Manuela Miebach: Beethoven-Biographie und Auszug daraus (Henriette Sontag zum 200. Geburtstag (am 3.1.)

nachdem sich von der Sontag geb. am 3.Januar 1806 der 220. Geburtstag jährt hier einen Auszug aus meiner neuen Beethovenbiografie (über 400 Seiten).
Veröffentlichung Herbst/Winter 2026/2027 – Verlag wird noch bekanntgegeben.
Henriette Sontag zum 220. Geburtstag
Der Zauber der böhmischen Nachtigall
Das Beethoven schon in jungen Jahren ein Faible für junge fesche Sängerinnen hatte wurde uns immer wieder durch Schindler und seinem engsten Freundeskreis überliefert. Bekannt war aber auch, dass er selbst noch im reiferen Alter bei seinen gewohnten Spaziergängen durch Grinzing und Heiligenstadt, sich nach besonders hübschen jungen Damen umdrehte und nicht selten süffisante Bemerkungen über die eine oder andere Grazie machte. Das Beethoven außerdem der Sängerin Caroline Unger den Hof machte und sie auch wegen ihrer außergewöhnlichen Mezzo Sopranstimme bewunderte und verehrte, schien für den Komponisten keine Seltenheit. Denn erinnern wir uns nur an Amalie Sebald, die zu den weiteren Favoritinnen zählte und der er schon 1811 den Hof machte, sie aber umgekehrt ihm zwar freundschaftlich begegnete, aber offenbar weder an einer Liaison noch an einer engeren Beziehung mit Beethoven interessiert war. Im Kreise von Sängerinnen fühlte sich Beethoven wohl, waren es doch nicht nur die Anmut und der Liebreiz und die schönen Stimmen dieser jungen Künstlerinnen, die hier den Komponisten faszinierten, sondern es verband einen die selbigen Interessen, die der schönsten Künste und des Gesangs. Beethovens großartige Liedkompositionen sind ein Beweis dafür, dass er durchaus fähig war für den lyrischen Sopran zu schreiben. Umgekehrt aber hier mit der Oper „Fidelio“, mit der „Missa Solemnis“ und aber auch mit der Neunten Symphonie sehr hohe Stimmanforderungen an die jungen Sängerinnen gestellt wurden.
Doch neben der Verehrung für Caroline Unger zeigte Beethoven ein ganz besonderes Interesse für die damals 18.-jährige Sängerin Henriette Sontag. Viel hatte er schon über sie gehört, über das liebreizende, ausgesprochen schöne junge Mädchen, die mit ihrer außergewöhnlichen Stimme das Publikum in den Bann zog. Schon als Elfjährige wurde Henriette Sontag im „goldenen Prag“ am Musikkonservatorium aufgenommen, wo Prinz Karl von Preußen der das Kunstinstitut besuchte, von der jungen Elevin mit den überwältigenden gesanglichen Fähigkeiten derart überzeugt war, sodass er der kleinen Henriette als
Dankesgeschenk zwanzig Friedrichsdors übersenden ließ. Die heranwachsende junge Dame, deren Anmut und Grazie sich in eine vollendete Blüte verwandelte, begeisterte Ihr Publikum nicht nur durch ihre göttliche Stimme, sondern auch ihre Schönheit und ihr bezauberndes Wesen, brachte ihr weitere Beliebtheit bei Theater-intendanten und Opernliebhabern ein. Schon bald übernahm sie die großen Partien der Primadonnen. Sang die Rosina in „Barbier von Sevilla“, die Julia in Zingarellis „Romeo und Julia“, die Zerline im „Don Juan“ und die Agathe im
„Freischütz“. Man bezeichnete sie in Prag als die „Böhmische Nachtigall“, und schon längst war Henriettes Ruf bis nach Wien vorgedrungen, wo der damalige italienische Impresario Domenico Barbaja auf die Sontag aufmerksam geworden, sie nach Wien holte um sie für einige Gastspielabende an das Theater an der Wien zu verpflichten. Dieses von Schikaneder erbaute größte Theater Wiens war bis auf den letzten Platz gefüllt, als „die Sontag“ auftrat, und selbst die gefürchtete Theaterzeitung Wiens lobte Henriettes Sangeskünste und rein klingende Sopranstimme in höchsten Tönen. Die ganze Stadt wollte den aufgehenden Stern am Opernhimmel sehen, immer wieder, und wenn die Sontag auf der Bühne erschien, wurde sie mit frenetischem Beifall bejubelt. Als sie am 4.April 1823 die Donna Anna im „Don Juan“ sang, was ebenso ein schwieriges Unterfangen war, weil bereits die damals berühmte Wilhelmine Schröder in dieser Partie wahre Triumphe feierte, so war es umso überraschender mit welcher Vollkommenheit „die Sontag“ diese so schwere Partie gemeistert hatte, und ebenso wie ihre Vorgängerin mit überwältigendem Beifall belohnt wurde. Aber auch im neuen italienischen Repertoire zog die angehende „Prima Donna Assoluta“ alle Register – und welch ein Triumph, als sie alle Vorurteile zu Boden geschmettert hatte mit der Elena in Rossinis „Donna del Lago“.
