Oper Marburg/ Drau – 29.03 .2025– Giacomo Puccini „Tosca“
Copyright: Opernhaus Maribor/Tiberius Marta
So wünscht man sich Regie & Repertoire
Tosca ist wohl eine der meistgespielten Opern, nicht nur von Puccini. Im Rahmen des Jubiläums 2024 feierte sie eine umjubelte Premiere und die Oper Marburg gastierte damit in der Hauptstadt, unter anderem mit Jonathan Tetelman. Am 28. und 29. März folgten zwei Aufführungen in Marburg, die leider nicht ausverkauft waren.
Ort und Handlung der Oper sind klar definiert: Rom am 17. und 18. Juni 1800. 1. Akt: Kirche Sant’ Andrea della Valle. 2. Akt: Palazzo Farnese, Scarpias Zimmer im Obergeschoss. 3. Akt: Castel Sant’Angelo, das Gefängnis, in dem Mario Cavaradossi eingesperrt ist. In dieser Inszenierung kann man – Gott sei Dank – die Zeitachse erahnen, Ort und Raum werden durch das Bühnenbild (Matic Kašnik) und die visuellen Einspielungen perfekt illustriert.
Pier Francesco Maestrini der Regisseur – er war es auch bei der fast genialen „Butterfly“ und anderen Werken am kleineren Haus an der Drau, ist zweifellos einer der unterschätzten Regisseure der Gegenwart! Sein perfektes Wissen und handwerkliches Können über die einzelnen Musikstücke, ist wohl gleichzeitig auch sein Defizit in der allgemein pervertierten Opernszene. Maestrini ist ein Ressigeur, der das Werk sichtlich respektiert, der die heutigen Mittel der Technik, wie hier die Videoprojektionen gekonnt werkdienlich und zur besseren Veranschaulichung einsetzt, der in einzelnen Szenen, wie dem Auftritt der Priester im Finale des ersten Aktes, subtil Gesellschaftskritik, mit dem Klang der Musik verwebt. Wie Marionetten taumeln die Figuren des Chores zu Puccinis Musik zur Messe. Es ist ihm, letztlich auch den Verantwortlichen des Hauses an der Drau, zu danken, dass er seine Meisterschaft hier präsentiert.
In Graz oder Wien oder anderen großen Häusern, geht es in erster Linie um andere Aspekte als um die Erfüllung der Vorgaben von Komponisten und Librettisten, oder es fehlt leider allzu oft schon die Basis für den Erfolg. Man wundert sich schon lange nicht mehr, hier so viele deutsch sprechende Gäste, nicht nur aus der Steiermark regelmäßig zu treffen.
Max Jotta, auch er ein wiederkehrender Gast, konnte glaubhaft darstellen, warum er zum freiheitsliebenden Märtyrer wird. Die geforderten Spitzentöne erklingen technisch versiert, mit ungebrochener Kraft. Beeindruckend seine Vittoria-Rufe. In den zärtlichen Momenten mit seiner Floria Tosca gelingt es ihm, die gewünschten lyrischen Töne eines Liebenden zu entlocken. Ein Da Capo von „E lucevan le stelle“ war die logische Folge seiner Darbietung.
Luka Brajnik bewies einmal mehr, dass die Marburger Oper über einen kraftvollen und ausdrucksstarken Hausbariton verfügt. Bleich im Gesicht, weiß im Haar, ganz in Schwarz gekleidet, von seinen Schergen in langen schwarzen Mänteln und Zylindern umgeben und in dichten Nebel gehüllt, lässt Pier Francesco Maestrini den römischen Polizeichef wie einen Untoten erscheinen. Eine schockierende Verkörperung des Bösen in der gesamten Inszenierung, manifestiert in seinem kraftvoll & vorbildlich artikuliert gesungenen „Te deum“.
Nicht zu vergessen der bewährte Chor (Leitung: Zsuzsa Budavari-Novak), der in den letzten Minuten des ersten Aktes bleich und kahlköpfig mit eckigen Bewegungen wie Marionetten über die Bühne taumelt. Vom Orchester aufgepeitscht, werden die Stimmen kraftvoll eingesetzt, göttliche Mächte und das Kreuz angstvoll beschworen.
Aufpeitschend, kraftvoll, packend ist das Dirigat von Jacopo Sipari di Pescasseroli. Der Mann aus Rom zaubert mit dem gut disponierten Orchester einen Klangteppich unter das Bühnengeschehen, den man in dieser Intensität nicht alle Tage zu hören bekommt. Dabei gelingen ihm auch zarte Momente und ein geradezu packendes Finale.
Immer ein aufmerksamer Begleiter des Bühnengeschehens, d.h. nur in sängerisch heiklen Momenten dämpfend, viele Einsätze gebend, peitscht er die aufmerksamen Musiker zu Klangausbrüchen, wo man sie erwartet! Er animiert, macht die Puccinischen Klanggewalten hörbar, reduziert und dämpft nicht – mitreißend, vorbildlich! Auch die Musiker sind sichtlich begeistert von ihm.
Das kann er auch deshalb, weil mit Rebeka Lokar eine stimmgewaltige Floria Tosca auf der Bühne steht, die ihre Leistung ständig nach oben steigert.
Die junge Slowenin, die hier schon im Chor gesungen hat, hat in den letzten Jahren vor allem in Italien eine große Karriere gemacht und besonders im dramatischen Fach Erfolge gefeiert. Begonnen hat sie ihre Sängerlaufbahn 2005 als Mezzosopranistin und wechselte später ins Sopranfach. Im Mai 2015 debütierte sie als Minnie in Puccinis Oper „Das Mädchen aus dem Westen“ an der Oper Marburg, 2016 folgte die Titelpartie in Puccinis Turandot, mit der sie international Erfolge feierte.
Schon von der Gestalt her keine zierliche Verführerin, meistert sie die Partie mit Bravour und verblüfft mit erstaunlichen Pianophrasen, einem wunderbaren Legato ihres belastbaren Soprans mit persönlichem, reifem Timbre und bester italienischer Diktion, aber auch reichem Vibrato. Sie sang eine Titelheldin mit kraftvollen Tönen und ermöglichte so, wie alle anderen Protagonisten, eine intensive musikalische Umsetzung. Hervorzuheben ist die sehr innige Umsetzung ihres Gebetes – „Vissi d’arte“.
Die kleineren Rollen wurden mit Hauskräften zur Zufriedenheit besetzt. Das Publikum nahm den Abend herzlich auf und geizte nicht mit Applaus schon während der Vorstellung und spendete diesen nach der Aufführung sehr reichlich, mit Bravorufen für alle Hauptdarsteller, insbesonders für den Dirigenten und das Orchester.
Rudolf Smolej