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Margarita LILOVA: Voce Verdiana kann nicht jeder sein!

05.01.2012 | Sänger

Das Interview mit Margarita Lilova

Das Interview führte Nikola Slabakova für eine Diplomarbeit – und stellt es uns zur Verfügung!

 
Margarita Lilova

Nikola  Slabakova:  Wie haben Sie mit dem Gesang begonnen?

Margarita Lilowa:  Wenn ich hier erzähle, daß ich ein Sängerknabe war, werden alle lachen. Bei uns  im Chor waren die Jungen und Mädchen zusammen, nicht nur Jungen, wie es hier der Fall ist. Es war ein berühmter Chor, wir haben viele Goldmedaillen in verschiedenen internationalen Wettbewerben gewonnen, und ein Teil dieser Kinder sang auch im Opernchor und mit dieser Gruppe begann ich sehr jung in der Oper zu singen. Also war ich eigentlich mit dieser Atmospähe der Bühne schon in jungen Jahren stark beeinflusst. Vom 10. bis 14. Jahr sang ich im Kinderchor. Und dann mit 14 Jahren wurde ich in das Musikgymnasium aufgenommen, wo ich  neben dem Gesang  auch Chor dirigieren studierte. Nach dem Gymnasium sagte man: „Ah, die Lilova hat eine gute Stimme!“ Die Professorin  von meiner Lehrerin meinte: „Nein, nicht als Chorleiterin, sie muss sich für Gesang bewerben. So habe ich für Gesang kandidiert und wurde auf der ersten Stelle aufgenommen. Es war 350 Kandidaten und 11 wurden aufgenommen. Ich habe Glück gehabt, daß mein Professor für die Musikinterpretation einer der besten bulgarischen Komponisten, Ljubomir Pipkov, war. Er hat mich eigentlich weiter entwickelt. Ich hatte eine gute Lehrerin im Musikgymnasium gehabt, aber man etwickelt sich selbst als Mensch, nicht wahr,  und mit ihm habe ich viel über die musikalische Phrasen gelernt, diese meiserhaften Interpretationen. Ich studierte während der Stalinzeit. Damals gab es fast keine Noten, nur wenige aus Rußland oder der DDR. Es war immer wenig Geld vorhanden, also setzte ich mich hin und transkribierte und setzte die Sopran Alben (Brahms, Schubert, Schumann), um in Mezzosopran Partien, die sich heute alle in meiner Bibliothek befinden. Auch bulgarische Lieder, weil sie fast alle für Sopran geschrieben wurden. Damals hatte ich mir eine besondereTechnik für die schenlle Transposition angeeignet. Das war mein Studium an der Musikakademie in Sofia.   

N. S. Nach dem Studium sind sie in Bulgareien geblieben?

M. L. Ja. Während des letzten Jahres meines Studium war ich Solistin des bulgarischen Armee-Ensembles. Es war ein Männerchor von 200 Männern und 10 Solisten. Davon waren 10 Männer und 2 Frauen – eine Sopranistin und ein Mezzosopranistin. Diese Möglichkeit hat natürlich meine finanzielle Situation sehr erleichtert. Dort musste ich in Uniform und mit dem Hut zu singen. Und so sang ich die Habanera und noch einige andere Lieder. Das hat mich nicht gefreut, aber ich war nur ein Jahr Mitglied in diesem Ensemble, da hatte ich schon ein Diplom und präsentierte mich an der Oper von Varna und wurde afgenommen. Jeder sagte, ich sei verrückt, weil mein Gehalt in Varna etwas weniger als die Hälfte der Gage betrug, die ich beim Armee-Ensemble erhalten hatte. Aber es war natürlich viel interessanter für mich an der Oper zu singen. Ich bedauerte es nicht.

N.S. Mit welcher Rolle hatten Sie an der Oper in Varna debüttiert?

