmilieu. Mit 16 Jahren flüchtete sie in eine Ehe und heiratete den Flugzeugmechaniker und späteren Polizisten James Dougherty. Sie selbst arbeitete als Hilfskraft in der Montageabteilung einer Rüstungsfabrik, in der sie zum ersten Mal als Fotomodell 1945 für die Frontzeitung der U.S. Army posierte.
Dort begann bereits ihre Karriere, durch die sie durch die erste Zusammenarbeit mit Bruno Bernard genau ein Jahr später zu einem der beliebtesten Pin-up-Girls in Hollywood wurde.
Ihre nicht gerade glückliche Kindheit versuchte sie durch die Suche um ein neues eigenes Ich zu verdrängen.
Diese Suche nach Selbstverwirklichung und Berühmtheit, war ihr einziges Ziel. Wobei Marilyn sogar bereit war, ihre Seele an den Teufel zu verkaufen. Sie posierte mit großer Leidenschaft vor der Kamera, nicht nur allein des Geldes wegen, sondern sie liebte es, sich und ihren Körper als eine Art Selbstdarstellung zu präsentieren, um alle Aufmerksamkeiten auf sich zu lenken. Sie glaubte, ihre verletzte und kranke Seele durch die Droge „Ich will geliebt werden und anderen gefallen“ heilen zu können. Ihre narzisstische Veranlagung ist durchaus in ihren traumatischen Kindheitserlebnissen zu suchen, sie war sich auch durchaus ihres Sex-Appeals bewusst, mit dem sie sich auch ins rechte Licht zu rücken wusste. Denn Marilyn verbrachte mehr Zeit in dem riesigen Fotostudio der Fox, als an ihrer geistigen Entwicklung wie auch an der Aussprache und ihren schauspielerischen Fähigkeiten zu arbeiten.
Die Glamour, Stand – und Pressefotografen verknipsten Tausende von Filmen, die in regelmäßigen Abständen an die Weltpresse verschickt wurden. Es war eine ständige Hollywoodpraxis, fast die gesamte Produktion ihrer Durchschnittsfilme durch so genannte „Cheesecake“ oder „Legart-Fotos“ dem breiteren Publikum schmackhaft zu machen.
Marilyns Pin-ups waren bald ein sensationeller internationaler Erfolg bei Presse und Publikum. Und so geschah es auch, das Norma Jeane, nachdem sie alle Aufmerksamkeit der Fotografen und einigen Filmproduzentenauf sich gelenkt hatte, ihren ersten Filmvertrag 1946 von 20th Century Fox erhielt.
Es war ein Einjahresvertrag mit 75 Dollar Anfangsgehalt pro Woche mit einer halbjährigen Erhöhung von 25 Dollar. Dieses Anfangsgehalt war zwar erheblich geringer als ihre Einkünfte als Fotomodell, aber es ermöglichte Marilyn einen freien Schauspiel, Gesangs- und Tanzunterricht in der
studioeigenen Schule, und eröffnete vor allem die Chance, von Regisseuren und Produzenten auf diesem Riesengelände der Fox entdeckt zu werden.
Außer sich vor Freude über diesen Vertrag, sprang Marilyn ihrem damaligen Entdecker, Mentor und Theatermann Ben Lyon um den Hals und Ben schien sichtlich gerührt über die Freudentränen, die diesem jungen unkomplizierten Ding über die Wangen liefen. Er war es auch, der ihren Namen Norma Jeane Mortenson alsungeeignet für ein angehendes Starlet empfand, da er nur schwer einprägsam war, und somit benannte er ihren Namen auf Marilyn Monroe um, der übrigens nicht frei erfunden, sondern von der Großmutter Della Mae Monroe übernommen und zunächst als Künstlername geführt wurde. Gesetzlich wurde dieser Name aber erst 1956 behördlich offiziell anerkannt. Von diesem Moment an war Norma Jeane, die ungeliebte herumgestoßene Halbweise, gestorben! Und Marilyn Monroe, ein glamouröses Filmsternchen, ward geboren, die durch ihre lang gehegten und ehrgeizigen Wunschträume ein Märchen hat wahr werden lassen.
