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Maria Publig: WALDVIERTELMORDE

30.03.2018 | buch

Maria Publig:
WALDVIERTELMORDE
Kriminalroman
318 Seiten, Gmeiner Verlag, 2018

Die Heldin der Geschichte heißt Walli Winzer, was vielleicht ein wenig parodistisch klingen mag. Aber Autorin Maria Publig hat hier einen sehr aktuellen Frauentyp in den Mittelpunkt ihres Krimis gestellt, der letztendlich eine breit angelegte Sozialschilderung des Lebens auf dem Lande geworden ist…

Diese Walli Winzer ist ein typisches Produkt der Spezies Karrierefrau, die sich Jahrzehnte lang mit nichts anderem beschäftigt hat als mit ihrem Erfolg. Wenn dann die 50 anklopfen, kommt die klassische Frage hoch, ob das alles gewesen sei. Und die Veränderung, an die man denkt, hat eindeutig auch zeitgeistige Züge: Früher fuhr man nach Indien, heute ist es Mode, aufs Land zu gehen, um sich „neu zu erfinden“.

Politisch Korrekte wie Wallis Freunde betreiben dann als Aussteiger noch einen Bauernhof. Realistische wie Walli Winzer kaufen sich nur ein großes altes Schulhaus und meinen, nun ziehe die Ruhe ein. Weil niemand weiß, dass man in der lauten, überfüllten Großstadt weit besser allein sein kann als im Dorf, wo sich jeder um jeden kümmert und zumal „Zugereiste“ im Zentrum des Interesses und unter dauernder Beobachtung stehen.

„Großlichten“ gibt es, wenn man sich nicht irrt, nicht, aber das Waldviertel sehr wohl, und die Autorin kennt sich offenbar damit ebenso aus wie mit Frauen à la Walli, die von vielen Seiten beleuchtet wird und eine schillernde Figur ist. Man wird den ganzen Roman hindurch erfahren, was sie anzuziehen plant, was sie tatsächlich anzieht und was sie in Restaurants isst. Eine der schmerzlichsten Szenen (die jeder irgendwann an sich oder anderen erlebt hat) gelingt der Autorin, wenn Walli einmal besuchsweise in die Stadt zurückkehrt und in der Agentur, die einst ihr gehörte, ihren Schreibtisch besetzt und ihre Sachen weggepackt findet… So schnell geht das.

Die Einwohner von Großlichten werden in aller Breite und Ausführlichkeit vorgeführt, die Damen sind manchmal von spitzzüngiger Ehrlichkeit ihren Geschlechtsgenossinnen gegenüber, und was die Intrigen betrifft, so steht man der Großstadt um nichts nach. Auch nicht mit den üblichen Problemen: Kaum wirft Walli ihr Auge auf den attraktiven Tierarzt, hat sie auch schon dessen Ehefrau am Telefon…

Wenn der Krimi dann mit Leiche einsetzt, passiert – quasi augenzwinkernd – das, was in solchen Büchern immer wieder geschieht: Walli selbst ist kurzzeitig mordverdächtig, und am Ende findet sie sich allein mit dem Täter und hört dessen Geständnis an (es ergibt sich relativ logisch aus dem Handlungsverlauf), und natürlich (wie auch anders?) überlebt sie die Konfrontation, die auch schlecht ausgehen könnte.

Ist es ein Spoiler, wenn man verrät, dass die etwas vom Landleben genervte Großstädterin (natürlich mit Gucci-Tasche, und die Katze nimmt sie auch mit) am Ende zu einem längeren Urlaub nach Schweden aufbricht? Macht die Autorin doch klar, dass Walli nach Großlichten zurückkehren wird. „Es war ihr ans Herz gewachsen.“

Renate Wagner

 

 

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