M. L. Meine erste Rolle war Maddalena in Rigoletto. Dann mußte ich eine kleine Rolle in einer bulgarischen Oper singen und dann kam die Pique Dame. In der Premiere war ich Pauline, in der zweiten Besetzung die alte Gräfin. Zwischenzeitlich hatte ich einen Schauspieler aus Varna, der immer noch mein Mann ist, geheiratet. Er lachte immer, weil wir Make-up verwandten, um visuell dem Alter der Gräfin zu entsprechen – ihr Alters sollte bei 80 Jahren liegen, und er sagte: „Na ja, ja bis zur sechsten oder siebten Reihe sieht es vielleicht ecth aus, aber in den hinteren Reihen nimmt man ein Kindergesicht wahr.“ Damals war ich 23 Jahre alt. Dann kam der Troubadour – Azucena. Ich war 25 Jahre alt, als ich Azucena interpretiert hatte.

N. S. Wie würden Sie diese Rolle charakterisieren? Es ist eine Rolle, die sehr stark ist.

M. L. Die Rolle ist sehr reich, stark. Diese Rolle hat zwei Pläne. Wenn man die Rolle interpretiert, ist Azucena in dieser Realität, aber sie hat noch einen zweiten Plan.

N. S. In dem beschreibt sie ihre Visionen.

M. L. Sie beschreibt ihre Visionen und das ist sehr interessant. Zum ersten Mal habe ich Azucena an der Oper in Varna gesungen und bei der Premiere war ich im 5. Schwangerschaftsmonat. Und nach Azucena kam Amneris. Ziemlich früh habe ich mit den dramatischen Partien angefangen.

N. S. Sie waren eine beeindruckende und bewunderte Verdi- Interpretin. Was hatte Ihre Stimme, daß sie so typisch für Verdi war?

M. L. Verdis Musik muß man vertikal singen. Verdis Phrasen sind so erstellt, daß sie immer senkrecht zu singen sind – von oben nach unten. Zum Beispiel die Musik von Richard Strauss soll horizontal getragen werden. Man führt die Phrase anders. Bei Verdi ist mehr Unterstützung nötig, die von ganz untenm am Ende der Wirbelsäule kommt. Die ist von entscheidender Bedeutung. Auf dieser Stütze ist es notwendig, diese Phrasen zu aufzubauen. Ansonsten ist es nicht einfach, Verdi zu singen. 

N. S.  Ist es ähnlich wie bei Wagner? Gibt es eine Verdi-Stimme, ebenso wie eine Wagner-Stimme?

M. L. Ja, ich sang Verdi und Wagner. Es bedeutet – Wagner hat ein riesiges Orchester. Und langsame Phrasen. Dies bedeutet, daß Verdi und Wagner diese Stütze bis zum Steißbein haben. Verdis Musik geht weiter, bei Wagner ist es sehr ausgedehnt. Verdis Gesang ist Belcanto. Für seine Opern hat sich Wagner Sänger gewünscht, die Belcanto singen. Hier sind die Kontaktstellen der beiden Stile. Aber Voce Verdiana kann nicht jeder sein.

N. S. Unterscheiden sich Verdi-Rollen  von den anderen Mezzo-Rollen?

M. L. Zum Beispiel Werther ist lyrisch. Mit Werther habe ich meinen ersten Wettbewerb in Sofia gewonnen und auf diser Grundlage kam die Einladung nach Covent Garden. Und dann habe ich bei Karajan vorgesungen und wurde an die Staatsoper in Wien engagiert. Und das war es. Mein Debüt an der Wiener Staatsoper hatte ich am 1. Januar 1963 und ich blieb hier für 28 Jahre.

N. S. Und das Debüt in Covent Garden?

M. L. Ein Jahr davor. Von der Staatsoper ging ich in den Ruhestand im Jahr 1995.

N. S. Mit welcher Rolle haben Sie an der Wiener Staatsoper begonnen?

M. L. Auch Amneris. Dann kamen andere Verdi- Rollen und natürlich alles andere. Damals hatte ich kein großes Repertoire und mußte ein paar Dinge gemeinsam dazu lernen. Einmal habe ich es gezählt – 6 Rollen gleichzeitig. Und zwar große und kleine. Karajan engagierte mich für die Krönung der Poppei, die Premiere war im April. Seit dem 1. Januar bis 1. April sang ich, denke ich, Amneris und bereitete die neue Partie der Ottavie vor. Die Krönung war ein großer Erfolg für alle. Damals konnte mein Mann und ich kein Deutsch, an der Oper sprach ich italienisch, und nach der Premiere kaufte mein Mann alle Zeitungen und mit zwei Wörterbüchern lasen wir die Kritiken. Und plötzlich sagte mein Mann: „ Hast Du begriffen, mit welchen großen Meistern Du diese Premiere gemacht hast?“ Von Karajan haben wir gewußt, der Regisseur war Dr. Rennert – einer der besten in dieser Zeit, einer der ersten in der Welt. Und ich hatte das Glück, mit beiden zusammen zu arbeiten.    