Impresarios und Opernkomponisten rissen sich um die junge Sontag, und auch Karl Maria von Weber war von der Sontag allerliebsten und jugendlichen Frische, als auch von ihrer großartigen Stimme so entzückt, sodass er sie kurzerhand für die Titelpartie seiner neuen Oper „Euryanthe“ engagierte. Als die romantische Oper als Galavorstellung am 25.Oktober 1823 im Kärntnertortheater zur Aufführung gelangte, begrüßte man „die Sontag“ als sie die Bühne betrat mit minutenlangem Applaus, bevor sie überhaupt einen Ton gesungen hatte. Doch nach ihrer gesanglichen Glanzleistung wurde sie von einem unvorstellbaren Beifallssturm umjubelt, wobei aber Webers selbst neuartiges Opernwerk den Kritikern eher missfiel, und somit die Oper nach zwanzigmaliger Aufführung wieder abgesetzt wurde.
Doch das die Popularität des Singvögelchen mit dem kometenhaften Aufstieg, auch von Beethoven mit Wohlwollen und großer Bewunderung beobachtet wurde, ist nicht auszuschließen, und so äußerte er eines Tages den Wunsch Weber gegenüber, mit Henriette persönlich bekannt zu werden. Die Sängerin Caroline Unger versprach dem Altmeister ein Treffen mit der Sontag zu arrangieren. Doch es bedurfte noch einige Monate, als endlich am 8.März 1824, die beiden Sängerinnen an seiner Wohnung in der Ungargasse den „durch seine Hand geheiligten Klingelzug“ zogen. Das Beethoven durch die Anmut und den Liebreiz von Henriette vom ersten Tag an verzaubert war, ist nicht auszuschließen, denn sie die vom Publikum und von vielen männlichen Bewunderern verehrt, warum sollte nicht auch Beethoven für sie geschwärmt haben, wo er doch auch immer schon eine Vorliebe für das schöne weibliche Geschlecht hatte. In einem Brief an seinen Bruder Karl beschreibt er beide Sängerinnen als „schöne Hexen“, und was immer er damit gemeint haben mag, so steht doch außer Frage, dass Henriette einen großen Eindruck auf Beethoven gemacht haben muss. Da er sie auch gegenüber Schindler immer wieder im positiven Sinne erwähnt hatte.

Die böhmische Nachtigall Henriette Sontag
In Beethovens Wohnung fanden die Vorproben zu der Missa solemnis in D-Dur und zu der einzigartigen neunten Symphonie statt. Anfangs gab es musikalische Schwierigkeiten, weil des Meisters Werke zu hohen stimmlichen Anforderungen an die Unger und an die Sontag stellte. Letztendlich mussten die Sängerinnen die „unbequemen Noten“ und die Satztempi resignierend in Kauf nehmen. Denn Beethoven als Tyrann aller Singorgane ließ sich trotz aller Schönheit und weiblichen Charmes nicht erweichen, und was seine Arbeit betraf, so blieb er doch unerbittlich, und äußerte Karoline gegenüber: „Lern’s nur! Wird schon kommen, die Note“. In seiner Arbeit kannte der Meister keine Galanterie, und selbst bei seinen früheren Klavierschülerinnen, so die Überlieferung, soll Beethoven eine gewisse Strenge hat walten lassen, welches einige Schüler und Schülerinnen oft zur Verzweiflung gebracht haben soll. Abgesehen davon das es Beethoven überhaupt hasste zu unterrichten. Mit Mittelmäßigkeit gab er sich nicht zufrieden. Wenn dann, waren es die wirklich Hochbegabten denen er seine Gunst schenkte, hier dann auch seine ganze Bewunderung aussprach. Ähnlich muss es auch bei Henriette gewesen sein, die bereits nach drei musikalischen Einstudierungsproben alle gesanglichen Schwierigkeiten überwand und des Meisters Lob erntete. Nach weiteren drei musikalischen Proben mit dem Orchester konnte Beethovens musikalisches Monumentalwerk endlich am 7.Mai 1824 am Kärntnertortheater uraufgeführt werden.
