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MANNHEIM/ Rosengarten: „PINCHAS ZUKERMAN-  MANNHEIMER PHILHARMONIKER-BOIAN VIDENOFF“ 

17.05.2023 | Konzert/Liederabende

Mannheim / Rosengarten: „PINCHAS ZUKERMAN-  MANNHEIMER PHILHARMONIKER-BOIAN VIDENOFF“  –  16.05.2023

Im Jahre 2009 gründete der Dirigent Boian Videnoff die Mannheimer Philharmoniker, dessen Leitung er bis dato innehat. Das Orchester besteht ausschließlich aus Musikstudenten*innen und bietet angehenden Orchestertmusiker*innen die Gelegenheit, Erfahrungen im Orchesterspiel zu sammeln, damit eine mögliche Festeinstellung in einem etablierten Symphonieorchester zu befördern. Dabei rotieren die Positionen der Solisten innerhalb der einzelnen Instrumentalgruppen im gesamten Klangkörper regelmäßig, sodass die Musiker*innen gleichmäßig gefördert und ausgebildet werden. Es erfolgte ebenso intensives Training im Probenspiel. Nach Angaben der Orchester-Leitung hatten bisher über 500 Musiker aus über 40 Ländern Erfahrungen bei den Mannheimer Philharmonikern sammeln können. Zahlreicher Teilnehmer*innen wurden bisher von internationalen Orchestern engagiert.

Das Orchester gastierte in eigenen Konzertreihen regelmäßig im Mannheimer Rosengarten und trat im Rahmen von Symphonie- und Kammerkonzerten während Tourneen in bedeutenden Konzertsälen Europas, Asien mit namhaften internationalen Solisten wie u.a. Martha Argerich, Mischa Maisky, Michael Barenboim, Igor Levit, Elena Bushkirova, Lars Vogt, Sonya Yoncheva auf.

Für den heutigen Konzertabend wurde der renommierte Geiger Pinchas Zukerman gewonnen. Der Solist von international hohem Rang begegnete mir im Laufe der letzten Jahrzehnte schon mehrmals, jedoch hielt sich heute meine Begeisterung in Grenzen. Der versierte Grandseigneur brachte eines der schönsten Violinkonzerte der Musikliteratur das „Violinkonzert Nr. 1 g-moll“ von Max Bruch zu Gehör. Es war nicht nur das erste Instrumentalwerk des Komponisten sondern auch sein erstes großes Violinkonzert überhaupt, mit welchem Bruch merkliche Formungsschwierigkeiten hatte, es  zur endgültigen Fertigstellung lange feilte und verbesserte bis es am 24. April 1866 in Koblenz seine UA erlebte. Dennoch war der Komponist mit dem Resultat nicht zufrieden, überarbeitete es erneut, zog diverse Solisten zu Rate insbesondere den Geiger Joseph Joachim dem er das Werk sodann widmete und dieser es sodann in der endgültigen Fassung am 07. Januar 1868 in Bremen aus der Taufe hob.

Mit  breiten Tempi, geschmeidigem Ablauf nahm sich Pinchas Zukerman das einleitende Allegro moderato vor, sein Violinton vermittelte in jedem Moment die reife Dynamik eines in die Jahre gekommenen Solisten. In unsentimentalem Spiel von solider Virtuosität widmete sich Zukerman dem kadenzierten Vorspiel, wechselte verblüffend unkonventionell in das emotionale Adagio, die Phrasierungen ungemein plastisch artikulierend. Verdichtet, nuanciert  zu dennoch feinen Violintönen steigerte sich Zukerman in die ungarische Thematik des finalen Allegro energico. In versierter Seelenverwandtschaft begleiteten die Mannheimer Philharmoniker mit weichen schwelgerischen Klangformationen, aber auch scharfartikulierten Ecksätzen von  Boian Videnoff temperamentvoll inspiriert.

Das Publikum des vollbesetzten Musensaals feierte Zukerman herzlich und wurde mit der ungewöhnlichen  Zugabe Guten Abend, gute Nacht  belohnt und zum mitsingen animiert. Na ja, bayrisch formuliert: ´s bast schoo!

Im Frühjahr 1829 trat der 20jährige Felix Mendelssohn-Bartholdy seine erste (von insgesamt zehn) Englandreise an. Nach erfolgreichen Konzerten als Solist und Dirigent in London reiste er im Juli mit dem befreundeten Karl Klingemann nach Schottland weiter, in die Northen Highlands bis zu den Hebriden. Die schroffen felsenreichen Gestade inspirierten den romantischen Komponisten zu seiner „Hebriden-Ouvertüre“ mit welcher die Philharmoniker in flottem Musizierstil, jedoch auch mit disharmonischem Bläserton den Konzertabend eröffneten.

U.a. besuchte  der reiselustige Mendelssohn die ruinöse Kapelle in welcher dereinst Maria Stuart zur Königin von Schottland gekrönt wurde, in dieser Atmosphäre reiften die ersten Gedanken zu  seiner dritten Symphonie.

Es war interessant ja regelrecht frappierend zu erleben mit welcher spezifischen Denkweise der Dirgent sich mit dem Komponisten frühromantischer Sinfonik  auseinandersetzte und mit seinem jungen Orchester kongenial in Klänge wandelte. In  akribischer Konzentration verband Videnoff im Ineinandergreifen die vier Sätze, die einheitlichen Natur- und Seelenstimmungen mit dem aufmerksam musizierenden Orchester demonstrierend. Der Grundthematik der Andante-Einleitung folgte das liedhafte  Allegro un pocco agitato in kunstvoll verflochtener Rhythmik. Famos gelang die Verbindung satztechnischer Details in artikulierter Instrumentalisierung. Bewundernswert mit welcher Hingabe die jungen Musiker*innen jedes noch so kurze Crescendo in die stimmige Gesamtdramaturgie der dimensionierten Spannungen integrierten und sich von den Intensionen ihres Dirigenten mitreißen ließen. Akkurat intonierende Flöten im Teamplay mit den Streichern im punktuellen Rhythmus der Folgegedanken vorgetragen, schenkten dem Adagio ungetrübten Hörgenuss. In licht transparenter, temporeicher Interpretation folgte der finale Orchestersatz des Allegro mit seinem imposant musizierten heroischen Posaunenthema.

Angenehm überrascht bar des orchestralen Niveaus dieses Klangkörpers, ließ ich mich von der Begeisterung des Publikums mitreißen.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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