Doch Marilyns Aschenbrödelkarriere war aber auch vielen Zerreißproben ausgesetzt. Im ersten Vertragsjahr bekam sie nur zwei winzige Filmrollen, in denen ihr kurzer Dialog in dem Film „Scudda Hoo! Scudda Hay!“ auf Grund ihrer Fistelstimme herausgeschnitten wurde. Zunächst war sie am Boden zerstört, aber das hinderte sie noch lange nicht daran, mit verbissenem Ehrgeiz an ihrer Schauspielkarriere weiterzuarbeiten. Als im Koreakrieg Marilyn von der Soldatenzeitung „Stars and Stripes“ zur Pin-up Queen gekürt wurde, wuchs der Umfang ihrer Fan-Post bis zu 10.000 Briefen wöchentlich an, sodass das Studio zusätzliche Sekretärinnen und einen eigenen Werbemanager für das publicitysüchtige Sternchen engagieren musste.
Bruno Bernard holte Marilyn zu dieser Zeit oft von ihrem Studio ab. In ihrem klapprigen alten Ford begleitete Bruno sie zu ihrer neuen standesgemäßen Behausung, dem Hollywood-Studio Club am Lodi Place. Marilyn vertraute ihrem väterlichen Freund oft ihre intimste Geheimnisse an.
Ihre ständigen Ängste waren, irgendwann zu versagen, den ständigen Anforderungen einer Hollywoodfabrik nicht gewachsen zu sein, und sie zweifelte immer wieder an ihren mangelnden schauspielerischen Fähigkeiten. Denn schon in der Schule hatte Marilyn die größten Schwierigkeiten, Gedichte auswendig zu lernen und durfte aus diesem Grund auch nie an Schulaufführungen teilnehmen. Ihre weitere Sorge war, mit zunehmendem Alter irgendwann an Attraktivität zu verlieren, und hier mag wohl ihr späterer Regisseur Joe Mankowicz nicht ganz Unrecht gehabt haben, als er in einer Talkshow nach dem Tod von Marilyn behauptete „Es war gut, dass Marilyn Monroe so jung starb, denn sie hätte es nie verkraftet, ein alterndes Sexsymbol zu sein, und wäre wahrscheinlich mit 50 eine stumpfsinnige Alkoholikerin geworden.“
Während ihres ersten Filmvertrages bei 20th Century Fox wurde Marilyn im wahrsten Sinne des Wortes als Pin-up verbraten, als Sexbombe vom Dienst, an deren schauspielerischen Talent man immer wieder zweifelte. Selbst Billy Wilders spätere negative Aussage zu den Dreharbeiten „Das verflixte Jahr“, dass ihre Gestaltungskraft einer einfältigen Sexbiene gleiche, und auch Otto Premingers Aussage während den Dreharbeiten zu „Fluss ohne Wiederkehr“, dass sie ein „Vakuum mit Brustwarzen“ sei, konnten Marilyns Ergeiz nicht erschüttern und ihre unaufhaltbare Karriere nicht mehr aufhalten. Trotz vieler harter Kritik, die Monroe anfangs einstecken musste, erhielt sie nach Auflösung des Vertrages bei der 20th Century Fox über den Filmzaren Harry Cohn 1947 einen neuen Vertrag bei Columbia mit gleichem Anfangsgehalt wie bei der Fox.
Es bot sich die Chance, endlich eine größere Filmrolle in dem Streifen „Ladies of the Chorus“ zu spielen.
Doch der Vertrag bei Columbia war bereits nach sechs Monaten beendet, weil Marilyn mit Harry Cohn nicht allein auf deren Yacht segeln wollte. Doch eines war entscheidend für ihre weitere Karriere: Dass sie bei der Columbia die dortige Schauspiellehrerin Natascha Lytess kennenlernte, die nicht nur für Marilyns weitere Ausbildung verantwortlich war, sondern sie auch auf ihren weiteren steilen, aber schwierigen Weg begleiten sollte. Sie glaubte an Marilyns Schauspieltalent, nahm sie unter ihre Fittiche, und gab ihr nach der Entlassung aus dem Studiovertrag regelmäßig unentgeltlich Schauspielunterricht.
Im Herbst 1947 begannen auch für Marilyn, wie für viele weitere arbeitslose Filmsternchen, nicht gerade rosige Zeiten. Ende September 1948 saß Marilyn recht niedergeschlagen im Studio von Bruno und bettelte sozusagen um einen Job als Fotomodell. Denn sie war schon seit Monaten im Rückstand mit der Miete und konnte auch nicht mehr die Raten fürs Auto bezahlen. Während dieser Arbeitslosigkeit entstanden auch die Aktfotos mit dem berühmten Fotografen Tom Kelly, für die Marilyn für einen Kalender und für ein Honorar von 75 Dollar posierte.
