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MANNHEIM/ Nationaltheater: Neuinszenierung TRISTAN UND ISOLDE . Premiere

15.11.2021 | Oper international

Mannheim: „TRISTAN UND ISOLDE“ – 14.11.2021

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Allison Oakes, Julia Feylenbogen. Foto: Christian Kleiner

„Tristan und Isolde“, Richard Wagners absolutes Meisterwerk erlebt Land auf, Land ab eine regelrechte Aufführungs-Renaissance und lässt die Wagner-Herzen und ganz besonders das des Rezensenten mit dessen Lieblingsoper höher schlagen. Ja und das für wahr dank der Neuinszenierung am Nationaltheater Mannheim. Ein Damentrio sorgte für die prächtige optische Deutung. Luise Kautz führte textgenau ohne Verfremdungen Regie, die vortreffliche Bühnenausstattung steuerte Lani Tran-Duc bei und Hannah Barbara Bachmann kreierte die Kostüme der Ära um 1910.

Den Tod wollte Isolde trinken, Tristan zur Sühne ins Reich der Schwärze mit befördern, doch dank des klug-spontanen Tausches der Tränke durch Brangäne nahm das Schicksal einen völlig andern Verlauf, statt ihrer letzten Augenblicke erlebte sich das Liebespaar neu. Man nahm einen der magischen Momente des Theaterzaubers welche uns die Regisseurin Kautz in völlig klarer Diktion offenbarte wahr. Wie alle Protagonisten sich darstellerisch in ihren Rollen profilierten einfach grandios, allen voran Isolde mit ungläubigem Staunen das Unmögliche erfährt, das vermeintlich so neue und doch das immer noch unterschwellig schlummernde und nun wieder hervorbrechende Gefühl erlebte. Emotionen explodierten wie ein Fixstern in weiten Galaxien des unendlichen Universums, wie Kometen umher schwirrend im Kosmos per Videotechnik bereits zum Vorspiel, nach dem Wachgesang zum Duett und während Isoldes Liebenstod universell eingespielt. Dazu schuf die Bühnen-Künstlerin Tran-Luc individuelle Ausstattungs-Elemente den Gerüstrumpf mit Oberdeck der Schiffspassage, inmitten des Blätterwaldes eine Jugendstiltür, drei Stufen hinab führend zur Terrasse mit bildschönen Accessoires und letztlich die Überreste von Tristans Burg Kareol per Drehbühne von allen Seiten beleuchtet. Das Damentrio wurde zu Recht in den finalen Jubel mit einbezogen.

Uneingeschränkt und absolut gebührt die Krone des Abends jedoch GMD Alexander Soddy, was er mit dem  Orchester des NTM in Verbindung von Kraft, Dichte, Subtilität vollbrachte grenzt schon ans Erstaunliche. Bereits die fein ziseliert lyrisch eröffnenden Takte des Vorspiel, sich allmählich frisch, ja liebevoll in schlanker Dynamik, in transparenter Farbigkeit in die motivierte Liebesekstase  steigernd, bescherten dem Hörer die ersten Wonneschauer.

Sich in atmosphärischer Vielschichtigkeit, fulminanten Steigerungen der dramatischen Ausbrüche des ersten Aufzugs, die weitausschwingende Hymne der Nacht betörend ausmusizierend, stets ließ Soddy die magische Musik atmen, gemächlich fließen. Zur überwältigenden Klangkultur des in allen Instrumentalgruppen prächtig, präzise aufspielenden Klangkörpers verstand es der versierte Dirigent in mitreißender Energie vom ersten bis letzten Ton zu fesseln, leuchtete phänomenale orchestrale Zwischentöne aus, rückte szenische Momente wie Er sah mir in die augen – die säuselnde Quelle etc. in überirdisch sphärische Nähen. Gewiss verdichtete sich so manche leidenschaftliche Klangwoge in dimensionierter instrumentaler Eruption, dennoch ließ Soddy seine Sänger*innen atmen, versetzte das Auditorium in Zustände narkotischen Klangrausches und erntete dafür incl. seinem Orchester  lautstarke Ovationen.

Derart von akustischem Wohlklang umflort und bestens geführt fühlte sich das Sänger-Ensemble zu Bestleistungen animiert. Der irischen Maid schenkte Allison Oakes einen jugendlich-dramatischen Sopran. Kannte ich die Sängerin noch in Rollen wie der Don Carlo-Elisabetta entwickelte sich die Künstlerin allmählich zur Salome und nahm sich schließlich bereits 2015 die Isolde vor. Zunächst leicht verhalten, steigerte sich Oakes allmählich in rachelüsterne Gefilde, ließ sich strahlkräftig von Tristan in die Liebesverklärung entführen, beeindruckte mit stabiler Mittellage, lediglich extrem hohe Töne wurden nur  angetippt, dennoch überzeugte sie schließlich beim finalen Mild und leise mit innig berührender Vokal- Gestaltung.

Mit kultiviertem Legato, mühelosen Höhenaufschwüngen gestaltete Julia Faylenbogen eine sehr spielintensive Brangäne auf hohem Niveau. Ihr tragfähiger, bestens grundierter, wunderschön timbrierter Mezzosopran entfaltete sich bestens und ließ keine Wünsche offen.

Eine anrührende Studie des betrogenen König Marke lieferte Patrick Zielke, verstand es auf besondere Weise mit seinem geschmeidigen, schönen warmen Basstimbre zu fein abgestuftem Gesang der Figur völlig neue berührende Ausdrucksstärken  ohne Larmoyanz zu schenken.

Frank van Aken überraschte mit klug eingeteilten Reserven, beeindruckte mit vokalen Differenzierungen ohne je die musikalische Linie beeinträchtigend. Auf breitem Atem erklangen herrliche Bögen beim Liebesduett, das baritonale Kolorit seines Tenors blühte zuweilen strahlkräftig auf und zog in Tristans Fieberträumen mit unglaublicher Intensität vokal wie im Spiel ausdrucksstark in seinen Bann.

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Thomas Berau (Kurwenal). Foto: Christian Kleiner

Mit seinem in allen Lagen repräsentabel schönstimmig geführten Bariton vermochte Thomas Berau als umsichtig umsorgender Kurwenal glaubwürdig zu überzeugen.

Tenoral höhensicher sangen Joshua Whitener (Junger Seemann) sowie Uwe Eikötter den besorgten Hirten. Baritonale Töne vernahm man Ilya Lapich (Melot) und Marcel Brunner (Steuermann), der Herrenchor des NTM (Dani Juris) ergänzte mit seinen höhnenden Mannen das vortreffliche Ensemble.

Das Publikum feierte die Solisten mit Bravos und donnerndem Applaus, Soddy und sein Orchester mit Ovationen. Fazit: eine Aufführung der Sonderklasse, ich freue mich bereits auf die nächsten zwei Vorstellungen am 21.11. + 05.12.2021.

Gerhard Hoffmann

 

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