Mannheim: „PARSIFAL“ – Festlicher Opernabend 14.04.2018
Zum 61. Jahrestag der Premiere am 14. April 1957 erlebte heute „Parsifal“ (Richard Wagner) eine glanzvolle Aufführung im Rahmen der FOA. Dank großzügiger Spenden wurde die älteste durchgängig gespielte Wagner-Inszenierung der Welt bühnentechnisch restauriert und die Diaprojektionen auf den Stand neuester Digitaltechnik gebracht. Ganz im Stil Neu-Bayreuths erhielt dieser Parsifal dereinst von Hans Schüler seine spezifische Handschrift, die fast leere Bühne ihre dimensionale Aussage durch die blitzschnellen Dia-Verwandlungen (Paul Walter), dazu wurden natürlich auch die Kostüme von Gerda Schulte schon mehrmals erneuert. Nun erschienen wie einst die Konturen der Gralsburg, die Wanderung durch den Wald sowie Klingsors Zaubergarten, durch die frischen Farbkontraste in völlig neuem Licht, geradezu in berauschender Farbenpracht. Dank natürlich auch ans Team des Lichtdesigns zum Gelingen der wunderbaren Illuminationen. Um es in Gurnemanz-Worte zu fassen: Zum Raum wird hier die Zeit!
Am Pult des bestens disponierten NTM Orchesters waltete GMD Alexander Soddy, pflegte teils breite Tempi, verstand es aber mit spannungsreichen Steigerungen und durchgehend orchestraler Transparenz zu fesseln. Von Beginn an ließ Soddy die Grundthemen des Werkes vortrefflich Ineinanderfließen, wie bereits beim Abendmahlmotiv wenn sich lentamente Ursubstanzen bilden, ambivalent außerhalb fühlbarer Zeiterfahrung in Wellen durch die Streicher ziehen, sich in Triolen die Bläser zum Pathos des Gesamtklangs formieren. Autoritativ jedoch con grandezza strukturierte Soddy das Bühnenweihfestspiel in klarer Ruhe, zelebrierte magische Momente u.a. zum Karfreitagszauber, die Hoffnung schufen, welche die fein ausmusizierenden Streicher nuanciert im Erlösungsmotiv des Nachspiels mit einer goldenen Krone versahen. Alles wäre wunderbar, es ließe sich so mancher Klangbrei vermeiden, würde sich der Dirigent nicht zu vordergründigen knalligen, überproportionierten Effekten hinreißen lassen, quasi weniger „auf die Pauke“ hauen.
In dieser musikalischen Einbettung fühlten sich die Solisten zu hervorragenden Leistungen animiert. Allen voran René Pape glänzte in erlesener Vokalkultur. Beispiellos präsentierte der Bass ausdrucksstark, textdeutlich, die breit dahin strömenden Erzählungen des Gurnemanz. Weich floss das herrliche dunkle Timbre, erschloss sich in vokaler Pracht dem Hörer und faszinierte zugleich auch in souverän engagierter Darstellung. Der ohrenbetäubende Bravosturm beim Schlussapplaus war durchaus gerecht und verdient.
Dunkle Mezzo-Couleurs schenkte Angela Denoke ihrer darstellerisch erotisch expansiven Kundry. Die Sopranistin verstand es geschickt dank ihrer ausgezeichneten Stimmtechnik, Forcieren der Spitzentöne klug zu umschiffen, gestaltete den Herzeleide-Monolog vornehmlich in wohlklingender Mittellage ihres zuweilen herb anmutenden Materials.
Frank van Aken als dritter Gast sang den Parsifal mit nennenswertem Tiefgang, qualitativer Tongebung im Schönklang seines gesunden Materials. In bester Manier verstand es der sympathische Sänger seinen Tenor in kernigem Mittelton und bestem Höhenklang zu offerieren.
Eindrucksvoll gestaltete Thomas Berau die Leiden des Amfortas. In absoluter Artikulation verstand es der bewährte Bariton sein wohltönendes kerniges Potenzial dominant und mühelos in den schmerzvollen Erbarmenrufen zu gipfeln und klangvoll einzusetzen.
Besonders starke Präsenz schenkte Joachim Goltz dem diabolischen Klingsor. Frei ließ der Sänger seinem Bariton markante intensive Charaktere mit einfließen und eroberte mit dieser prächtigen Leistung das Publikum im Sturm. Keineswegs siech, eher jugendlich frisch erklang der vitale Bass von Patrick Zielke (Titurel) aus dem Hintergrund.
Pastos herrlich strömend erklang das Alt-Solo von Julia Faylenbogen, sie war ebenso in der Schar der Blumenmädchen (Amelia Scicolone, Estelle Kruger, Ludovica Bello, Iris Kupke, Iris Marie Sojer) und Knappen (Uwe Eikötter, Pascal Herrington) eingebunden. Die beiden Gralsritter David Lee, Philipp Alexander Mehr schlossen den Kreis der Solisten.
Wiederum als kulinarischer Ohren-Schmaus erwies sich der herrlich klangschön und nuanciert singende Chor des NTM (Dani Juris) und verhalf der Aufführung zur elitären Krone.
Langanhaltend in typischer Mannheimer Publikums-Euphorie wurden alle Künstler bedankt.
Gerhard Hoffmann