Als die Solisten ins Orchester traten, wurden sie nicht wie sonst mit Applaus begrüßt, denn das gut gebildete und kunstsinnige Publikum wusste sehr wohl, dass diesmal nur dem Ehrfurchtgebietenden Tonschöpfer alle Anerkennung zu gelten hatte.
Die Unger und die Sontag postierten sich neben dem Kapellmeister Umlauf. Die schönen Grazien in ihren feierlichen seidenen Fest-kleidern waren eine ausgesprochene Augenweide für das Publikum. An der rechten Seite des Dirigentenpultes stand Beethoven in seinem alten, arg abgetragenen grünen Frack, da er keinen Schwarzen besaß. Nach der Ouvertüre „Zur Weihe des Hauses“ folgten die Sätze aus der hohen Musikmesse mit dem Soloquartett. Es ist wohl das Höchste, womit so gewaltiger Stimme noch kein Sterblicher zu seinem Gott gesprochen hat, mit der Last unaussprechlichen Leides, das Beethoven immer widerfahren, und dass er in seiner gewaltigen Musik mit sich und der Welt in Einklang gebracht hat. Beethoven taktierte wohl diese gottbegnadete, höchste Offenbarung seiner Kunst, die als Gehörbild vor seiner Titanenseele stand stumm mit, aber nichts von dem musikalischen Wunderwerk, vermochte sein Ohr aufgrund seiner Taubheit wahrzunehmen. Als auch der letzte Ton des letzten Satzes der neunten Symphonie verklang, vernahm man zunächst eine atemlose Stille. Doch plötzlich als der rauschende Beifallssturm losbrach, und die Unger den in Gedanken versunken dastehenden Tonschöpfer zum Publikum umdrehte, erst in diesem Moment vernahm er den großen Sieg als Missionar deutscher Musik. Doch bloß 420 Gulden hatte die Wiedergabe der einzigartigen, so bedeutenden Werke dem unvergleichbaren Schöpfer eingebracht, und war es umgekehrt nicht aber sogar eine Missachtung Beethovens gegenüber, der zu Lebzeiten so wie Mozart die größten musikalischen Werke geschaffen, und ihm doch am Ende mit so wenig Lohn für seine Leistung gedankt wurde? Wie wenige Genies gab es auch zu dieser Zeit die von ihrer Kunst kaum leben konnten, wenn wir hier Franz Schubert nur als Beispiel nehmen. Die Wiener wollten zwar immer Kunst, aber so gut wie gar nichts oder nur wenig dafür bezahlen. Leider hat sich seit dieser Zeit nicht viel verändert.
Als dankbarer Freund und Verehrer bedankte sich Beethoven bei seinen so ausgezeichneten Interpretinnen Caroline Unger und Henriette Sontag für die Mitwirkung an seinem so heroischen Werk, und obwohl seine Begeisterung und Verehrung für Henriette besonders groß war, so hat er sie nach dieser Begegnung und Zusammenarbeit in Wien nie mehr wieder gesehen. Nicht einmal Korrespondenzen zwischen Beethoven und der Sontag sind uns bekannt. Henriette mag wohl dieses Erlebnis in stolzer Erinnerung geblieben sein, aber auch hier finden sich keinerlei Korrespondenzen über die so erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Meister und Henriette.
Aufgrund von neidischen älteren Rivalinnen, die ständig gestichelt und gegen die so junge erfolgreiche Sängerin intrigiert hatten, verlor Henriette außerdem die Freude weiterhin in Wiener Konzertsälen und Theatern aufzutreten. Denn die rheinländische Frohnatur Henriettes ließ sich wohl kaum mit dem Wiener Neid und Hass in Einklang bringen. Auch Henriettes Mutter Franziska, die selbst Sängerin, und bereits mit 12.Jahren als Opernsoubrette auf der Bühne stand, wollte ihre Tochter nicht weiterhin den Schikanen der Wiener Kollegen und Kolleginnen ausgeliefert wissen, und so bemühte sie sich bereits um Engagements im deutschen Reich. Noch einmal sang Henriette am 17.April 1825 in einem ausverkauften Abschiedskonzert im Redouten-saal und verließ dann für immer Wien.
