MANNHEIM/ Rosengarten: Einstandskonzert des neuen Mannheimer General-Musikdirektors Roberto Rizzi Brignoli (Verdi, Casella, Resphigi)
Italienische Reise
Rosengarten/ Mozartsaal. Foto: Christian Gaier
Am Abend des 17. Oktober 2023 versammelte sich das Publikum im prächtigen Rosengarten in Mannheim, um das Einstandskonzert des neuen Generalmusikdirektors des Nationaltheaters Mannheim, Roberto Rizzi Brignoli, zu erleben. Die Vorfreude war spürbar, denn Brignoli hatte ein außergewöhnliches Programm zusammengestellt, das ausschließlich Werke seiner Heimat Italien gewidmet war. Das Konzert versprach eine musikalische Reise durch die facettenreiche Welt der italienischen Musikgeschichte zu werden.
Die Eröffnung des Abends erfolgte mit der Ouvertüre aus Giuseppe Verdis „I Vespri Siciliani.“ Dieses Werk ist geprägt von dramatischer Intensität und eindrucksvoller Orchestration. Verdi und Brignoli müssten eine sichere Bank sein. Aber es kam anders, als erwartet. Die Ouvertüre geriet zu einer erstaunlich behäbigen Angelegenheit, bei der präziser Rhythmus und Vorwärtsdrang kaum auszumachen waren. Die Ouvertüre trat zu oft auf der Stelle, das Schlagzeug ertönte zu defensiv und die Dynamik wirkte reichlich monochrom. Das Zusammenspiel war nicht optimal abgestimmt. Die musikalische Leidenschaft, die in dieser Ouvertüre steckte, war wenig spürbar. Der neue GMD wirkte in seiner Zeichengebung klar und extrem sachlich. Er ist kein Dirigent, der ein Orchester deutlich befeuert oder motiviert. Mit eher kleinen Bewegungen und sparsamer Mimik ordnete er den orchestralen Betriebsablauf. Das Orchester des Nationaltheaters Mannheim antwortete auf Brignolis Führung mit einem betont akademischen Vortrag, der über gediegene Routine nicht hinaus kam und vom Publikum lediglich mit kurzer Anerkennung gewürdigt wurde.
Die Komposition „Italia“ von Alfredo Casella ist ein bedeutendes Werk in der italienischen Musik des 20. Jahrhunderts. Casella war ein herausragender Komponist und Pianist, der maßgeblich zur Entwicklung der italienischen Musik im 20. Jahrhundert beitrug. „Italia“ ist ein sinfonisches Gedicht, das verschiedene Aspekte und Emotionen Italiens einfängt. Die Musik zeigt die klangliche Vielfalt des Landes, von seiner lebhaften und temperamentvollen Natur bis zu seiner tiefen Geschichte und kulturellen Bedeutung. Die Komposition zeichnet sich durch ihre harmonische Raffinesse und ihre klangliche Farbenpracht aus. Mitunter sind die Farbgebungen düster und unheilvoll. Herausragend sind ein intensives Englischhorn-Solo und die durch Dissonanzen verfremdeten bekannten italienischen Kanzonen, wie z.B. das unverwüstliche „Funichuli, Funichula“. Unter der Leitung von Roberto Rizzi Brignoli konnte das Orchester des Nationaltheaters Mannheim die subtilen Nuancen und die lebendige Klangwelt dieses Stücks auf gelungene Weise zum Leben erwecken. Brignoli betonte in seiner Lesart Farben und Akkordverläufe. Zuweilen wirkte er als Zuhörer seines Orchesters. Auch hier agierten Orchester und Dirigent respektvoll, distanziert. Aufbruchstimmung oder Enthusiasmus zeigte sich nicht. Auffallend selten schauten die Musiker des Orchesters nach ihrem neuen Leiter. Da ist noch viel Annäherung zu leisten, um dieses neue Bündnis erfolgreich zu entwickeln.