N. S. Und welcher Regisseur hat Sie am meisten beeinflusst? 

M. L. Dieser nicht so sehr, weil ich mit ihm nur diese Inszenierung realisiert hatte. Dann kam Eboli, die ich an der Pariser Oper sang. Ich glaube es war 1965. Meine Stimme war sehr interessant für Mitteleuropa. Sie war dunkel, groß, mit vielen Farben. Ich konnte Alt singen und Mezzosopran.

N. S. So sangen Sie Ulrica und Eboli.

M. L. Genau.

N. S. Die Lagen sind ganz anders.

M. L. Genau. Und die Emotionen entstehen von Ideen. Man kann nicht Emotionen spielen. Sie kann die Idee verkörpern. Die Idee bildet die Emotion. Und wenn der Sänger emotional ist, ist es wichtig, dass er diese Emotionen beherrscht, in der Lage ist, sie zu stoppen. Sonst funktioniert es gegen den Menschen selbst. Man muss weiterhin versuchen, Emotionen zu kontrollieren. Und wenn man emotional ist und die Emotion kontrolliert, bietet es ein großes Potenzial.

N. S. So finden Sie die richtige Kombination von Musik, Emotion und Text wichtig?

M. L. Aber natürlich. Wir singen immer Programmmusik. Wir singen keine Vokale, singen den Text. Und dieser Text trägt Gedanken. Jetzt schaffen Regisseure immer noch wildere und wildere Inszenierungen. Und ich weiß nicht, warum die Intendanten bereit sind, so viel Geld für die schlechte Arbeit auszugeben. Die Sänger sind gut, die Inszenierungen sindt  skandalös. So ist es zur Zeit. Für mich ist es sehr tragisch. Von Zeit zu Zeit, Gott sei Dank, kommt etwas Normales, aber ansonsten …

N. S. Vielleicht brauchen sie Skandale?

M. L. Skandale kommen ununterbrochen und trotzdem machen sie so weiter. Ich weiss nicht, was mit den Menschen passiert ist. Damals, als ich nach Wien kam, folgte ich der guten bulgarischen Bildung, der Ethik, weil wir sehr gute Professoren hatten, die im Ausland studiert haben. Als ich hierher kam, gab es Professor Joseph Kribs, der Dirigent, der mich in vielen sinfonischen Konzerten vorstellte, mit ihm habe ich eine Menge von Mozart und Beethoven gesungen. Eigentlich sehr spät nach den dramatischen Verdi-Rollen sang ich Mozart. Dann war hier Professor Swarovski, der Professor von Abbado und Mehta, er hat  mich immer in der Nachmittagspause unterrichtet. Wir trafen uns in der Oper, und er brachte mir Mahler nahe und dann nahm er mich immer mit, wenn er Mahler aufführte. Ich sang mit ihm Kindertotenlieder, das Lied von der Erde, 2. Sinfonie, Schönbergs Gurre-Lieder. Und so habe ich noch diese zwei Universitäten absolviert – mit Swarovski und Kribs. Und dann passierte es, dass Felsenstein die renovierte komische Oper in Berlin eröffnete, ich habe bei ihm vorgesungen  und er engagierte mich für Azucena. Diese  Rolle der Azucena sang ich in drei Sprachen – bulgarisch, italienisch und deutsch. Und dann kam mir wieder vor wie in einer neuen Universität, denn bis zu diesem Zeitpunkt standen die Sänger nur und sangen, selbst die größten Sänger. Ein bischen agierten sie, ja, aber nicht im Sinn der dramatischen Darstellung. Zum erstenmal sah ich es anders bei Felsenstein. Es war das Neue, was Felsenstein gebracht hat. Damals richteten sich dagegen Proteste, weil er wollte, dass die Sänger auch Theater spielten. Nach Felsenstein waren eine Schüler sogar noch päpstlicher als der Papst. Kupfer und seine anderen Schüler machten solche Dinge, dass alles dies gegen die Sänger gerichtet war. Zu diesem Zeitpunkt begann man schiefe Ebenen auf der Bühne zu verwenden. Bisher war die Bühne horizontal, wir gingen mit hohen Absätzen. Wenn die Bühne  schief ist, wie können Sie mit Absätzen gehen? Während unserer Karriere hat sich viel im Sinne der wachsenden Schwierigkeiten für die Sänger geändert.