Doch ihre Karriere die hier so kometenhaft begonnen, überschlug alle Erwartungen die Henriette in Berlin erwartete. Auf die Nachricht, dass Henriette Sontag aufgrund vieler Intrigen die Wiener Oper verlassen habe, meldeten sich auch schon viele Berliner Theaterunternehmer zu Wort, denn sie alle waren begierig, diesen Star endlich für sich zu gewinnen. Karl von Holtei gelang es letztendlich alle drei Damen, denn auch die jüngere Schwester Anna war ebenso ein ausgesprochenes Stimmwunder, an das Königstädtische Theater am Alexanderplatz in Berlin zu engagieren. Mit der geschäftstüchtigen Mutter Franziska wurde nach wochenlangen Verhandlungen ein für die Zeit außergewöhnlicher Vertrag abgeschlossen. 5000 Taler für die 19.-jährige Henriette, 2000 Taler für die Mutter Franziska, und für die jüngere Schwester Anna eine Gage von 500 Taler. Bedenke man das 5000 Taler umgerechnet dem eines Jahreseinkommens von 10.000 Gulden entsprachen, so wären das nach heutiger Berechnung ungefähr 153.600 EURO gewesen, das immerhin auch den Wert eines heutigen Opernstars entspricht. Somit lebte die Sontag mit einer Gage von über 12.000 Euro im Monat gar nicht schlecht, wenn man umgekehrt bedenkt das Beethoven für sein phänomenales Werk wie die Neunte, nach dem heutigen Wert, gerade einmal lächerliche 6.451, – EURO erhielt, wo als weiteres Beispiel selbst Goethe 6000 Gulden (etwas über 92.000 EURO) zur damaligen Zeit im Jahr verdiente.
Als Henriette am 3.August 1825 zum ersten Mal in der Rolle als Isabella in Rossinis „Italienerin von Algier“ vor dem Berliner Publikum auftrat, brach ein so genannter Sontag – Fieber aus. Mit Jubel wurde sie gefeiert, überschüttet mit Blumen und Kränzen. „Vivat! Vivat! Vivat!“ schmetterten die wie noch nie begeisterten Spree-Athener im Chor. Ein Jubel der kein Ende nehmen wollte, und das allabendlich, an denen man sich bereits an der Kasse des Königsstädter Theaters um die Eintrittskarten schlug, nur um die göttliche Henriette auf der Bühne zu erleben.
Die Königin aller Nachtigallen war auch bald der Mittelpunkt des regen und fröhlichen Gesellschaftslebens von Berlin. An theaterfreien Tagen veranstalteten die Freunde für Henriette Land – und Wasserpartien, und es wurde überliefert, dass sie außerdem eine ausgezeichnete und kühne Reiterin war. „Sie singt wie ein Engel und reitet wie der Teufel“ hieß es von ihr, wo Henriette meistens auch immer von einem Regiment von mehr oder minder netten Anbetern begleitet war. König Friedrich Wilhelm III, dem sogar nachgesagt wurde, in die wunderschöne Henriette verliebt gewesen zu sein, ernannte sie im Mai 1826 zur preußischen Kammersängerin. Doch Paris wartete bereits auf die stimmliche Göttin des Olymps – und viele Berliner bangten natürlich um ihre „joldige Jette“ so wie sie Henriette verehrungswürdig nannten. Doch trotz des großen Erfolges auch an der Pariser Oper kehrte die Sontag immer wieder nach Berlin zurück. Sie war inzwischen zu einer Weltberühmtheit geworden – die europäische Nachtigall. Am 11. September 1826 trat die Sontag wieder in Berlin auf. Die Königin aller Nachtigallen feierte weitere Erfolge an der Hofoper Berlin, wo sie am 29.September 1827 als Donna Anna auftrat und wahre Triumphe feierte.