Roberto Rizzi-Brignoli. Foto: Manfred Rinderspacher
Der Höhepunkt des Abends war zweifellos Ottorino Respighis „Römische Trilogie,“ bestehend aus „Fontane di Roma,“ „Pini di Roma“ und „Feste Romane.“ Selten wird sie komplett aufgeführt. Die „Römische Trilogie“ besteht aus drei sinfonischen Dichtungen, die die Schönheit und Pracht Roms in den verschiedenen Tageszeiten und bei unterschiedlichen Anlässen einfangen. Respighi war ein Meister der orchestralen Klangmalerei, und Brignoli erwies sich als wissender Interpret für diese eindrucksvollen Werke. Seine Fähigkeit, die sinfonischen Dichtungen mit lebhaften Bildern und Eindrücken zu füllen, war gut nachzuvollziehen. „Fontane di Roma“ (Brunnen von Rom) präsentiert vier römische Brunnen in verschiedenen Momenten des Tages. Respighi verwendet hier eine reiche Orchestration, um die Wasserspiele und die Umgebung der Brunnen musikalisch darzustellen. Mit den „Pini di Roma“ (Die Pinien von Rom) führt Respighi den Hörer in die römischen Pinienhaine und porträtiert sie in vier Sätzen, die verschiedene Aspekte und Stimmungen der Landschaft einfangen. Besonders eindrücklich sind seine Klangspielereien mit den Vogelstimmen der Nachtigall. Die orchestrale Pracht und die klanglichen Details machen dieses Werk zu einem Höhepunkt der sinfonischen Dichtung. „Feste Romane“ (Römische Feste) beschreibt vier römische Festlichkeiten, darunter das Karnevalsfest und ein Nachthallenspektakel. Die Musik ist lebhaft, farbenfroh und voller Energie, und Respighi nutzt die orchestrale Besetzung äußerst geschickt, um die lebendigen Szenen zum Leben zu erwecken. Respighi verlangt ein riesiges Orchester mit zehn Schlagzeugern, Mandoline, Orgel, Klavier und Fernmusikern.
Unter der souveränen Leitung von Roberto Rizzi Brignoli und dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim konnten die subtilen Nuancen und die klangliche Pracht von Respighis „Römischer Trilogie“ auf eindrucksvolle Weise dargestellt werden. Das Publikum wurde auf eine musikalische Reise durch die Sehenswürdigkeiten und Klänge Roms mitgenommen, und die musikalische Darbietung war ein klangintensives Erlebnis. Das Orchester des Nationaltheaters war gut vorbereitet und überzeugte in allen Spielgruppen. Exzellente Soli gelangen Klarinette, Englisch-Horn, Horn und Trompete. Das Publikum im Rosengarten zollte andauernden Applaus und verzichtete dabei auf Jubel.
Insgesamt war das Einstandskonzert von Roberto Rizzi Brignoli im Mannheimer Rosengarten ein ambivalenter Anfang, dem kein Zauber innewohnte. Es bleibt abzuwarten, wie sehr sich Orchester und Dirigent in der musikalischen Zusammenarbeit annähern. Die Distanz auf beiden Seiten war für einen Neubeginn auffallend und überraschend. Die fehlende Energie auf dem Podium des neuen GMDs übertrug sich leider allzu deutlich auf Orchester und Publikum. Es ist allen Beteiligten eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu wünschen. Beim Einstandskonzert blieben zunächst noch Fragezeichen gesetzt und Wünsche offen.
Dirk Schauß, 19. Oktober 2023
Besuchtes Konzert am 18. Oktober 2023 im Mannheimer Rosengarten
Einstandskonzert des neuen Mannheimer General-Musikdirektors Roberto Rizzi Brignoli
Fotos:
Brignoli-Portrait – Copyright by Miina Jung
Akdemiekonzert – Copyright by Manfred Rinderspacher
Mozartsaal – Copyright by Christian Gaier