Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MANNHEIM/ Nationaltheater: PARSIFAL – Der zeitlos gültige Parsifal in Mannheim seit 1957!

21.04.2019 | Oper

Bildergebnis für Mannheim Parsifal
Foto: Hans-Jörg Michel

Mannheim: PARSIFAL  – Karfreitag, 19.4.2019. Der zeitlos gültige Parsifal in Mannheim seit 1957!   

Dies war nun die 143. Vorstellung des Parsifal in der Inszenierung von Hans Schüler und in den Bühnenbildern von Paul Walter (Kostüme: Gerda Schulte), die am 14. April 1957 (!) Premiere hatte. Wer diese nun schon als Kult-Aufführung betitelte Aufführung miterleben durfte, war einmal mehr im Tiefsten berührt und bewegt. Jedes Jahr zur Osterzeit wird diese Produktion neu belebt und mit wechselnder Besetzung entsprechend angepasst. Dabei wird das Konzept beibehalten, jedoch nicht sklavisch umgesetzt. So bleibt diese Aufführung trotz ihrer mehr als sechzig Jahre, die sie schon auf dem Buckel hat, lebendig. Und sie wirkt kein bisschen altmodisch oder überholt. Alles ist richtig und auf den Punkt gebracht. Denn gerade dieses Weltabschiedswerk Wagners mit seinem geistlichen Gehalt muss mit viel Zurückhaltung und Geschmack auf die Bühne gebracht werden. Jeder banale Realismus würde die Send-Kraft dieses einmaligen Werkes vermindern. Dass die Aufführung am Puls des Lebens bleibt, zeigt auch, dass sich dieses oder jenes Detail – bedingt durch die Besetzung mit aktuellen Sängern – anders gestaltet.

So wirkt nun diesmal Gurnemanz menschlicher und verletzlicher, als man es bei seinen Rollen- Vorgängern gewohnt war. Es war der Bassist Patrick Zielke, der mit seiner väterlichen Ausstrahlung zum Zentrum dieser Aufführung wurde. Mehr als andere Interpreten des Gurnemanz sang er manche Phrase im Legato und setzte wunderbare Piani. Sehr schön und innig war seine Klage um den verstorbenen Titurel, wenn er seinen heiligen Helden betrauert. Ein neuer Aspekt stellte sich auch ein, als er am Schluss des ersten Aufzuges beim „Durch Mitleid wissend…“, von der Stimme von oben intoniert, direkt ins Publikum schaut, ob der Retter wohl von dort kommen würde. Patrick Zielke besitzt eine wohltönende, warm timbrierte Bassstimme und singt auf Linie bei höchster Wortverständlichkeit. Es sei hier angemerkt, dass in Mannheim in dankenswerter Weise auf die lästigen Übertitel verzichtet wird. Das ist auch gar nicht nötig, wenn die Sänger derart deutlich artikulieren wie in dieser Aufführung.  

Als Amfortas war wiederum Thomas Berau zu erleben, der nach wie vor einen edlen Gralskönig darstellt. Zuerst zurückhaltend bricht er erst im dritten Aufzug aus seiner Reserve, wenn er die Gralsritter anfleht, ihn aus Erbarmen zu töten. Im ersten Aufzug hatte er bei der Gralsenthüllung die Ritter flehentlich angeschaut, ob er jetzt dieses ihm höchste Schmerzen bereitende Amt erfüllen müsse. Durch seine Positionierung in der Mitte, aber relativ weit hinten im Gralstempel waren vielleicht ein paar Passagen seiner im Mezzoforte gesungenen Phrasen im Orchesterklang etwas untergegangen. Im dritten Aufzug dann aber entwickelt Berau einen schönen, dramatischen Stimmklang, ohne damit zu protzen.

Ein neuer Parsifal präsentierte sich mit dem jugendlich wirkenden Tilmann Unger, der mit seinem lyrisch, baritonal timbrierten Tenor die dramatischen Ausbrüche des zweiten Aufzuges bewältigte, aber seine stimmlichen Vorzüge vor allem in der Karfreitagsszene voll einbringen konnte. Seine etwas enge Höhe öffnete sich nun und bei „Nur eine Waffe taugt“ konnte er seiner Stimme freien Lauf lassen.

Als Kundry hörten wir die Finnin Tuija Knihtila, die über einen schöntimbrierten Mezzosopran verfügt. Auch in der Darstellung der seelisch Zerrissenen war sie überzeugend. Im zweiten Aufzug sang sie eine wunderschöne Herzeleide-Erzählung und verführte Parsifal mit beredter Körpersprache. Diese hatte sie im Dialog mit dem fabelhaften Klingsor von Thomas Jesatko bereits eingesetzt. Dieser war wiederum der intensiv singende und agierende Zauberer. Leider gelang Tuija Knihtila das hohe h` in der Passage „Ich sah Ihn und lachte“ nicht. Die Folge war wohl eine damit einsetzende Nervosität und Unsicherheit, dass ihr einige der darauffolgenden Spitzentöne nicht mehr so recht gelingen wollten. Nichts desto trotz war sie eine überzeugende Kundry und die Buhs hatte sie wahrlich nicht verdient.

In den weiteren Partien hörten wir den profunden Bass von Dominic Barberi als Titurel und bei den Gralsrittern David Lee und Marcel Brunner. Von den ausgezeichneten Knappen und Blumenmädchen sei stellvertretend für ihre Kollegen und Kolleginnen Katharina von Bülow genannt, die auch die Verheissung der „Stimme von oben“ übernommen hatte. Chor und Orchester des Nationaltheaters Mannheim waren hervorragend disponiert und folgten ihrem GMD Alexander Soddy diszipliniert und engagiert. Soddy dirigiert den ersten Aufzug in weniger als 1 Stunde und 40 Minuten – quasi Tempi à la Clemens Krauss oder Pierre Boulez. Und trotzdem klang es nicht verhetzt oder atemlos. Ein etwas ruhigeres Zeitmass allerdings würde aber auch nicht schaden… Nach diesem bewegenden Erlebnis freuen wir uns, wenn wir uns wieder übers Jahr zur Osterzeit in Mannheim zu diesem authentischen Parsifal einfinden.

John H. Mueller

 

 

 

 

Diese Seite drucken