Bruno erfuhr davon erst viele Jahre später, als die Monroe bereits eine bekannte Schauspielerin war und einige große Filme gedreht hatte. Man kann sich ungefähr diesen Skandal in Hollywood vorstellen. Denn eines der striktesten Tabus war Nacktheit. Keine Schauspielerin in Hollywood konnte es sich seinerzeit leisten, dieses Tabu zu verletzen. Viele Jugendsünden der Monroe versuchte man, als sie bereits
berühmt war, zu vertuschen.
Es hätte ungeheure Skandale gegeben und Marilyns Filmkarriere wäre damit schnell beendet gewesen. Viele Jugendsünden, wie man sie auch nennen will, waren bei vielen jungen bekannten oder weniger bekannten Schauspielerinnen doch eher eine Verzweiflungstat. Denn wenn man nicht unbedingt in die Prostitution abrutschen wollte, so war man gezwungen als Aktmodell oder als Pin-up seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Marilyn mit Johnny Hyde 1948 in Palm Springs.
Ein weiterer Mann spielte in Marilyns Leben eine wesentliche Rolle. Johnny Hyde, ein begeisterter Fotoamateur und im Berufsleben Vizepräsident der einflussreichen William Morris – Agentur, sollte Marilyns Leben schlagartig verändern. Er war ein guter Freund von Bruno Bernard und Marilyn lernte ihn zur richtigen Zeit am richtigen Ort in Palm Springs kennen. Nach dem Dilemma mit Marilyns Geldknappheit engagierte Bruno Marilyn für einen Reportageauftrag für ein amerikanisches Fanmagazin, für den die Aufnahmen im Racquet – Club im Palm Springs erfolgten.
Dieser Schauplatz war ein Treffpunkt für alle Stars, für die Reichen und Schönen – und auch dort hielt sich zum selbigen Zeitpunkt Johnny Hyde auf, der beim ersten Anblick von Marilyns Schönheit derart fasziniert war, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebte.
Dieser „kleine Gartenzwerg“ so wie Marilyn ihn zu Anfangs spöttisch bezeichnete, machte seine neue Entdeckung zu seinem Lieblingsobjekt seiner einflussreichen Agentur. Zuerst kaufte er für einen Spottpreis Marilyns Vertrag mit der NCAC auf und schenkte ihr selbst einen teuren Sportwagen.
Dann begann unter ständiger Bewachung seiner Argusaugen der Verwandlungsprozess des „netten Mädchens von nebenan“, indem er Marilyn Monroe in eine Hollywoodsirene verwandelte, was ihn damals eine Menge Geld gekostet hat. Der beste Schönheitschirurg Hollywoods musste jetzt ihre Nase veredeln und ihr Kinn straffen. Die besten Modeschneider gaben Marilyn ein komplett neues Outfit, er stilisierte seine Marilyn vom Aschenbrödel zur Filmprinzessin um, schleifte sie in alle Nightclubs und Filmpremieren nach dem Motto „Sehen und gesehen werden“, versuchte aus Marilyn eine ernsthafte Schauspielerin zu machen.
Dass dieser Mann Marilyn zum ersten Durchbruch verhalf, wurde durch die allgemeine Weltpresse eigentlich immer verschwiegen. Johnny Hyde gab unter seinem Management Marilyn die erste Chance, im Film „Asphalt Dschungel“ (1950) unter der Regie von John Huston mitzuwirken, mit seiner Cleverness handelte er für Marilyn nun einen Siebenjahresvertrag bei der 20th Century Fox aus. Unter diesem neuen Vertrag drehte die Monroe unter der Regie von Joe Mankiewicz, einer der erfolgreichsten Regisseure und Drehbuchautoren der 50er Jahre, den Film „Alles über Eva“ (1950).
