Mannheim / Nationaltheater im OPAL: „LOHENGRIN“ – Premiere 26.10.2025
Halloween an der Schelde…

„Trautes Heim“. Foto: Christian Kleiner
Erschütterten Buh-Orkane nach jedem Aufzug anno 2011 die Grundfesten unseres ehrwürdigen Nationaltheaters werden nun während der Sanierung die Risse im Beton von damals beseitigt. Nun hat man die Premiere „Lohengrin“ von Richard Wagner erneut einem kontroversen Regisseur, dem Spezialisten der Werks-Verfremdungen anvertraut, dessen am NTM gezeigten Produktionen „Fidelio“ und „Aida“ beim Publikum wenig Gegenliebe fanden. Während Vorinterviews in der lokalen Presse bekundete Roger Vontobel Grundideen seines Konzepts der Glaubensfragen und wollte Ortrud, die „Priesterin“ der alten germanischen Götter vordergründig beleuchten. Eigentlich keine neuen Erkenntnisse welche ohnedies in der Textur verankert, so wurden der Figur heute keine besondere Bedeutung beigemessen. Man band wieder ein besonderes Sträußlein Idee sowie Realität lagen erneut weit auseinander. Lohengrin der lichte Heilsbringer ebenso weitere Personen entstammten in ihrer Maskerade Draculas Heimat Transylvanien, Gottfried geisterte durch die Szenen. Kostüme und Maske verzapfte Martina Lebert. Das triste Bühnenbild (Fabian Wendling) mit düsterem Waldgeäst im Hintergrund (wo Ortrud zuhause), die erbärmlichen Bretterbuden sponserte der Richard-Wagner-Verband mit € 23.000,. so vergeudet man dort sein Bares! Im Grunde sprachen die dunklen und teils grellen Szenenbilder für sich, bar der Absurditäten hätte ich bereits die privat besuchte Vorstellung nach dem ersten Aufzug verlassen können, doch da wären mir kulinarische Genüsse des Gehörs entgangen.
Richard Wagner war bekanntlich ein großer Verehrer von Vincenzo Bellini und versah viele Partituren mit belkantischen Anmerkungen bezüglich des italienischen Komponisten. Zweifellos gelten Lohengrin und Tannhäuser als romantischste, melodienreichste sowie italienisch geprägte Opern des größten deutschen Meister-Komponisten und somit schien es mir, erhielt dieser „Lohengrin“ durch GMD Roberto Rizzi Brignoli aus dem Land des Belkanto eine besonders prägnante Italiana-Note. Die ersten elegischen Streicher-Pastelle der Einleitung ertönten umflort von einer mystischen Magie, in mäßigen Tempi steigerten sich allmählich die favorisierten Lyrismen getragen von präzisen Holz- und Blechbläsern zum glamourösen Gesamtklang. Auf wunderbare Weise brachte der GMD mit seinem prächtig aufspielenden Nationaltheater Orchester Wagners Prosa und Poesie auf wunderbare Weise zum Klingen und ließ bereits nach wenigen Takten weitere lukullische Genüsse erahnen. Ob nun während der solistischen Begleitungen, den grandiosen Zwischenspielen, den Tableaus der Klangkörper musizierte in bewundernswerter Noblesse, dass es eine unbändige Freude war den Instrumentalwogen zu lauschen. Gewiss nahm der GMD die Tempi während des Duetts des dunklen Paares zu breit, ebenso zu Beginn der Brautgemach-Szene hätte man sich mehr Leidenschaft gewünscht, auch geriet manche Koordination mit dem Chor in Bedrängnis doch lassen sich jene kleine Premieren-Differenzen im weiteren Verlauf beheben.
Jonathan Stoughton gab sein Lohengrin-Debüt, relativ spät sang zuvor wichtige Wagner-Partien so auch den Siegfried. Sein Gralsritter reüssierte als jugendlicher strahlender Held von ebenso männlich-herber Prägung, es war bemerkenswert wie der kluge Sänger sein herrlich timbriertes Material in glanzvolle Höhen-Stratosphären zu führen verstand. Feinnervige Piani in Kombination der eleganten, höchst differenzierten Linienführung seines sehr ansprechenden Tenors adelten diese Interpretation, hinzu gesellte sich eine vortreffliche Artikulation sowie die clevere atemtechnische Einteilung im Einklang dieser glücklichen Fügungen erwies sich der englische Tenor als idealer Rollenvertreter.
