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MANNHEIM: PARSIFAL am Karfreitag – ein beglückendes österliches Erlebnis

27.03.2016 | Oper

Mannheim: PARSIFAL – 25.3.2016

Ein beglückendes österliches Erlebnis

Edna Prochnik
Ich sah ihn und lachte…“. Edna Prochnik als faszinierende Kundry. Copyright: Hans-Jörg Michel

Seit 1957 steht nun diese Parsifal-Inszenierung von Hans Schüler in den Bühnenbildern von Paul Walter (Kostüme: Gerda Schulte) auf dem österlichen Spielplan des Nationaltheaters Mannheim. Eine beachtliche Leistung, eine in sich stimmige Inszenierung jedes Jahr neu zu beleben und sie auf das sorgfältigste zu pflegen. Ganz im Stile von Wieland und Wolfgang Wagners Neu-Bayreuth (im Wesentlichen die Jahre 1951-1966) wurde dieser Parsifal fern aller politischen Verdächtigung Ende der fünfziger Jahre von den ihr anhaftenden Verfälschungen gereinigt auf die Bühne gebracht. Und so präsentiert sich diese Parsifal-Inszenierung uns nun in einer total veränderten Zeit; Es sind ja auch fast 60 Jahre seither vergangen. Die Welt hat sich verändert, die Herangehensweise ans Wagner‘sche Werk hat sich seit Götz Friedrich, Harry Kupfer und Patrice Chéreau um 180° gedreht. Und doch ist es höchst interessant und setzt ganze Eindrucks-Wellen frei, wenn man sich dieser immer noch gut erhaltenen Inszenierung öffnet. Die seit einigen Jahrzehnten nicht mehr geübte Scrim-Technik mit portalgrossen Schleiern, Projektionen und Beleuchtungseffekten hat nichts von ihren Zauber eingebüsst. Wo sieht man heutzutage noch eine Wandeldekoration, die in nahezu abstrakten Bildern den inneren Weg zum Gral beschreitet. Doch auch der Darstellungsstil hat sich gewandelt. Wollte man seinerzeit weg vom Realismus, so ist man zwischenzeitlich nach einem extremen Aktionismus bei einer verfremdenden Interpretation angelangt. Vermutlich, weil man einer echten Auseinandersetzung mit dem Werk und der spezifischen Gefühlswelt, die nun mal der Parsifal ausstrahlt, aus dem Weg geht und offenbar eine andere „Aufsicht“ auf dieses komplexe Werk hat. Das ist sicher auch für die heutige Zeit eine Option. Aber nun hat man in Mannheim noch die Möglichkeit, sich in die Zeit der Wagner-Interpretation der fünfziger/sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu versetzen. Und das ist doch – bei allem Bewusstsein, dass es nicht „heute“ ist – auch mal „schön“.

Das bedingt aber auch, dass sich die Darsteller wieder eines Darstellungsstils befleissigen, der nicht mehr im Aktionismus und nervöser szenischer Überhitzung sein Heil sucht, sondern im ausdrucksstarken Wenig-Bewegen – was irrtümlich als Statik bezeichnet wird – eine ungeheure Spannung entwickeln muss. Und das dürfte heutigen Sängern, die in einem anderen Darstellungsstil gross geworden sind, mitunter nicht leicht fallen. Doch man muss es dem Mannheimer Ensemble – und aus seinem Ensemble ist der Parsifal weitgehend besetzt! –  zu gute halten, dass es diesen Ansprüchen durchaus gerecht geworden ist. Es sind zwar hie und da noch kleinere Spannungsabfälle durch zu kleine Bewegungen zu statieren, aber das fällt kaum ins Gewicht.

Auch vom ordentlich bis sehr gut aufspielenden Nationaltheater-Orchester ist Gutes zu berichten. Der Dirigent Alois Seidlmeier vermochte mit einer mittelgrossen Orchester-Besetzung – hier natürlich mit offenem Orchestergraben – den Wagner‘schen Mischklang, der ja für den Parsifal typisch ist, zu erreichen und baute das Stück mit gängigen Tempi, die getragen gewählt waren, doch noch recht flüssig auf. Der Chor des Nationaltheaters (Einstudierung: Anton Tremmel) sang, wenn auch nicht übermässig zahlreich besetzt, sehr gut die Gralschöre und die Blumenmädchen. Diese waren auf der Bühne, ausgenommen die  Soloblumen, durch den Bewegungschor dargestellt, während die Chordamen im Orchester sangen. Die Soloblumen waren gut in Gesang und ebensolcher tänzerischer Bewegung (Respekt!): Astrid Kessler, Estelle Krüger, Maria Markina, Vera-Lotte Böcker, Ludovica Bello und Katharina von Bülow, die auch das Altsolo im Gral übernahm. Die Gralsritter waren bei David Lee und Sebastian Pilgrim und die Knappen bei Astrid Kessler, Katharina von Bülow, Uwe Eikötter und Ziad Nehme bestens aufgehoben. 

Amfortas sang Thomas Berau mit charakteristischem Bariton, zeitweise etwas leichtgewichtig, doch sauber gesungen und ernsthaft in der Darstellung des fehlbaren Gralskönigs. Sebastian Pilgram sang mit wohl klingendem Bass den Titurel aus dem Off, wie das in der Regel so üblich ist. Als Parsifal war Frank van Aken eingesprungen und sang einen heldisch abgestützten Helden von echtem Schrot und Korn. Als Gurnemanz beeindruckte einmal mehr der junge Schweizer Bass John in Eichen, der eine ganz fabelhafte Leistung erbrachte. Und als Kundry hat die höchst attraktive Edna Prochnik seit ihrem Kundry-Debut vor einem Jahr enorm an Stimme, Ausdruck und Darstellung gewonnen, sodass man fast von einer idealen Verkörperung dieser „verflixten“ Partie sprechen kann. Unglaublich faszinierend gestaltete Joachim Goltz (nicht mit Christel Goltz verwandt) einen dämonischen Klingsor. Es war unglaublich, wie sehr Goltz den Neu-Bayreuther Darstellungsstil getroffen hat. Von grosser Spannnug zeugten seine Bewegungen und sein prägnanter Gesang knüpfte an die besten Klingsore Bayreuths an. Ein grosses Bravo für Joachim Goltz, der zudem diesen Abend sein Klingsor-Rollen-Debut hatte!  – Eine Inszenierung aus dem Geist der Musik wie diese in Mannheim möge uns noch viele Jahre erhalten bleiben. Wir kommen immer wieder gerne her!

John H. Mueller     

 

 

 

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