Mannheim: TANCREDI von G. Rossini – am 4.12. 2015 Premiere
Maria Markina (Tancredi), Tamara Banjesevic (Amenaide). Foto: Hans Jörg Michel
Mit Tancredi bringt das Nationaltheater die Oper, die den jungen Rossini berühmt gemacht hat, ein Melodramma eroico, also eine Opera seria, die am Beginn seiner Karriere stand. Der Stoff, von dem es auch ein Voltaire Epos gibt, war im 18.Jahrhundert sehr verbreitet. Er spielt im frühen Mittelalter, als Sizilien von den Mauren, die auch in Spanien ein Reich gegründet haben, bedroht wurde, und nun unter ihrem Heerführer Solamir das an der Ostküste zum jonischen Meer gelegene Syrakus belagerten. Die zwei verfeindeten Familien der Stadt müssen sich zusammenschließen, um der militärischen Übermacht des Feindes zu widerstehen. Das scheint nur zu gelingen, indem die Tochter des Argirio Amenaide dem anderen Führer Orbazzano vermählt wird, was mit der Neupflanzung eines Bäumchens durch Argirio bekräftigt wird. Amenaide liebt aber Tancredi, Sohn einer aus Syrakus verbannten normannischen Familie. An ihn hat sie heimlich einen Brief gesandt, er möge nun zurückkehren und sie heiraten, und widersetzt sich den Wünschen ihres Vaters nach einer Verbindung mit Orbazzano. Da ihr Brief aber abgefangen wurde, steht sie im Verdacht mit dem Feind zu kollaborieren, da Solamir sie auch zur Frau begehrt. Der zurückgekehrte Tancredi bekommt die inzwischen eingeleitete Hochtzeit mit und zweifelt an Amenaides Treue, obwohl sie sie sich letztlich weigert und die Zeremonie abbricht. Der Vater zögert längere Zeit, bis er das Todesurteil seiner Tochter unterzeichnet, und Tancredi erklärt sich bereit, für Amenaide in einen Zweikampf mit Orbazzo ein Gottesurteil herbeizuführen und tötet diesen. Der aber immer noch zweifelnde Tancredi stürzt sich in den Kampf mit den Sarazenen, besiegt sie und wird selber dabei tödlich verwundet. Er stirbt vesöhnt in den Armen Amenaides.
Die Komposition Rossinis wirkt noch nicht so original wie seine späteren Opern. Es gelingen ihm viele schöne melodisch leichtfüßige Passagen, die aber noch unter dem Einfluss C.W. Glucks erscheinen.Die Protagonisten haben aber schon ausgesprochene Bravour- und Koloraturarien. Ruben Dubrovsky läßt die Orchestermusiker den vielfältigen Melodienzauber mit leichtem Schlag und ohne Taktstock lustbetont aufspielen und gibt auch den Sängern eine sichere Basis.
Cordula Däuper hat ein eher ahistorisches Seelendrama im Regie-Sinn. Auf die Bühne ist ein quadratisches Podest gebaut, das in erster Linie den (stadt)staatlichen Handlungen dient (Bühnenb.: Ralph Zeger). Durch einen Holzsteg schräg nach hinten ist es mit einer Tür verbunden, die in einen imginären Palast oder später auf das Schlachtfeld führt. Nach der Hochzeits-Verweigerung Amenaides werden besonders die Mannen des Orbazzano rebellisch und brechen den Holzsteg herunter. Amenaide steht plötzlich ohne Ihre Hochzeitsrobe im Unterkleid da und verbirgt sich verängstigt in dessen Behältnis. Dann tauchen zusätzlich Tancredi und Amenaide als Kinder auf, und das Kind Amenaide versucht die Trauernde zu trösten. Der Zweikampf wird hinter der gleißenden Türöffnung musikalisch nachgezeichnet. Nach der Wiederkunft Tancredis gelingt es Amenaide, seinem Knappen eine Pistole zu entreißen, um sich damit zu töten, was Tancredi verhindert. Sophie du Vinage creiert für diese bedrückenden Psychospiele auch signifikante Kostüme, ohne in Klischees zu verfallen.
Die zweite Hosenrolle des Roggiero gibt Ji Yoon mit einer etwas kleinen lyrischen Stimme, die sie aber in der Arie 2.Akt allerliebst einsetzen kann. Den Chor stellt in dieser Premiere der Coro Isabella Malibran (Einstud: F.Damiani und Aki Schmitt), bei dem schlagkräftige Männerstimmen hervorstechen. Die Isaura gibt der Mezzo Katharina von Bülow mit kurzem rollengerechtem Schöngesang. Orbazzano singt mit schmetterndem Schwarzbaß (wie auch seine Uniform) Sung Ha. Der Argirio in weißem Designeranzug wird von Filippo Adami mit süffigem und flexibel gestaltendem Tenor gesungen. Tamara Banjesevic ist Amenaide und singt mit einem etwas ‚cool‘ timbriertem Sopran die Rolle, die sie szenisch wunderbar darstellt. Ihr hehrer Ritter ist die in der Hosenrolle gut seine Zweifel ausagierende Maria Markina, auch wie die anderen Solisten außer Adami in ihrem Rollendebut. Die russische Sängerin verfügt über einen sinnlichen und gleichzeitig kristallin timbrierten Mezzosopran und singt seit dieser Spielzeit fest im Ensemble des Opernhaus des Jahres. Auch im Duett mt Banjesevic wirkt sie auch in den Koloraturen hinreißend.
Friedeon Rosén