Lyrische traumhafte Töne, elegische Piani webte Astrid Kessler in ihr Elsa-Portrait, das herrliche Timbre schien zuweilen im Raum zu schweben, Geprägt von tiefer Zuneigung zum namenlosen geliebten Retter, verführt, trotz auferlegten Verbots alles über ihn zu erfahren führte Kessler ihren farbenreichen Sopran in silbern schimmernde, glanzvolle Höhenbereiche. Bewundernswert ihre melodischen Phrasierungen, die Sinnhaftigkeit der ausdrucksvollen Stimme nuanciert einzusetzen. In natürlicher gesunder Entwicklung ihres jugendlich dramatischen Soprans wähnte ich bereits eine Siegfried-Brünnhilde oder gar junge Isolde zu vernehmen? Dank ihrer exzellenten Gestaltung avancierte die symphatische Sängerin zur Favoritin. Nach dem finalen Applaus wurde sie von der Vorsitzenden des RWV Frau Monika Kulczinski mit einem prächtigen Blumenstrauß geehrt und ebenso verlieh man ihr die Wagner-Stele 2025 für ihre wunderbaren Verdienste am Hause.
Von ganz anderem Vokal-Kaliber warf sich Julia Faylenbogen nach ihrer phänomenalen Kundry in die dämonischen Abgründe der Ortrud. Mit intensivem Spiel zog die vielseitige Sängerin in ihren Bann, vertiefte im Einklang von Darstellung und vokalen Mitteln die provokative Intension dieser Partie. Ob nun im kontrastreichen Duett mit Telramund oder schier traumverloren mit Elsa sowie den eruptiven Ausbrüchen zu Entweihte Götter die großartige Mezzosopranistin verstand es erneut zu faszinieren. Die wenigen grenzwertigen Obertöne fielen dabei nicht ins Gewicht bar des überwältigenden Rollen-Debüts.
Zu großem darstellerischem Einsatz, im prächtigen Jonglieren seines farbenreichen Baritons punktete Joachim Goltz enorm. In zahlreichen Rollenportraits glänzte der vortreffliche Sänger bisher und verlieh nun dem Telramund nicht nur eine außergewöhnliche vokale Präsenz, sondern lieferte zudem eine ungeheuer glaubwürdige Charakterstudie.
Fehlte dem Bass Patrick Zielke zwar die vokale Nachtschwärze, schenkte der ausgezeichnete Sänger dem König Heinrich mit kräftigem obertonreichem , schönstimmigem Organ die würdevolle intensive Autorität.
Die oft unterschätzte aber dennoch gewichtige Partie des Heerrufers wurde mit Nikola Diskic besetzt, seiner dereinst ersten Rolle am NTM frisch von der Musikhochschule engagiert. Inzwischen eroberte sich der vortreffliche Bariton eine hohe Zahl der Hauptpartien seines Fachs von Mozart-Wagner u.a., begeisterte Diskic als vortrefflicher Amfortas. Im Wohlklang seiner schönen ausdrucksstarken Stimme kehrte nun der beliebte Sänger zu seinen „Wurzeln“ zurück.
Schönstimmig fügten sich die vier Edlen Raphael Wittmer, Dominic Lee, Zacharias Galoviz Guerra, Bartosz Urbanowicz sowie die Edelknaben ins Geschehen. Höchstes Lob gebührt jedoch den Damen und Herren vom NTM-Chor und Extrachor (Alistair Lilley) welche in homogener Musikalität begeisterten und noch agil und sehr beweglich gefordert waren.
Nach den jeweiligen Aufzügen wirkte die Publikumsresonanz eher zögerlich, doch wurden die Solisten beim Final-Applaus mit großer Euphorie gefeiert. Der GMD erhielt weniger Zustimmung mit einigen Buh´s versehen. Das einst so kritische Mannheimer Publikum nahm die Produktion gelassen ohne Pro und Contra eher gleichgültig hin.
Gerhard Hoffmann

