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MANNHEIM/ Rosengarten: SWR – ABOKONZERT – Robert Treviso; Sabine Meyer (Klarinette) – Weber, R. Strauss

30.01.2022 | Konzert/Liederabende

Mannheim / Rosengarten: „SABINE MEYER – SWR S.O. – ROBERT TREVINO“

 SWR – Abo – Konzert 29.01.2022

Bedingt der strengen Corona-Vorgaben erweiterten sich die Besucherabstände im Mozartsaal des Rosengartens und es waren nur 500 Personen zugelassen. Nichts dessen zum Trotz fand das Abo-Konzert des SWR Symphonieorchesters unter der Leitung des Gastdirigenten Robert Trevino dennoch statt. Ein wahrer Glücksfall, denn Hiobsbotschaften erreichten mich aus den Nord-Süd-Musikmetropolen mit Absagen internationaler Orchester.

Im Mittelpunkt des Konzertabends stand das „Klarinetten-Konzert Nr. 1“ von Carl Maria von Weber mit der renommierten Solistin Sabine Meyer.  Webers Art entfaltet sich in diesem Werk ganz besonders: Ritterlichkeit, Schwermut, Verinnerlichung, Schelmerei, Dramatik und Empfindsamkeit geben sich hier ein Stelldichein. Wobei der eigentliche musikalische Ausdruck vorbehaltlich dem Orchester gewidmet, der Soloklarinette wurde jedoch ein besonderer Spielraum vorbehalten. Sabine Meyer verstand es mit wechselnder Rhythmik das famose Werk individuell in technischer Perfektion, variablen Couleurs wirkungsvoll zu beleben. Virtuos entlockte sie ihrem Instrument ausgelassene Schalkhaftigkeiten und rückte thematische Stimmungen in besinnliche Nähen.  Dezent, anmutig, kontrapunktiert und dennoch herzhaft lebendig begleitete das SWR Symphonie Orchester unter der subtilen Stabführung von Robert Trevino.

Einhellig große Begeisterung wurde der Solistin zuteil welche sich zur Orchesterbegleitung „ohne Dirigent“ mit einem kurzen „Concertino“ aus dem 3. Satz  Menuetto (Capriccio. Presto) von Carl Maria von Weber aus seinem Klarinettenquintett B-Dur op. 34  bedankte.

Eingebettet war das Konzert zwischen zwei wunderbaren Tondichtungen aus der Feder von Richard Strauss. Zur Eröffnung erklangen „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ das orchestrale Schelmenstück des nicht weniger schelmischen Meister-Komponisten.Der junge Strauss plante eine Eulenspiegel-Oper nach eigenen Texten, jedoch der Misserfolg seines Guntram verleidete ihm dieses Vorhaben, und er benutzte die vorhandenen Vorgaben zur Tondichtung.

Pfiffig, verschmitzt zwischen intellektuellem Kalkül und emotionalem Bekenntnis begegnete Robert Trevino mit dem famos musizierenden SWR SO. dem brillanten Orchesterscherzo. Gemächlich, süffisant ließ Trevino den Titelhelden orchestral schlendern auf neue Taten sinnend, seine Weise vom Horn verkündet, stolzierte das Refrain durchs Rondo, variierte in burlesken Metamorphosen, Tills Motiv erklang durch die freche Klarinette intoniert. Ein geistvolles Spiel mit Motiven und witzigen reizvollen Instrumentaleffekten folgte. Liedhaft die Weise der Violinen, die Hörner erlaubten sich lustige Quartsprünge, die Klarinetten schlugen Kapriolen, die Töpfe der Marktweiber zerbrachen im Geschrei und Gekeife der instrumentalen Turbulenzen. Die Solo-Violine zeichnete keck die Frechheiten des liebenswerten Schelms. Ein sehr motivierter Dirigent ließ den Klangkörper lustig randalieren, überschäumen, mächtig spektakeln, auch wiederum zärtlich flüstern, wie auf Samtpfötchen kamen die Töne daher. In leuchtend-strahlend farbigem Diskant malten die Instrumente Aberwitz und Narretei bis Posaunen in abstürzender Septime den tödlichen Richterspruch kündeten zum prächtigen musikalischen Finale. Das Publikum war begeistert.

Richard Strauss hatte sich schon vor seinem Griechenland-Ägypten-Aufenthalt von 1892 mit Nietzsche beschäftigt und in Weimar die ersten Skizzen zur Schöpfung der genialen Dichtung „Also sprach Zarathustra“ notiert. Diverse Komponisten wie Skrjabin, Wyschnegradsky, Mahler nahmen sich ebenfalls der mythischen Vorlage an, jedoch die Version von Strauss hatte den absoluten Durchbruch und erlebte am 27. November 1896 in Frankfurt ihre UA.

Gewaltiger Orgelklang eröffnete die Introduktion mit der Trompetenfanfare, die Ansprache an die aufgehende Sonne zu Nietzsches esoterischem Epos. Raunend formierten sich die Celli und Instrumente zum Motiv Von den Hinterweltlern welche spirituell hinter dem Diesseits ein besseres Jenseits suchten. In hoher Musikalität steigerte Trevino in die orchestralen Moll-Sphären der gezupften Streicherbässe zum emporstrebenden Sehnsuchtsthema, führte die Hörner mit der Orgel zum Credo des in sich steigernden Glaubensgesangs. Von der großen Sehnsucht konfrontiert, dem Natursignal in einer sich heftigen Steigerung der Bässe artikulierend, leiteten schließlich die Oboen und Violinen zum ausdrucksvollen Gesang Von den Freuden und Leidenschaften. Zu gedämpfter Atmosphäre erhob sich das melancholische Grablied, sehr an Liszts Faust-Themen erinnernd. Ob nun zu Streicherklängen oder den heroisch auftrumpfenden Blechfraktionen, das SWR SO. wurde vom Dirigenten zu höchst qualitativer Spielkultur animiert. Ausufernd in blühender Violinen-Seligkeit erklang die Episode Von der Wissenschaft, das reine C-Dur-Motiv bot bei Der Genesende der Natur Einhalt. Samtig rund voll Wärme vernahm man den Orchester-Sound, Robert Trevino mischte die vielfältigen Klangfarben umsichtig zu leisen Kontrasten und übermächtigen Forteeruptionen. Herrlich korrespondierten die Streicherbässe mit den Posaunenakkorden zur tonal schwerelosen Ebene im Tanzlied, sowie zur ätherisch-gipfelnden Höhe im Nachtwandlerlied und schließlich zum langsamen ambivalenten Finalausklang in symbolischer Synthese.

Jubelstürme brachen ihre Bahn, langanhaltend wurden die Gäste gefeiert.

Gerhard Hoffmann

 

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