Doch die persönliche Tragik für den kleinen großen, ehemaligen russischen Zirkusartisten Johnny war, dass er das erste Todesopfer seiner blonden, mit Sex-Appeal ausgestatteten Liebesgöttin wurde. Denn während ihres über zweijährigem Liebesverhältnis hatte er Marilyn mehrere Male die Ehe angetragen, die sie zur Millionärin gemacht und damit zumindest finanziell abgesichert hätte. Aber sie, die später in dem Erfolgsfilm „Wie angelt man sich einen Millionär“ (1953) spielte, machte in ihrem wirklichen Leben aus ihrem Herzen keine Mördergrube und verzichtete auf dieses überaus großzügige Angebot. Sie gab ihrem Gönner vielleicht ihren Körper, aber nie ihr Versprechen, weil sie sich einfach nicht binden wollte.
Denn Marilyns Ziel war, nicht das Hausmütterchen am Herd zu spielen, sondern einzig die Verwirklichung einer großen Karriere. Dafür nahm sie alle Mühen auf sich, und obwohl sie sich im Inneren ihres Herzens nach Wärme und Geborgenheit sehnte, verzichtete sie zunächst auf ein häusliches Familienleben. Freunde behaupteten damals mit nicht weniger Ironie, Johnny sei an gebrochenem Herzen gestorben. Nach dem Tod von Johnny Hyde sagte Marilyn selbst „Ich liebte Johnny als Mensch, aber nicht als Mann. Er war der erste Mensch, der mich richtig verstand, und ich werde ihn nie vergessen.“ Plötzlich stand Marilyn wieder als das verlassene Waisenkind Norma Jeane da. Denn die Familie Hyde schmiss sie unverzüglich aus der früher mit Johnny gemeinsam bewohnten Villa im hohem Bogen hinaus. Doch durch Johnny Hyde, der Marilyns Weg bereits geebnet hatte, war ihr steiler Weg zum Star nicht mehr aufzuhalten.
Unter ihrer Schauspieldompteuse Natascha Lytess erarbeitete Marilyn mit eiserner Disziplin ein Rollenstudium und entwickelte außerdem auch einen wahren Bildungshunger. Sie las zum ersten Mal den deutschen Dichter Rainer Maria Rilke, las alle Regiebücher des großen deutschen Regisseurs Max Reinhardt, träumte davon, die Gruschenka in der Verfilmung der „Brüder Karamasow“ zu spielen, um endlich vom Klischee des „naiv dummen Sexblondchens“ wegzukommen. Selbst ihr erster Welterfolg neben der damals berühmten Jane Russel in „Blondinen bevorzugt“ (Regie Howard Hawks) und weitere Filme wie „Niagara“ (1952) und ähnliche Rollen im Jahre 1953 „Wie angelt man sich einen Millionär“, machten Marilyn nicht unbedingt glücklicher. Durch die Rollenschablone des verführerischen, aber der geistig minderbemittelten Blondine machte die 20th Century Fox ein Vermögen, bereits zu dieser Zeit entstanden zwischen der Monroe und der Filmproduktion große Auseinandersetzungen. Denn Marilyn bestand auf anspruchsvollere Rollen, mehrere Drehbücher hatte sie bereits abgelehnt, und schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss, indem man ihr 1954 auf Grund ihrer Mitwirkung in dem Film „Rhythmus im Blut“ eine Hauptrolle in dem Film „Das verflixte 7.Jahr“ unter der Regie von Billy Wilder zugesagt hatte.
Marilyn hatte zwar den erträumten und lang ersehnten Erfolg erreicht, aber sie wurde trotz Ruhm und finanzieller Unabhängigkeit immer egozentrischer und vor allem unzufriedener. Sie erschien unpünktlich zu den Dreharbeiten und griff immer mehr zu der Droge Alkohol und Schlaftabletten. Dazu kamen Marilyns ständige Zweifel an ihren eigenen schauspielerischen Fähigkeiten – und ohne Natascha wäre wahrscheinlich Marilyn auch auf weiter Flur verloren gewesen. Denn Ihre Lehrerin war wie ein zweiter Schatten, was ihre künstlerische Arbeit betraf. Während des Drehs wie auch während der Dreharbeiten zu dem Film „Das verflixte Jahr“ unter der Regie von Billy Wilder, redete Natascha vor jeder neuen Szeneneinstellung unaufhörlich auf Marilyn ein. Jede Geste, jede Sprechnuance wiederholte Natascha wie ein Hypnotiseur – und Marilyn schien sich mit geschlossenen Augen ganz wie im Trance auf die hypnotischen Befehle zu konzentrieren. Selbst als die Kamera rollte, lief Natascha außerhalb der optischen Reichweite neben Marilyn her und gab ihr pantomimische Schützenhilfe. Marilyn brauchte oft bis zu 50Einstellungen, bis endlich die Szene im Kasten war.
