Mannheim: „RAY CHEN + LONDON PHILHARMONIC. ORCHESTRA – CHRISTOPH ESCHENBACH. Konzert im Rosengarten 06.03.2015
Wiederholt gastierte beim Pro-Arte-Konzert im Rosengarten das London Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Christoph Eschenbach. Kürzlich feierte der unermüdliche Dirigent, mit den pianistischen Wurzeln seinen 75. Geburtstag und präsentierte mit dem Weltklasse-Orchester ein Programm mit ausschließlich Werken der deutschen Romantik.
Zum Auftakt erklang die „Egmont-Ouvertüre“ von Ludwig van Beethoven. Eschenbach malt die düstere Einleitung des Kurz-Epos um den Helden mit dem leidenschaftlichen Freiheitswillen, dessen Aufruhr und schließlich dem hellen Siegesjubel im finalen Allegro, mit dem hervorragend musizierenden Orchester in fulminanter Dynamik und zügigen Tempi.
Wie ein Intermezzo mutete dagegen Robert Schumanns „Ouvertüre, Scherzo und Finale“ an. Die Londoner musizieren die drei romantischen Stimmungsbilder in flüchtig hingeworfener Spiellaune. Lag es am zuweilen stark schnaufenden Dirigenten, seiner weniger inspirativen Zeichengebung, dass Details und Transparenz dieser Komposition weniger zum Tragen kamen? Mäßiger Applaus des Publikums!
Im Mittelpunkt des Konzertabends stand das „e-moll-Violinkonzert“ von Felix Mendelssohn in exemplarischem Vortrag des jungen Geigers Ray Chen. Am 06.03.1989 in Taiwan geboren, gab sich der sechsundzwanzigjährige Künstler heute quasi selbst ein Geburtstags-Ständchen! Der inzwischen renommierte, international gefragte Solist, lässt sich nicht zu schwerblütiger Ausdeutung der Partitur hinreißen, sein Mendelssohn bleibt stets zwischen poetischer Gefühlstiefe und heiter-eleganter Anmut. Ausdrucksvoll begann Ray Chen das Allegro molto appasionato in gelöstem Passagenspiel, mühelosem Aufschwung in höchste Regionen, den ganzen Umfang des Instruments durchmessend, um gleichwohl in der Kadenz atmosphärische Kantilenen zu zaubern. In wohliger Ermattung wurde den Holzbläsern der Vortrag des zweiten Themas überlassen, profiliert klingt die Violine, gestaltet fein gesponnen im Ton, ohne jegliche Neigung zu übertreiben. In perfekt ausbalancierten Proportionen singt das Instrument, sinnlich, räumlich konzipiert das Andante mit seiner traumhaften Melodie.
Zum klassischen Rondo des Allegro molto vivace, welches sich äußerst kunstvoll der Sonatensatzform nähert, lässt Ray Chen die Musik aus sich heraus sprechen. Die heiklen Aufgaben dieses Finale löst der Solist virtuos in hinreißender Dynamik, nobler Eleganz und bestechender Bravour, man hatte den Eindruck „ER“ bestimme die Tempi des ausgewogen, begleitenden Orchesters. Bewundernswert entfaltete Chen die formale, klangliche Schönheit seines Instrumental-Vortrags, versetzte das Publikum in einen Zustand der Verzückung, welche sich sodann in einer Welle der Begeisterung entlud.
Sichtlich erfreut bedankte sich Ray Chen in deutscher Sprache und kündigte die beiden Da Capo an: „Caprice Nr. 21“ (Paganini) brillant, dynamisch musiziert sowie das überirdisch schön gespielte „Prelude“ (Bach).
Ähnliche Eindrücke wie zur Schumann-Interpretation hinterließ Christoph Eschenbach bei der abschließenden „Symphonie Nr. 5“ (Beethoven). Das London Philharmonic Orchestra musizierte unverkrampft, wirkte in Details bestens phrasiert und plastisch. Der Klangapparat mit seinen vorzüglichen Instrumentalgruppen warf sich mit Euphorie in die heroische Partitur, doch so, schien es mir, wurde jener orchestrale Elan vom Dirigenten merklich gebremst. Bei allen Vorzügen, blieb ein ungewohnter, leichter Beigeschmack weniger Respektabilität.
Meinen Einwänden zum Trotz wurde herzlich applaudiert und zum Nachhauseweg spendeten die englischen Gäste noch Beethovens „Prometheus-Ouvertüre“.
Gerhard Hoffmann