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MANNHEIM: TOSCA als „Festliche Opernaufführung“

28.11.2016 | Oper

Mannheim: „TOSCA“  FOA 27.11.2016

Im Zyklus der „Festlichen Opernabende“ am Nationaltheater gaben sich wiederum internationale Opernstars die Ehre. Gäste kamen, Gäste gingen so nun auch in Renate Ackermanns Inszenierung der „Tosca“ ( Giacomo Puccini) des Jahres 1994, welche sich in ihrer authentisch-modernen Sichtweise immer noch vom gegenwärtigen Regietheater wohltuend abhebt. Die fesselnde Produktion hat seitdem nichts von ihrer Glaubwürdigkeit und immensen Spannung eingebüßt.  Derart formelles Musiktheater geht unter die Haut, treibt dem Zuschauer den Schweiß auf die Stirn und lässt ihn im Wechselbad der Empfindungen erschauern. Ohne befremdliche Mätzchen agieren die Sänger auf fast leerer Bühne (Hans-Martin Scholder), die Kirche Andrea della Valle befindet sich im Renovierungszustand, nackte Betonwände ohne Schmuck, das Kabinett Scarpias mit wehenden weißen Vorhängen, Schreibtisch und Stuhl aufgepeppt  bringt das dramatische Geschehen dieser nüchternen Szenerie doppelt zum Tragen.  Beste Bühnenoptik vermittelt jedoch zweifellos das dritte Bild die geöffnete Bühnen-Rückwand zur atmosphärisch beleuchteten  Morgenstimmung. Kontrastreich harmonieren die dezent-attraktiven Kostüme (Eva Dessecker).

Als Titelheldin hatte man Tatiana Serjan geladen. Operngalas haften meist besondere Problematiken an, erbringen Gäste wirklich besondere Leistungen was ihre prominenten Namen versprechen?  Zweifellos bot die russische Sopranistin zur Attitüde der Primadonna, der Eifersüchtigen, dramatischen Darstellerin beste Figur – doch wirkte die Dame stimmlich  in meinen Ohren recht zwiespältig. Tatiana Serjans brachte ihrem Lover noch liebevolle sanfte Töne entgegen, doch zunehmend schlichen sich Intonationsprobleme und unschöne Töne insbesondere der gleisendenden Mittellage ein. Gewiss verfügt ihr Sopran über ein mächtiges Potenzial, wenige innige Momente ließen auf einen adäquaten Vokal-Eindruck hoffen, doch ausufernde Schärfen nahmen dem Hörer jegliche Illusion auf ein inniges  Gebet,  damit konnte sie weder Scarpia noch mich berühren. Im Vergleich der Tosca-Interpretinnen des hauseigenen Ensembles hatte Tatiana Serjan mit dieser Darbietung einen schweren Stand.

Von ganz anderem Kaliber erwies sich dagegen (der einstige Mannheimer) Michael Volle  als hintergründig-fieser Polizeichef verstand es der international gefragte Charakter-Bariton in dynamisch facettenreicher Gestaltung zu fesseln und vermittelte auf wunderbare Weise, was Begriffe wie Bühnenpräsenz, Persönlichkeit und Ausstrahlung bedeuten. Vokal strömte sein herrlich timbriertes Material weich dahin, verlor selbst während der expressiven Passagen sowie dem kraftvollen Tedeum nicht an nuanciertem Farbreichtum und bescherte dem begeisterten Publikum italienischen Belcanto allererster Güte.

Als neues Mitglied am NT punktete der Georgier  Irakli Kakhidze mit qualitativen tenoralen Qualitäten und wusste sein schön timbriertes Material in bester Manier einzusetzen. Unglaublich in diesem relativ kleinen Land scheinen Sänger und Künstler auf Bäumen zu wachsen.  Kakhidzes Stärken liegen offensichtlich in den prächtig fokussierten Höhenbereichen  seiner ansprechend schönen Stimme, welche er akzentuiert wohl dosiert einzusetzen vermag. Lediglich im Mittelbereich verlor das lyrisch-farbenreich geführte Organ an substanziellem Potenzial und dürfte sich noch reparabler gestalten lassen. Zur trefflichen Mimik schenkte er dem Cavaradossi  glaubwürdige sympathische Züge.

Bei guter Stimme präsentierte Joachim Goltz den betulich agierenden Mesner, ebenso John In Eichen den Angelotti. Rollendeckend, vokal angenehm fügten sich die kleinen Partien Spoletta (Uwe Eikötter), Sciarrone (Junchul Ye), Schließer (Stephan Somburg), Hirt (der Knabensopran Theodor Wagner) ins Geschehen. Vortrefflich vokal imposante Auftritte bescherten  der Kinderchor (Anke-Christine Kober) sowie der Chor des NTM (Dani Juris).

Benjamin Reiners leitete das bestens disponiert aufspielende NT Orchester über die Klippen der Partitur, bemühte sich trotz kleiner Differenzen zwischen Graben und Bühne um eindrucksvolle herrliche Puccini-Lyrismen und während der Forteausbrüche  um instrumentalen Schönklang.

Prasselnder Applaus für das Ensemble, Bravochöre für die drei Hauptprotagonisten sowie Dirigent und Orchester.

Gerhard Hoffmann

 

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