Hollywood 1983, Manuela Miebach kniend vor Marilyns Fußabdruck und Autogramm in dem Boden einzementiert vor dem berühmten Graumann Chinese Theatre.
Eine unvorstellbare Geschichte, die ich selbst zunächst nicht glauben wollte, und jeder Regisseur, der mit Marilyn zusammen gearbeitet hatte, muss sich offenbar die Haare gerauft haben. Doch Bruno Bernard, der bei den Dreharbeiten persönlich anwesend war um einige Standfotos von Marilyn zu schießen, mag hier durchaus keine Lügengeschichten erzählt zu haben, da ich Brunos wahren Charakter, der sehr offen und ehrlich war, durchaus sehr gut kannte. Dazu kam, dass Marilyn emotional sehr labil und daher äußeren Einflüssen völlig ausgeliefert war. Durch diese lebenslange Bevormundung, beginnend im Waisenhaus und später in der Ausübung als Filmschauspielerin, war Marilyn doch eher wie ein dressiertes Zirkuspferd und nie sie selbst.
Marilyns zweiter Schauspiel – Hypnotiseur war Milton Greene. Sie folgte ihm 1956 nach New York und schlich sich mit dunkler Brille in das berühmte Actors -Studio von Lee Strasberg, um dort an Ort und Stelle die „Methode“ zu studieren. Natascha hatte man inzwischen, auch von Seiten des Studios, in die Wüste geschickt. Für Marilyn bedeutete diese Strasbergsche Methode ein Ausgraben ihrer Kindheitstraumata, die bereits auf der Couch ihrer verschiedenen Psychoanalytiker so aufgewühlt wurden waren, dass sie unter den Konflikten ihres gegensätzlichen Ichs immer mehr zerbrach.
Nichtsdestotrotz entschloss sich Marilyn, die vom Theaterguru Strasberg ausgesprochen fasziniert war, einige Privatstunden bei ihm zu nehmen.
Er nahm sie dann später in seine Schauspielklasse auf, wo sie damals die Blanche Dubois in „Enstation Sehnsucht“ studierte und laut Strasbergs Aussage die Rolle sogar ausgezeichnet und sehr überzeugend gespielt haben soll. Strasbergs Frau Paula übernahm bei den weiteren Filmproduktionen die Rolle von Natascha Lytess. Erstaunlicherweise ist auch speziell in den späteren Filmen von Marilyn zu beobachten, dass ihr schauspielerisches Können sich im Laufe der Jahre wirklich entwickelt hatte, so auch im Film mit Clark Gable „Nicht gesellschaftsfähig“ (1961). Marilyn war bereits mit dem Autor Arthur Miller verheiratet und konvertierte aus Liebe zu ihm zum Judentum. Sie hatte ihn während der Dreharbeiten zu dem Film „Alter schützt vor Torheit nicht“ durch Eliza Kazan kennengelernt. Die Ehe schien zu Anfangs sehr glücklich und Marilyn knüpfte auch echte menschliche Beziehungen zu Millers Eltern, die über ihre spätere Scheidung hinausreichten.
Doch kann und will sich Marilyn mit diesem häuslichen Glück nicht lange bescheiden. Eine jüdische Hausfrau und Mama wird sie in Connecticut ebenso wenig, wie sie einst mit ihrem Joe eine Mammita in San Franciscos Fisherman’s Wharf abgegeben hatte. Die weitere Tragik mit Miller war außerdem, dass sich Marilyn zu Anfang ihrer Beziehung unbedingt ein Kind gewünscht hatte, aber drei Fehlgeburten überschatteten die ohnehin schon ständig im Streit befindliche Beziehung. Marilyn litt bereits zu dieser Zeit an regelmäßig wiederkehrenden manischen Depressionen, die nicht nur ihr, sondern auch ihrer nächsten Umgebung das Leben zur Hölle machten. Miller spielte nach den Drehs den Babysitter und Krankenwärter, musste Marilyn am Abend Beruhigungspillen und Schlaftabletten auf Anordnung ihres Psychiaters zuteilen. Tagsüber übernahm er dann die Vermittlerrolle zwischen den anderen Schauspielern und Marilyn, die oft durch die Verzögerungen Marilyns kurz vor dem Nervenzusammenbruch standen.