N. S. Wurde die Regie daher wichtiger als Singen?

M. L. Ich würde es anders sagen. Zuerst war eine lange Zeit, in der Dirigenten große Macht hatten. Ein Dirigent konnte den Sänger ablehnen. Dann geschah es ungefähr vor zwanzig Jahren, dass die Macht den Regisseuren gegeben wurde. Und es ist ihnen egal, ob die Stimme gut oder schlecht ist. Sie sind nur daran interessiert, was der Sänger spielt, ob er richtig spielt, was der Regisseur will. Es interessiert sie. Mein Mann, der zusammen mir mir hierher kam,  damit die Familie zusammen blieb, studierte an der Wiener Akademie für Musik Opernregie. Ein anderer Regisseur erzählte ihm ein Erlebnis zwischen dem Dirigenten und Sänger. Regisseur sagt: „Du singst zu lang!“ „Das ist mein Arie“, sagte der Sänger. „Sie ist zu lang“, antwortete der Regisseur. Und ich denke, dass ab diesem Zeitpunkt die Oper untergeht. Denn die Oper ist eine ziemlich hochmütige Sache. Es ist Poesie, ist nicht ein normales Leben. Sie können nicht auf der Bühne herum im Dreck rollen. Oper ist eine romantische, poetische Darstellung. Es ist nicht nur Lyrik, es ist sogar noch tiefer. Und in diesem Verlust soll man den größten Fehler gefunden werden. Die Stimme verfügt über  Nuancen, dass man nicht nur Gesten nutzt ist klar, aber nicht wegen der Singstimme und bevorzugen  verschiedene andere Dinge.

N. S. Nach Ihrem Engagement an der Wiener Staatsoper, begannen Sie an der Hochschule zu unterrichten.
M.L. Von 28 12. 1962 war ich hier in Wien, aber ich bin viel gereist.

N.S. Wo haben Sie gastiert?

M.L. Nach Bulgarien war mein erster Auftritt an Covent Garden. Dann an der Pariser Oper,  Mailänder Scala, Teatro Colon in Buenos Aires, dann San Francisco Opera,  Hamburg, Stuttgart, Düssedorf. Von den großen Opernhäusern sang ich nicht an der MET und in München. Ansonsten habe ich nur in den großen Opernhäusern gesungen, in kleinen nicht. Also als Partner hatte ich die besten Sänger der Welt.

N.S. Welche Sängerin beeinflusst Sie, zu wem haben Sie ein gutes Verhältnis?

M.L. Ich hatte einen guten Kontakt mit mehreren Sängern. Seit meiner Kindheit bis zum heutigen Tag mit Ileaanou Cotrubas. Seit meiner Jugend war es Lucia Popp, die leider zu früh gestorben ist. Von älteren Kollegen aus Wien war es Birgit Nilsson, Leonie Rysanek.

N.S. Und die Männer?

M. L. Von den Männern Gjaurov, der bulgarische Tenor Usunov, der leider auch relativ früh gestorben ist, Domingo, Pavarotti, auch sang ich mit Bergonzi.

N. S. Was haben Sie mit Domingo gesungen?

M. L. Sehr viele Dinge. Mit Domingo sang ich viel. Das sind Kollegen, mit denen wir per du sind. Jeder geht seinen eigenen Weg, aber wenn wir uns treffen, sind wir Freunde. Mit Domingo sang ich zuerst den Troubadour. Er ist dann in San Francisco für James King, mit dem ich viel sang, eingesprungen. King war krank und es kam ein unbekannter jüngerer Mann namens Domingo. Und von da an sangen wir Aida, den Troubadour.

N.S. Hier in Wien?

