Mannheim / Rosengarten: „LA FORZA DEL DESTINO“ – 15.03.2023
Zsuzsanna Àdám, Irakli Kakhidze. Foto: Christian Kleiner
Genau so könnte man die teils unvorhergesehenen Realitäten der Sanierungs-Phasen des Nationaltheaters benennen: Zum Neubau der Ausweich-Spielstätte OPAL (Oper am Luisenpark) ging die Baufirma kurz vor Fertigstellung in Insolvenz, bereits davor wurden Konzert-Säle, Industriehallen, das Pfalzbau-Theater in Ludwigshafen etc. für musikalische Events angemietet. Weshalb allerdings die von Intendant Puhlmann im letzten Sommer angekündigten Parsifal-Aufführungen 2023 gestrichen wurden (obwohl der Pfalzbau in der Osterwoche frei) bleibt wohl dessen Geheimnis. Éntschuldigung! Auch nach der Pandemie, während unglücklichen Sanierungs-Zeiten, bedarf es vorausschauender kluger Köpfe. Den unerforschlich tief geheimnisvollen Grund, wer macht der (Opern)Welt ihn kund?
Nun jedenfalls die Premiere (ich besuchte die 2. Aufführung) „La Forza del Destino“ von Giuseppe Verdi ging nach 18 Jahren Abstinenz am NTM reibungslos halbszenisch im Musensaal des Rosengartens über die Bühne. Dank großartiger Sänger-Darsteller*innen, wissend um die Materie der Textur, verzichtete man auf zeitgenössische Regie-Absurditäten, dennoch wurden lt. Programm die Künstler*innen von zarter Hand (Cordula Demattio) dezent dramaturgisch geführt. Die Lichtdesigner Florian Arnholdt/Damian Chmielarz besorgten die ausgezeichnete Farb-Illuminationen. Ich gestehe ohne Scham: ich liebe derartige grandiose konzertante „Inszenierungen“.
Seit Jahrzehnten kenne ich die tückisch-trockene Akustik des Musensaals, doch Janis Liepins am Pult des vortrefflich disponierten Nationaltheater Orchesters erlag ihr keineswegs, zauberte mit seinem prächtig aufspielenden Orchester italienische Klangkultur. Berückend schön seidenweich erklangen die Violinen, sonor fabelhaft die dunklen Streicher und Celli, gedämpft nie grell wirkten die Blechbläser, fügten sich wirkungsvoll elegant in die Musiziernote des gesamten Klangapparates zu spannend-dichten Konstellationen. Wohldosierte Tempi auch in Koordination mit dem transparent agilen NTM-Chor (Dani Juris) ließen umfangreiche Probenarbeit vermuten.
Pardon meine Damen, aber die Sanges-Krone des Abends gebührt zweifellos Irakli Kakhidze! Die großartige Tenorstimme kommt aus Georgien (ich hatte bereits die Ehre den herrlichen Flecken Erde zu bereisen), dem Land in welchem Künstler*innen auf Bäumen zu wachsen scheinen. Kakhidze führte seine Stimme mit atemberaubender Selbstverständlichkeit in schier grenzenlose Höhen, in aller Pracht entfaltete sich das herrlich timbrierte Material, entwickelte wohldosiert emotionales Stilgefühl, verstand es lyrischen Wohllaut mit lupenreiner, effektvoller Spitzentönen sowie bewundernswerter Legatokultur zu verbinden und überzeugte auch darstellerisch als fulminanter Alvaro.
Diese Vorzüge blieben dem Bariton Evez Abdulla zuweilen verwehrt. Gewiss gab er dem rachesüchtigen Carlo optisch-darstellerisch ideales Profil, trumpfte mit seinem strömenden Vokalpotenzial mächtig auf, auch blitzten schöne Momente auf, jedoch ließ das voluminöse Organs weniger Stimmkultur erahnen. Erst im dritten Aufzug gelangen ihm dichtere Klangvariationen.
Sonore, schönstimmige Bassfülle sowie würdevolle Autorität schenkte Sung Ha dem Padre Guardian. Mit Schalk im Nacken, baritonal-markant, kraft- und klangvoll servierte Joachim Goltz den Melitone ebenso als optisch vortreffliches Kabinettstück. Bestens fügten sich Serhii Moskalchuk (Alkalde), Haesu Kim (Trabucco) ins Ensemble, Ks. Thomas Jesatko verkörperte Marchese di Calatrava.
In rhythmischer Formation und glanzvoller Vokalise agierte erneut der von Dani Juris vortrefflich einstudierte Chor des NTM in prächtigen Nuancierungen.
Als Leonora gastierte Zsuzsanna Àdám von der Staatsoper Budapest, wartete mit solide geführtem Sopran auf. Ebenmäßig floss die abgedunkelte Mittellage dahin, jedoch wirkten ihre Höhenflüge seltsam kurzatmig ohne Silberglanz. Glaubwürdig hingegen interpretierte die Sängerin die Kloster-Szenen mit beseelten Piani.
Temperamentvoll, optisch sehr präsent rührte Jelena Kordic die Trommel und warb um Rekruten. Ob jene allerdings auch Preziosilla vokalen Reizen folgten, wage ich zu bezweifeln. Denn mit weniger verführerischen Mezzosopran-Farben doch umso mehr Höhenmetall brachte die Dame ins Spiel.
Vehement feierte das Publikum alle Mitwirkenden, ganz besonders und wohlverdient Irakli Kakhidze.
Gerhard Hoffmann