Somit entwickelten sich auch die Dreharbeiten zu dem Film „Nicht gesellschaftsfähig“ mit Clark Gable zu einem Desaster. John Huston, der Marilyn bereits im „Asphalt-Dschungel“ als Schauspielerin etabliert hatte, führte Regie. Ihr Mann selbst hatte zwei Jahre am Drehbuch gefeilt, um ihr die Rolle der Rosslyn auf den Leib zu schreiben. Dieser Film sollte Marilyn zum Durchbruch als ernste Schauspielerin verhelfen. Clark Gable, der bei jedem Filmteam gleich beliebte Mensch, kannte im Gegensatz zu Marilyn keine Starallüren. Der Vollprofi war immer pünktlich und hilfsbereit seinen Kollegen gegenüber. Trotz der glühenden Hitze in der heißen Nevada Wüste, seiner 54 Jahre und eines Herzfehlers, ließ er es sich nicht nehmen, alle gefährlichen Szenen des Einfangens der Wildpferde ohne Gefahren-Double zu drehen. Die vielen Verzögerungen, teils durch Marilyns akute Depressionen, teils aber auch durch die vielen Streitereien am Drehort mit Miller bedingt, überanstrengten ihm derartig, dass er 13 Tage nach Beendigung der Produktion an Herzversagen verstarb, ohne die Geburt seines einzigen Kindes, eines Sohnes, noch mitzuerleben.
Amerika war schockiert und böse Anschuldigungen, dass Marilyn am Tod des Filmidols schuld war, wurde durch Clarks Ehefrau Kay Spreckels noch geschürt, sodass die amerikanische Presse hier für negative Schlagzeilen sorgte. Marilyn war zu der Zeit schon ein menschliches Wrack, und es war erstaunlich, dass der Film durch den Dunst ihres Alkohol –und Pillenkonsums und durch die Nebelschwaden der vielen Gespräche auf der Seelencouch eines Psychiaters, überhaupt zu Ende gedreht wurde. Der Film selbst, der den lang ersehnten Wechsel ins Charakterfach für Marilyn zwar erfüllte, wurde auf Grund seiner depressiven Grundstimmung jedoch ein Misserfolg. Miller, der selbst bereits am Boden zerstört war und alle Kreativität verloren hatte, ließ sich im beiderseitigen Einverständnis am 20. Januar 1961, nach zahlreichen ausgefochtenen Ehestreitigkeiten, dann endlich von Marilyn scheiden.
Nach Marilyns Tod am 5.August 1962 brodelte die Gerüchteküche. Die Nachricht über ihren Selbstmord schockierte die Welt. Diese von der Welt so vergötterte Filmdiva, starb einsam und still im blühenden Alter von 36 Jahren an einer Überdosis des Barbiturats Nembutal in Verbindung mit dem Schlafmittel Chloralhydrat. In ihrer sich selbst bewundernden Eitelkeit wollte sie sogar noch als schönste Leiche in Erinnerung bleiben, indem sie ihren Maskenbildner Whitey Snyder, ihre Garderobiere Margie Plecher und ihre Friseuse Agnes Flanagan noch zu Lebzeiten beauftragte, sie für ihren letzten Auftritt entsprechend vorzubereiten.
Schon diese naive Eitelkeit lässt Vermutungen über die letzten Gründe ihres Freitods zu. Ihre physische Eitelkeit war nichts anderes als eine Überkompensation eines tief sitzenden Minderwertigkeitskomplexes. Denn sicher wurde ihr klar, dass die Massenanbetung für ihre bloße Sexualität nur noch ein paar Jahre andauern würde, und dass der Absprung in andere Lebensbereiche ihr wahrscheinlich nie geglückt wäre. Außerdem wurde sie zum Produkt und Markenzeichen einer amerikanischen Hollywoodfabrik, die Marilyn mit zunehmendem Alter nie das ernste Schauspielfach zugetraut, geschweige denn angetragen hätten. Dazu kam auch, dass die Fox-Studios Marilyn bereits abgeschrieben hatten, da sie krankheitsbedingt kaum noch am Set erschien, und die Kosten der Dreharbeiten derart angestiegen waren, dass auf Dauer weder die Produktion noch der Star Monroe finanzierbar waren.