M. L. Auch in Hamburg. Dann machten wir Otello, Pique Dame.

N. S. Sang er Hermann.

M. L. Und sogar besser als die russischen Tenöre. Domingo ist einer der größten Musiker. Nicht nur Schauspieler, Sänger, sondern ein Musiker. Auch Peter Schreier, zum Beispiel. Er war ein großer Musiker, mit ihm sang ich auch. Ich lachte, weil ich Azucena mit vielen Tenören gesungen hatte, also war ich die Mutter von fast allen der weltweit besten Tenöre. Ich muss mich einmal hinsetzen und daran denken, die Namen aufzuschreiben. Denn wenn ich in Amerika sang, sang ich mit Menschen, die nicht so oft hier waren, aber in Amerika waren es große Sänger. Ich sang mit Giorgio Tozzi, und er gehört zur Nachkriegsgeneration. Und hier kam ich nach Wien zu einer Gruppe von sehr jungen Halbgöttern. Es war die weltweit beste Besetzung, die existieren konnte. Zu dieser Zeit begann auch Freni. Wir wurden im gleichen Jahr geboren, auch Pavarotti.

N. S. Für wen haben Sie in Wien vorgesungen? Für den Intendant?

M. L. Für Karajan, er war Intendant. Es war dank eines Engagement an Covent Garden, wo ich eine Reihe von Aidas sang, es war nach dem ersten Wettbewerb in Bulgarien. Im nächsten Jahr wird es das 50. Jahr seit dem Wettbewerb sein. Und dann bekam ich dieses Engagement, weil der Direktor von Covent Garden in der Jury saß. Nachdem ich die Zusagen in Covent Garden gefüllt hatte, kam ich nach Wien zurück und wartete dort für zwei Wochen auf Karajan, wie es geplant war. Dann hörte er mich 20 Minuten auf der Bühne an. Es war eine leere Bühne ohne Kulissen, es gab nur ein Klavier. Ich dachte, was für eine großartige Szene. Covent Garden ist nicht klein, aber ich war auf der Bühne an Dekorationen gewöhnt.

N. S. Was haben Sie vorgesungen?

M. L. Amneris. Das sechste Bild. Ich sah ihn nicht, ich sang und dann plötzlich (in der Mitte unserer Wiener Oper ist eine Gasse) kam ein kleiner Mann, ganz in Schwarz gekleidet, mit einem Rollkragenpullover und dirigierte mit seinen Armen wie ein Vogel. Er gab mir ein langsames Tempo vor, und ich dachte, na ja, wenn du es jetzt hälst, wird es gut sein. Dann sang ich weiter und nach dem sechsten Bild sagte er: „Gehen Sie nun zum Rand der Bühne und singen Sie so piano „O vieni“, wie Sie können. Ich ging. Doch der Rand war so weit weg, da ja auf der Bühne alles leer war, ich dachte, ich wäre fast im Hotel Sacher, das am anderen Ende neben der Oper steht. Ich tat, was er wollte. Dann kam ich zurück und er sagte: „Gehen Sie zur Direktion und unterschreiben Sie den Vertrag.“ Das war es.

N. S. Das klingt wie ein Märchen.

M. L. Wie ein Märchen. Und ich kann Ihnen sagen, dass ich sogar niemals davon geträumt hatte, so etwas zu erreichen. Deshalb glaube ich, dass für jeden etwas im Schicksal vorhergesehen ist. Aber die Interpretationen von Verdi. Natürlich realisierte ich Dinge mit großen italienischen Dirigenten, einer von ihnen war Patanè[1]. Es war der Sohn des alten Patanè. Und er war ein Genie, wie Kleiber[2], der Sohn des alten Kleibers. Und so konnte ich Tradition von den besten Händen lernen. Stil, Tradition. Gute Dirigenten, die mit den besten Sängern arbeiteten, sagten: „Hier kannst du sparen, hier dich an die Musik anlegen.“ Zum Beispiel Maestro Horst Stein. Er liebte meine Stimme.

N.S. Welche war Ihre Lieblingsrolle?

M.L. Es gibt keine solche. Jede, an der ich im Moment arbeite, ist die beliebte. Eine der Rollen, die mir Ruhm und Ehre gebracht hat, war Azucena.



[1] Giuseppe Patanè (1932-1989), der Sohn des Dirigents Franc Patanè (1908-1968).

[2] Carlos Kleiber (1930-2004), der Sohn Erich Kleibers (1890-1956).

 

 

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