Einige Monate vorher am 26.März verstarb Beethoven in Wien, wo ihm in den letzten Monaten seiner schweren Krankheit, die großen Erfolge der Sontag aber immer wieder von Freunde und Schindler übermittelt wurden. Wie von Stolz muss seine Brust erfüllt gewesen sein, dass die so unkomplizierte und herzensgute Henriette mit der begnadeten Stimme so triumphale Erfolge in Berlin feierte. Doch mit Wehmut erfüllte ihn auch die Erinnerung an die Zeit, als er selbst 1796 für längere Zeit sich in Berlin aufhielt, um sich hier um eine Stelle bei Hof zu bemühen. Dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. der als Musikliebhaber und Cellospieler bekannt, widmete Beethoven, die seinerzeit in Berlin entstandenen zwei Sonaten für Klavier und Violoncello (F-Dur und G-Moll op.5). Doch offenbar aussichtslos erschien es für den damaligen jungen Beethoven eine feste Anstellung am preußischen Hofe zu bekommen, sodass er nach wenigen Monaten wieder abreiste um nach Wien zurückzukehren.
Die Primadonna die einst in der „Missa Solemnis“ und in der neunten Symphonie die Sopranstimme gesungen hatte, sie war schon lang in aller Munde, und genoss Ruhm und Anerkennung. Sie wurde ebenso in London, Petersburg, New York und in anderen nord-amerikanischen Großstädten gefeiert, und sie wurde zur Legende auch in der amerikanischen Operngeschichte. Doch bei ihren letzten Auftritten in Mexiko erkrankt der „unvergleichbare Stern am Opernhimmel“ an Cholera wo sie nach zwei Tagen des Leidens am Samstag, den 17.Juni 1854 um 3:00 Uhr nachmittags verstarb. Erst nach 12 Monaten wurde ihr Leichnam in ihre Heimat überführt wo sie im Stift Marienthal in der Lausitz ihre ewige Ruhe fand.
Doch um den Tod von Henriette Sontag ranken sich auch andere Gerüchte, dass sie nicht an Cholera verstorben, sondern von ihrem Gatten dem Grafen Rossi aus Eifersucht vergiftet worden sei. Denn es wurde der 48jährigen Sängerin nachgesagt, mit dem 26jährigen Vollblutitaliener Pozzolini, dem feurigen Tenor ihrer Truppe, schon seit längerer Zeit ein Liebesverhältnis unterhalten zu haben. War es also wirklich ein Racheakt des eifersüchtigen Gatten – oder nur ein von Gott gelenktes Schicksal? Denn Tatsache ist, dass der Sänger Pozzolini und Henriette zur gleichen Zeit erkrankten und verstarben. Ob beide wirklich an einen Cholera – Typhus erkrankt und verstorben sind lässt sich nur schwer nachzuvollziehen. So ließen doch die sehr widersprüchlichen Aussagen des Grafen Rossi, der aus einem verarmten sardinischen Adel abstammend, und durch sein Laster des Roulette – und Kartenspiels, bereits Henriettes gesamtes Vermögen verspielt hatte, einige Bedenken aufkommen. Man könnte diesen Gerüchten durchaus Glauben schenken, da Rossi Henriettes Leiche nicht sezieren und einbalsamieren ließ, und bereits zwei Tage später eine provisorische Beisetzung in San Fernando erfolgte. Was natürlich in so wärmeren Ländern nichts Ungewöhnlichen war, aber doch so manches Misstrauen dadurch genährt wurde. Allerdings bestätigen Briefe, das Rossi seine Henriette über alles geliebt haben soll, und im größten Schmerz und Trauer seine Rückreise nach Deutschland antrat. Wie es wirklich um Henriettes Liebesleben bestellt war, dieses Geheimnis mag wohl die so Göttliche des Gesangs mit ins Grab genommen haben.
Goethe bezeichnete sie einst als Helena, die Tochter des Zeus, als „schönstes Weib der Welt“. Was für eine Faszination muss sie auf Beethoven ausgeübt haben allein mit ihrer „gewaltigen Stimmkraft“. Henriette Sontag wurde ebenso zu einer Legende so wie Beethoven als Komponist. Um Beide ranken sich immer wieder neue Gerüchte – doch die so Göttliche mit der unvergleichbaren Stimme, hatte nach ihrem Verlassen aus Wien nie mehr Kontakt zu eines der größten deutschen Tondichter.

Manuela Miebach