Außerdem hatte Marilyn während des Drehs zu „Something’s Go to Give“(1962)und obwohl sie krank gemeldet war, bei der
Geburtstagsfeier des US-Präsidenten John F. Kennedy im Madison Square Garden ihren letzten öffentlichen Auftrag, der gegen den Willen der Fox-Studios geschah und Anlass genug war, um Marilyns Vertrag zu kündigen.
Somit sind die hier angeführten Kriterien durchaus ein Grund dafür gewesen, das Marilyn nicht nur Angst vor einem finanziellen Ruin, sondern auch das Ende ihrer Karriere bereits befürchtete, um ihren eigenen Leben ein Ende zu setzen. Die Verschwörungstheorie, dass John F. Kennedy das Filmidol durch die CIA habe ermorden lassen, konnte nie widerlegt werden. Es ist unumstritten, das Marilyn die Kennedys wegen ihrer politischen Prominenz, ihrer hohen Geistesgaben und ihres jugendlichen Flairs bewunderte, und dass auch über mehrere Zusammentreffen mit Bobby zu berichten ist. Sie äußerte sich über Bobby im positiven Sinne, auch Bruno gegenüber. Doch nach Marilyns eigener Aussage, dass sie ihn als Intellektuellen bewundere, aber ihn körperlich in keiner Weise anziehend findet, spricht dafür, dass es hier zu keiner intimen Beziehung gekommen ist. Das zwischen den Kennedy-Brüdern lediglich, auch teils wegen Marilyns ungeheurer Publicitygier, eine rein freundschaftliche Beziehung bestand. So ist auch eine Ermordung im Auftrag der Kennedy durch den CIA vollkommen auszuschließen.
Lässt man das Leben von der Monroe geistig noch einmal Revue passieren, so kommt man am Ende zu der einzigen Überzeugung „Dass Ruhm auch einsam macht“. Denn die egozentrische und am Ende total durch geknallte Diva litt bereits durch ihre Kindheit und erblich bedingt an schwersten
Depressionen, wo es von Anfang an besser gewesen wäre, zunächst ihre kranke Seele zu heilen, als aus ihr eine Zelluloid – Göttin zu machen.
Diese Entwicklung vom Aschenbrödel zum Star waren in Marilyns Leben ein totaler Widerspruch, und gleichzeitig eine physische und psychische Überforderung. Sie wollte sich aus den Klauen eines Kindheitstraumas befreien, indem sie den Traum ein Filmstar zu werden nicht nur geträumt, sondern ihn auch mit aller Konsequenz versucht, hat zu verwirklichen. So ist ihr wenigstens geblieben, trotz ihrer seelischen Zerrissenheit in einer Welt, in der sie von der Mutter nicht gewollt, durch Männer eher ausgenutzt und von einer amerikanischen Filmfabrik ausgebeutet wurde, dass sie zumindest als blonde Venus, als die Verkörperung des „Ewig-Weiblichen“ zu einer Legende geworden ist. „Wen die Götter vernichten wollen, den machen sie erst erfolgreich“ – dieser Spruch passt so typisch zu Marilyn Monroe. Denn obwohl sie alles in ihrem Leben erreicht, so blieben ihr am Ende nur noch eine totale Leere und Einsamkeit, wo Lebensüberdruss und Selbstzerstörung die unausbleiblichen Folgen ihres so unkontrollierten Lebenswandels waren.
Bruno Bernard selbst verstarb im Jahre 1987 in Los Angeles. Ich traf ihn ein letztes Mal 1986 im Bad Reichenhall, wo er sich auf Grund einer jahrelangen Prostataerkrankung dort noch einmal von Spezialisten behandeln ließ. Doch offenbar sah auch Bruno, durch seine fortgeschrittene Krebserkrankung, keinen anderen Ausweg mehr, als seinem Leben ein Ende zu setzen. Seit dieser Zeit des Glamours und der wunderbaren Freundschaft mit Bruno ist auch für mich eine Ära zu Ende gegangen, in der schöne Erinnerungen immer noch eine Wiedergeburt erleben. Der glamouröse Hollywoodstar Marilyn Monroe und Bernard of Hollywood haben sich beide ein Denkmal gesetzt. So mag denn auch ein seliger Tod das größte Glück für zwei
Menschen gewesen zu sein, um sich von dem Schmerz und Leid des Irdischen zu befreien.
Autorin: Manuela Miebach